rechtskräftig

 

Entscheidungsstichwort (Thema)

Teilnahme an Selbsthilfegruppetreffen – „Anti-Mobbing” – als Werbungskosten abzugsfähig

 

Leitsatz (redaktionell)

  1. Fahrtkosten und Beiträge für die Teilnahme an Treffen einer „Anti-Mobbing”-Selbsthilfegruppe sind jedenfalls dann überwiegend beruflich veranlasst und als Werbungskosten abzugsfähig, wenn der Steuerpflichtige glaubhaft macht, dass er sich in einer schwierigen Arbeitssituation befand und sich durch Maßnahmen seines Dienstherrn grundlos schikaniert sah.
  2. „Mobbing” stellt eine berufsbedingte soziale Konfliktlage dar.
  3. Dient der Kernbereich der Gruppengespräche der Bewältigung beruflicher Problemsituationen, so spricht dies dafür, dass das insgesamt bestimmende Motiv für die Teilnahme darin besteht, das Dienstverhältnis trotz der stark empfundenen Belastungen fortzuführen.
 

Normenkette

EStG § 9 Abs. 1 S. 1, § 12 Nr. 1

 

Streitjahr(e)

2001

 

Nachgehend

BFH (Beschluss vom 01.03.2007; Aktenzeichen VI B 92/06)

 

Tatbestand

Streitig ist u.a. die steuerliche Abzugsfähigkeit von Fahrtkosten zu Veranstaltungen von „Anti-Mobbing-Selbsthilfegruppen”.

Der Kläger ist u.a. Absolvent des Vorbereitungsdienstes für den höheren technischen Verwaltungsdienst. Seit dem 1. Januar 19XX steht er im Beamtenverhältnis auf Lebenszeit im Dienst der Stadt X. Er hatte die Leitung diverser Ämter inne. Als die Verwaltungsorganisation der Stadt X neu strukturiert wurde, kam es zu Veränderungen im Aufgabenbereich des Klägers. Der Kläger betrieb darauf hin ein verwaltungsgerichtliches Verfahren wegen amtsangemessener Beschäftigung. Im Jahre 2000 wurde die Dienstfähigkeit des Klägers auf Veranlassung des Dienstherrn amtsärztlich untersucht. Als Ergebnis wurde festgestellt, dass weder körperliche noch psychische Erkrankungen bestehen, die die berufliche Eignung des Klägers als Amtsleiter in Frage stellen. Es kam ferner zum Streit über den Inhalt von Personalakten. Im Jahre 2001 forderte der anwaltlich vertretene Kläger von seinem Dienstherrn einen Schmerzensgeldanspruch wegen fortgesetzter zugefügter Verletzung seines Persönlichkeitsrechtes in Höhe von 50.000 DM ein.

In seiner Einkommensteuererklärung 2001, in der der Kläger beantragte, mit seiner Ehefrau zusammen zur Einkommensteuer veranlagt zu werden, machte der Kläger u.a. Aufwendungen im Zusammenhang mit den Auseinandersetzungen mit seinem Arbeitgeber i.H.v. insgesamt 3.019 DM als Werbungskosten aus nichtselbstständiger Arbeit geltend. Dieser Betrag setzte sich zusammen aus einem Mitgliedsbeitrag zur „no mobbing"-Selbsthilfegruppe i.H.v. 24 DM, Aufwendungen für Fahrten zu verschiedenen Rechtsanwälten, zum Landgericht, zu Anti-Mobbing-Selbsthilfegruppen in Y-Stadt und Z-Stadt (13 Fahrten a 210 km nach Y-Stadt, Gemeindehaus, sowie 11 Fahrten a 110 km nach Z-Stadt, Haus des Arbeitersamariterbundes) sowie zu einer Anti-Mobbing-Veranstaltung an der Universität Z-Stadt, und für eine Fahrt nach A-Stadt zur „european anti mobbing association”. Er machte insgesamt Fahrten von einer Gesamtlänge in Höhe von 5.104 Kilometer steuerlich geltend.

Mit Bescheid vom 28. November 2002 veranlagte das beklagte Finanzamt (FA) den Kläger zur Einkommensteuer für 2001. Abweichend von der Erklärung berücksichtigte es dabei den Beitrag zur „no Mobbing"-Selbsthilfegruppe und die Aufwendungen für Fahrten zu den Gruppenabenden der Mobbing-Selbsthilfegruppen in Y-Stadt und Z-Stadt sowie zu der Tagung in A-Stadt nicht als Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbstständiger Arbeit. Die übrigen Fahrten (714 km), einschließlich der Fahrt zur Anti-Mobbing Veranstaltung an der Universität Z-Stadt, berücksichtigte das FA mit 0,58 DM pro gefahrenen Kilometer = 414,12 DM als Werbungskosten. Der Kläger legte hiergegen Einspruch ein. Mit Einspruchsentscheidung vom 23. Januar 2003 wies das FA den Einspruch des Klägers als unbegründet zurück. Mit seiner Klage begehrt der Kläger weiterhin die Anerkennung der Kosten im Zusammenhang mit den Auseinandersetzungen mit seinem Dienstherrn als Werbungskosten aus nichtselbstständiger Arbeit.

Zur Begründung trägt er Folgendes vor:

Die Fahrten zu Mobbing-Gruppen hätten allein der Aufrechterhaltung seines Arbeitsverhältnisses und nicht irgendwelcher privaten Interessen gedient. Es könne nicht angehen, dass das FA annehme, es habe sich hierbei um eine persönliche Weiterbildung gehandelt. Er hätte ohne weiteres das Arbeitsverhältnis damals auch niederlegen können. Die Aufwendungen seien allein beruflich veranlasst und hätten dazu geführt, dass die Berufsausübung überhaupt habe fortgesetzt werden können. Ohne diese Unterstützung hätte er den Arbeitsplatz nicht beibehalten können.

Die Veranstaltungen in Y-Stadt und Z-Stadt seien nicht privat bedingt gewesen und hätten auch nichts mit seiner privaten Lebensführung zu tun gehabt. Die Mobbing-Gruppe in Z-Stadt sei von einer Privatperson organisiert worden. Die Teilnehmer hätten sich jeden 1. und 3. Donnerstag im Monat getroffen. Die Gruppenmitglieder hätten sich zur völligen Verschwiegenheit über Teilnehmer...

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