Leitsatz

Vorliegend keine Schadensersatzhaftung eines – wenn auch strafrechtlich verurteilten – "Mitternachtsnotars" wegen einer "Überrumpelungs"-Beurkundung eines Wohnungskaufs

 

Normenkette

§ 17 Abs. 1 BeurkG; §§ 14 u. 19 Abs. 1 BNotO

 

Kommentar

  1. Der Käufer einer Wohnung nimmt einen Notar auf Schadensersatz wegen Amtspflichtverletzungen im Zusammenhang mit der Beurkundung eines Kaufvertrags über eine Eigentumswohnung in Anspruch. Dies auch unter Hinweis auf betrügerisches Zusammenwirken mit dem Verkäufer und hinsichtlich eines behaupteten sittenwidrig überhöhten Kaufpreises.

    Der klagende Käufer hatte sich am 14.6.2004 beim Verkäufer kaufinteressiert gezeigt, ohne die angeblich vermietete Wohnung zuvor besichtigt zu haben. Noch am selben Tag wurde ein Beurkundungstermin mit dem beklagten Notar vereinbart und der Kaufvertrag geschlossen. Nach der Regelung im Kaufvertrag sollte die Wohnung vermietet übergeben werden. Später stellte der Kläger fest, dass die Wohnung nicht vermietet war und sich auch nicht in vermietbarem Zustand befand. Im Mai 2005 hat der Kläger den Kaufvertrag angefochten, sodass auch keine Eigentumsumschreibung erfolgte.

    Vom OLG wurde Revision zugelassen, da sich die Rechtsfrage stellte, ob der einen Immobilienkauf beurkundende Notar einen Käufer danach befragen müsse, ob er sich über Bestand und Ausgestaltung zu übernehmender Mietverhältnisse Kenntnis verschafft habe, und ob er ihn ggf. vor den Gefahren eines nicht bestehenden Mietverhältnisses warnen müsse bzw. ob der Notar wenigstens danach zu fragen habe, ob der Käufer einen Mietvertrag gesehen habe.

  2. Die Revision gegen das Urteil, das eine Haftung des Notars verneint hat, erachtete der BGH als unbegründet. Aufgrund des für die Beurteilung durch das Revisionsgericht maßgeblichen Parteivortrags bis zur letzten mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht scheidet ein Schadensersatzanspruch gegen den Notar wegen etwaiger Amtspflichtverletzung aus (§ 19 Abs. 1 BNotO). Der Notar hat keine Beurkundungspflichten nach § 17 Abs. 1 BeurkG verletzt. Ein Notar ist nur verpflichtet, Grundstückskäufer darauf hinzuweisen, dass durch einen solchen Grundstücksverkauf Miet- und Pachtverhältnisse nicht erlöschen; weiterhin hat er abzuklären, ob noch Regelungsbedarf im Zusammenhang mit dem Übergang von Rechten und Pflichten aus einem Mietvertrag besteht, etwa im Hinblick auf den Zeitpunkt der Übertragung der Mietzinsansprüche im Innenverhältnis der Vertragsparteien oder der Übergabe von Mietsicherheiten. Zweck dieser Amtspflicht ist es zu gewährleisten, dass die Vertragsparteien die Möglichkeit erhalten, sich über die im Einzelfall auf sie zukommenden Rechtsfolgen des Übergangs von Mietverhältnissen im Klaren zu werden. Der Kläger hätte jedenfalls im vorliegenden Fall vortragen müssen, dass er entsprechende Hinweise des beklagten Notars zum Anlass für weitere Nachfragen genommen hätte, daraufhin der Leerstand aufgedeckt worden wäre und er sodann von einem Kaufvertrag Abstand genommen hätte. Insoweit hat das Berufungsgericht keine Feststellungen getroffen und die Revision auch keinen übergangenen Sachvortrag zu rügen vermocht.

    Ein Anspruch scheitert vorliegend auch an der fehlenden Ursächlichkeit eines etwaigen Verstoßes des Notars gegen seine Amtspflichten für den geltend gemachten Schaden. Zwar muss ein Notar den Beteiligten ausreichend Gelegenheit einräumen, sich mit dem Gegenstand der Beurkundung auseinanderzusetzen. Auch insoweit fehlt jedoch der Tatsachenvortrag des Klägers, dass er bei Einhaltung einer angemessenen Frist vor der Beurkundung weitere Überlegungen angestellt hätte, Erkundigungen über das angebliche Mietverhältnis einzuholen und daraufhin von einem Vertragsabschluss Abstand zu nehmen.

  3. An dieser Rechtslage ändert sich auch nichts dadurch, dass vom Kläger ein während des Revisionsverfahrens ergangenes Urteil einer Strafkammer des LG vorgelegt wurde, durch das der Beklagte wegen Betrugs zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr verurteilt worden war. Die Strafkammer hat es als erwiesen angesehen, dass der Beklagte im Jahr 2004 über 100 ihm von dritter Seite vermittelte Beurkundungen vorgenommen habe. Die Geschäftsleitung dieses Vermittlungsunternehmens verfolgte – dem Beklagten bewusst – gezielt die Strategie, kaufinteressierten Kunden keine Bedenkzeit zu lassen. In dieses auf "Überrumpelung" ausgerichtete System sei der Beklagte als sog. Mitternachtsnotar eingebunden gewesen.

    Im hiesigen Schadensersatz-Revisionsverfahren unterliegt der Beurteilung des Revisionsgerichts gem. § 559 Abs. 1 ZPO nur dasjenige Parteivorbringen, welches aus dem Berufungsurteil oder dem Sitzungsprotokoll ersichtlich ist. Ferner können nur Tatsachen berücksichtigt werden, aus denen sich ein Verfahrensverstoß ergibt. Irgendeine Ausnahme von diesen Grundsätzen nach bisheriger Rechtsprechung war vorliegend nicht erkennbar.

    Überdies würde die Berücksichtigung eines Strafurteils nicht über den fehlenden Sachvortrag zur Ursächlichkeit einer Amtspflichtverletzung des Beklagten für den...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge