a) Umfang des Erbrechts

 

Rz. 20

Die Rechtsstellung des überlebenden Ehegatten beruht auf den gesetzlichen Regelungen des Erbgesetzes über das gesetzliche Erbrecht, über das Mindesterbe des Ehegatten, über das Recht, den Nachlass ungeteilt zu übernehmen (uskifte), sowie über das testamentarische Erbrecht. Weiterhin hat der eheliche Güterstand Bedeutung für den Umfang des Rechts des überlebenden Ehegatten.

 

Rz. 21

§§ 8 und 9 Erbgesetz regeln den Umfang des gesetzlichen Erbrechts in Konkurrenz zu verschiedenen Kategorien anderer Erben. Danach hat der überlebende Ehegatte neben gesetzlichen Erben der ersten Ordnung Anspruch auf ein Viertel und neben gesetzlichen Erben der zweiten Ordnung Anspruch auf die Hälfte des Nachlasses. Neben gesetzlichen Erben der dritten Ordnung und in allen anderen Fällen wird der überlebende Ehegatte Alleinerbe.

b) Mindesterbe des Ehegatten

 

Rz. 22

Ebenfalls nach § 8 Erbgesetz hat der überlebende Ehegatte einen Anspruch auf einen Pflichtteil (minstearv). Dieses Recht des Ehegatten ist erst 1990 eingeführt worden. Von diesem Pflichtteil kann auch testamentarisch nicht abgewichen werden. Der Mindestbetrag beläuft sich, wenn der Erblasser Abkömmlinge hinterlässt, auf den vierfachen Grundbetrag der Volksversicherung (G). Dieser Grundbetrag beträgt ab 1.5.2019 99.858 NOK. Er wird regelmäßig angepasst.[7] Im Erbfall ist somit jeweils der aktuelle Satz zu ermitteln. Hinterlässt der Erblasser keine Abkömmlinge, erhöht sich der Mindesterbteil auf den sechsfachen Grundbetrag.

 

Rz. 23

Das Mindesterbe des Ehegatten in Höhe des vierfachen oder sechsfachen Grundbetrages kann auch nicht durch ein Testament eingeschränkt werden, § 10 Abs. 2 Erbgesetz. Dieses Mindesterbe geht auch dem Pflichtteil von z.B. Erben erster Ordnung vor, mit der Konsequenz, dass bei einem Nachlass bis zur Höhe des vierfachen Grundbetrages die Erben erster Ordnung neben dem überlebenden Ehegatten leerausgehen.

[7] Eine Tabelle mit den Beträgen befindet sich auf der beiliegenden CD-ROM unter der Rubrik Norwegen.

c) Recht auf das ungeteilte eheliche Gesamtgut

 

Rz. 24

Lebte der Erblasser im gesetzlichen Güterstand der Allgemeinen Gütergemeinschaft norwegischen Rechts, kann der überlebende Ehegatte durch Erklärung das ungeteilte eheliche Gesamtgut übernehmen (uskifte), § 14 Abs. 1 Erbgesetz. Eine solche Erklärung ist innerhalb von 60 Tagen nach dem Todesfall an das Nachlassgericht (tingrett) zu übersenden, § 19 Erbgesetz.

 

Rz. 25

In der Praxis ist dieses Recht des überlebenden Ehegatten auf Übernahme des ungeteilten ehelichen Gesamtgutes für diesen weitaus wichtiger als das allgemeine Erbrecht und das Recht auf das Mindesterbe. So waren es in Norwegen im Jahre 2010 mehr als 12.000 Fälle, in denen das eheliche Gesamtgut ungeteilt übernommen wurde, gegenüber 450 Fällen, in denen der überlebende Ehegatte Alleinerbe aufgrund seines Mindesterbe wurde, oder gegenüber ca. 100 Fällen, in denen der Nachlass mit den Erben des Verstorbenen geteilt wurde.

 

Rz. 26

Grundvoraussetzung ist zunächst, dass eine rechtsgültige Ehe eingegangen worden ist, die nicht durch eine Scheidung aufgelöst wurde. Das Recht auf eine ungeteilte Übernahme kann auch nicht geltend gemacht werden, wenn die Eheleute zum Zeitpunkt des Todes des Erblassers durch ein Urteil (dom) oder durch eine Bewilligung (løyve) offiziell getrennt sind. Der nur tatsächliche Bruch des Zusammenlebens ohne die vorgenannten formellen Bestätigungen hindert eine ungeteilte Übernahme nicht.

 

Rz. 27

Es ist jedoch auch eine Übernahme des ungeteilten ehelichen Gesamtgutes bei Gütertrennung möglich, soweit dies in einem Ehevertrag niedergelegt ist oder die Erben ihre Zustimmung dazu erteilen. Die Zustimmung kann auch an Bedingungen geknüpft werden.[8]

 

Rz. 28

Das Recht des Ehegatten, den Nachlass ungeteilt zu übernehmen, muss von den gesetzlichen Erben respektiert werden – mit einer Ausnahme: Die Abkömmlinge des Verstorbenen aus einer früheren Verbindung (særkullsbarn) oder deren Abkömmlinge haben das Recht, eine unmittelbare Teilung des Nachlasses und damit ihr Erbe zu verlangen. Eine Übernahme durch den überlebenden Ehegatten ist damit in einem solchen Fall nur möglich, wenn die Abkömmlinge aus einer früheren Verbindung ihre Zustimmung dazu erteilen. Ist die Zustimmung durch die Abkömmlinge aus einer früheren Beziehung erteilt worden, so kann diese später nicht wieder zurückgenommen werden. Eine Teilung kann damit später nur verlangt werden, wenn die gesetzlichen Voraussetzungen dazu gegeben sind, beispielsweise wenn der überlebende Ehegatte wieder heiratet. Der überlebende Ehegatte selbst kann jedoch jederzeit die gesamte oder teilweise Teilung verlangen.

[8] Grundlegend dazu das Oberste Norwegische Gericht, RT 1992, S. 374.

d) Eingriff in das Recht auf das ungeteilte Gesamtgut durch Testament

 

Rz. 29

Das Recht auf das ungeteilte eheliche Gesamtgut kann nach § 17 Erbgesetz durch ein Testament begrenzt werden. Dies ist aber nur zulässig, wenn der überlebende Ehegatte Kenntnis von diesem Testament vor dem Tod des Erblassers erlangt hat. Diese Bedingung gilt jedoch nicht, wenn es unmöglich oder unangemessen schwierig war, den Ehegatten über das Testament zu informieren.

e) Entzug des Rechts auf das ungeteilte Gesamtgut

 

Rz. 30

Der l...

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