Verfahrensgang

VG Lüneburg (Beschluss vom 05.10.2004; Aktenzeichen 3 B 47/04)

 

Tenor

Auf die Beschwerde des Antragsgegners wird der Beschluss des Verwaltungsgerichts Lüneburg – 3. Kammer – vom 5. Oktober 2004 geändert.

Unter Änderung des Beschlusses des Verwaltungsgerichts Lüneburg – 3. Kammer – vom 17. Oktober 2002 – 3 B 66/02 – (bestätigt durch Beschluss des erkennenden Senats vom 13. Dezember 2002 – 11 ME 401/02 –) wird die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs des Antragstellers gegen die Verfügung des Antragsgegners vom 12. August 2002 bis zur Entscheidung im Widerspruchsverfahren wiederhergestellt. Im übrigen wird der Antrag des Antragstellers abgelehnt.

Die weitergehende Beschwerde des Antragsgegners wird zurückgewiesen.

Der Antragsteller und der Antragsgegner tragen die Kosten beider Rechtszüge je zur Hälfte.

Der Streitwert wird für beide Rechtszüge auf je 10.000,– Euro festgesetzt.

 

Gründe

Die Beschwerde des Antragsgegners gegen den angefochtenen Beschluss hat in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang Erfolg.

Der 1975 geborene Antragsteller, der türkischer Staatsangehöriger ist, reiste im Jahre 1989 in das Bundesgebiet ein. Die ihm zuletzt erteilte befristete Aufenthaltserlaubnis endete am 17. Januar 2004. Seit dem 25. April 1997 ist er mit einer deutschen Staatsangehörigen verheiratet, mit der er eine gemeinsame Tochter (geboren am 25. 10. 1995) hat.

Der Antragsteller trat seit 1991 wiederholt strafrechtlich in Erscheinung. Unter anderem wurde er am 24. November 1995 vom Amtsgericht {B.} wegen unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in 3 Fällen jeweils in Tateinheit mit unerlaubtem Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer Jugendstrafe von 3 Jahren verurteilt. Mit Urteil vom 19. Dezember 2001 verhängte das Landgericht {C.} gegen ihn wegen des unerlaubten Handels mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in 4 Fällen sowie der Beihilfe zum unerlaubten Handel mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in einem Fall eine Gesamtfreiheitsstrafe von 4 Jahren und 6 Monaten. Der Antragsteller beging diese Straftaten im Zeitraum von Dezember 2000 bis März 2001. Am 20. Juni 2001 wurde er festgenommen.

Mit Verfügung vom 12. August 2002 wies der Antragsgegner den Antragsteller unter Anordnung des Sofortvollzuges nach § 47 Abs. 1 Nr. 2 i. V. m. §§ 48 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 und 47 Abs. 3 Satz 1 AuslG aus und lehnte zugleich seinen Antrag auf unbefristete Verlängerung seiner Aufenthaltserlaubnis ab. Einen Antrag des Antragstellers auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes lehnte das Verwaltungsgericht mit Beschluss vom 17. Oktober 2002 – 3 B 66/02 – ab. Die dagegen gerichtete Beschwerde wies der erkennende Senat mit Beschluss vom 13. Dezember 2002 – 11 M 401/02 – zurück.

Mit Bescheid vom 1. September 2004 ordnete der Antragsgegner die Abschiebung des Antragstellers in die Türkei an. Die Abschiebung soll am 8. Oktober 2004 durchgeführt werden.

Mit einem am 27. September 2004 eingegangenen Antrag beantragte der Antragsteller unter Hinweis auf das Urteil des Europäischen Gerichtshofes – EuGH – vom 29. April 2004 – C 482/01 u. a. – (DVBl. 2004, 876 = InfAuslR 2004, 268) und das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 3. August 2004 – 1 C 29.02 – die Abänderung des Beschlusses vom 17. Oktober 2002 nach § 80 Abs. 7 Satz 2 VwGO. Diesem Antrag gab das Verwaltungsgericht mit Beschluss vom 5. Oktober 2004 statt und stellte die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs des Antragstellers gegen die Verfügung des Antragsgegners vom 12. August 2002 wieder her. Dagegen richtet sich die Beschwerde des Antragsgegners.

Die Beschwerde ist teilweise begründet. Die im Rahmen des § 80 Abs. 5 VwGO gebotene Interessenabwägung, die auch für das Abänderungsverfahren nach § 80 Abs. 7 VwGO gilt, geht nur für die Dauer des Widerspruchsverfahrens zugunsten des Antragstellers aus. Ein zeitlich weitergehender Anspruch des Antragstellers, nämlich auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung seines Widerspruchs bis zum rechtskräftigen Abschluss eines Hauptsacheverfahrens, kommt dagegen nicht in Betracht. Dies bedeutet, dass der Antragsgegner die für den 8. Oktober 2004 beabsichtigte Abschiebung des Antragstellers nicht durchführen kann.

Gegen die Zulässigkeit des Antrags nach § 80 Abs. 7 Satz 2 VwGO bestehen keine Bedenken. Danach kann jeder Beteiligte die Änderung oder Aufhebung eines nach § 80 Abs. 5 VwGO ergangenen Beschlusses wegen veränderter oder im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachte Umstände beantragen. Es ist allgemein anerkannt, dass zu solchen Umständen auch eine sich nachträglich ergebende Änderung der höchstrichterlichen Rechtsprechung oder die Klärung einer umstrittenen Rechtsfrage gehören, falls sich dies auf die Beurteilung der Erfolgsaussichten der Hauptsacheentscheidung auswirkt (vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 13. Aufl., § 80, 197 m. N.). Das könnte hier der Fall sein. Das BVerwG hat nämlich die Grundsätze, die nach dem Urteil des EuGH vom 29. April 2004 (a. a. O...

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