Leitsätze

Die Befugnis, öffentlich-rechtliche Nachbaransprüche im Hinblick auf das gemeinschaftliche Eigentum geltend zu machen, steht allein der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer zu.

Auf eine nicht gesicherte Erschließung können sich die Wohnungseigentümer berufen, weil sie durch die Baugenehmigung zugunsten des Nachbarn in Art. 14 Abs. 1 GG verletzt werden. Denn zu ihren Lasten würde bei Umsetzung des genehmigten Vorhabens ein Notwegerecht nach § 917 Abs. 1 Satz 1 BGB in nach öffentlich-rechtlichen Maßstäben rechtswidriger Weise begründet.

Normenkette

§ 9a Abs. 2 WEG; § 917 BGB

Das Problem

Wohnungseigentümer K und die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer wenden sich im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes gegen eine Baugenehmigung eines Grundstücksnachbarn. Fraglich ist, ob diese jeweils prozessführungsbefugt sind.

Die Entscheidung

Das VG verneint die Frage für K! Denn K mache eine Beeinträchtigung des gemeinschaftlichen Eigentums geltend, ohne dass sie hierzu berechtigt sein dürfte. Denn nach § 9a Abs. 1 Satz 1 WEG übe die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer die sich aus dem gemeinschaftlichen Eigentum ergebenden Rechte aus. Die Befugnis, öffentlich-rechtliche Nachbaransprüche im Hinblick auf das gemeinschaftliche Eigentum geltend zu machen, stehe daher – ungeachtet nicht unerheblicher verfassungsrechtlicher Bedenken – der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer zu (VGH Mannheim, Beschluss v. 24.2.2021, 3 S 2373/20 und Hügel/Elzer, WEG, § 9a Rn. 99). Anders sei es für die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer. Deren Antrag sei auch begründet. Die Baugenehmigung verletze die Wohnungseigentümer in ihrem Eigentumsgrundrecht nach Art. 14 Abs. 1 GG. Sie sei rechtswidrig, weil sie den Wohnungseigentümern ein Notwegerecht aufzwinge. Denn die Erschließung des mit ihr legalisierten Vorhabens sei nicht gesichert, weshalb bei Umsetzung des genehmigten Vorhabens ein Notwegerecht begründet werden würde. Ergänzend sei darauf hinzuweisen, dass eine Eigentumsverletzung auch deshalb anzunehmen sein dürfte, weil zulasten der Wohnungseigentümer auch ein Notleitungsrecht analog § 917 Abs. 1 BGB entstünde.

 

Hinweis

Problemübersicht

Im Fall geht es einerseits um die Frage, wer sich gegen eine Beeinträchtigung des gemeinschaftlichen Eigentums wehren kann. Andererseits geht es um die Fragen eine Notwegerechts.

Prozessführungsbefugnis

Die Sichtweise im Verwaltungsrecht war in den letzten Jahren "schwankend". Vielfach wurde angenommen, der Nachbarschutz in Bezug auf das gemeinschaftliche Eigentum sei auch ein Recht des einzelnen Wohnungseigentümers. Diese Sichtweise ist im aktuellen Recht nicht vertretbar (vgl. nur VGH Mannheim, Beschluss v. 24.2.2021, 3 S 2373/20). Vielmehr ist es nach § 9a Abs. 2 WEG jetzt allein eine Aufgabe der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer, vom Nachbargrundstück ausgehende Störungen zu unterbinden.

Aufgaben des Verwalters

Aufgabe des Verwalters als Organ der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer ist es, diese Störungen festzustellen und die Wohnungseigentümer darüber zu informieren. Ferner ist es seine Aufgabe, eine Beschlussfassung der Wohnungseigentümer herbeizuführen, ob und auf welche Art und Weise die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer gegen die Störung vorgehen soll. Eigenständig muss der Verwalter meines Erachtens aber nicht tätig werden. Zwar ist es gut vertretbar, dass er nach § 27 Abs. 1 Nr. 1 WEG sowohl mit dem Nachbarn als auch mit der Baubehörde Kontakt aufnimmt und die Tatsachen klärt und feststellt. Die Frage, ob die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer gegen den Nachbarn eine Klage erhebt, sollte aber immer von den Wohnungseigentümern beschlossen werden.

Notweg

Fehlt einem Grundstück die zur ordnungsmäßigen Benutzung notwendige Verbindung mit einem öffentlichen Weg, so kann der Eigentümer von den Nachbarn verlangen, dass sie bis zur Behebung des Mangels die Benutzung ihrer Grundstücke zur Herstellung der erforderlichen Verbindung dulden. Ist eine zur Errichtung eines Gebäudes erforderliche Baugenehmigung erteilt worden, führt dies dazu, dass insoweit, d. h. für ein Bewohnen, i. d. R. von der Ordnungsmäßigkeit der Benutzung des Grundstücks auszugehen ist. Um diesen Effekt zu verhindern, musste die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer gegen die Baugenehmigung vorgehen.

Entscheidung

VG Hamburg, Beschluss v. 5.5.2021, 6 E 1860/21

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