Rz. 6

Die Unterscheidung zwischen pauschaliertem Schadensersatz und Vertragsstrafe kann sich als ausgesprochen schwierig erweisen. Sie ist für die AGB-rechtliche Inhaltskontrolle jedoch insofern von grundlegender Bedeutung, als dass für die beiden Rechtsinstitute höchst unterschiedliche Klauselverbote gelten. § 309 Nr. 5a BGB verbietet unangemessen hohe Schadenspauschalen und § 309 Nr. 5b BGB soll sicherstellen, dass dem Vertragspartner des AGB-Verwenders die Möglichkeit des Gegenbeweises erhalten bleibt. Im Gegensatz dazu beurteilt sich die Wirksamkeit von Vertragsstrafeklauseln gemäß § 309 Nr. 6 BGB danach, unter welchen Voraussetzungen die Vertragsstrafe verwirkt wird. Dies kann dazu führen, dass eine Klausel, die einer Inhaltskontrolle nach § 309 Nr. 5 BGB standhalten würde, von einem Gericht wegen Verstoßes gegen § 309 Nr. 6 BGB für unwirksam erklärt wird, sofern das Gericht eine Schadenspauschale als Vertragsstrafe einstuft.[8]

 

Rz. 7

Nach einer in Rechtsprechung und Schrifttum weit verbreiteten Auffassung ist bei der Abgrenzung zwischen Schadenpauschalierungen und Vertragsstrafen auf die Funktion des jeweiligen Rechtsinstituts abzustellen.[9] Der BGH vertritt in diesem Zusammenhang die Ansicht, dass von einer Schadenspauschalierung auszugehen ist, wenn die zu beurteilende Regelung der vereinfachenden Durchsetzung eines als bestehend vorausgesetzten Schadensersatzanspruchs dient. Verfolgt die Regelung dagegen vorrangig den Zweck, Druck auf den Vertragspartner auszuüben, um die Erfüllung der vertraglich geschuldeten Leistung zu sichern, soll eine Vertragsstrafe gegeben sein.[10] Bei einer Beurteilung von AGB-Klauseln nach diesen Kriterien ist Vorsicht geboten, da die Vertragsstrafe eine Doppelfunktion aufweist. Zwar werden Vertragsstrafen zum einen als Druckmittel eingesetzt, um den Schuldner zur ordnungsgemäßen Erfüllung seiner Vertragspflichten anzuhalten, zum anderen sollen sie dem Gläubiger im Verletzungsfall aber auch eine erleichterte Schadloshaltung ohne Einzelnachweis ermöglichen.[11] Insofern bietet es sich scheinbar an, zwischen Vertragsstrafen und Schadenpauschalierungen danach zu differenzieren, ob eine Klausel diese Doppelfunktion erfüllt (falls ja, soll eine Vertragsstrafe vorliegen) oder nur der vereinfachenden Durchsetzung des Schadensersatzanspruches dient.[12] Letzteres wird jedoch ebenfalls nicht immer eindeutig zu identifizieren sein, da auch die drohende Schadenspauschale Druck auf den Schuldner ausüben kann.[13]

 

Rz. 8

Soweit vorgeschlagen wird, stattdessen auf die Höhe der von der Verwendergegenseite zu leistenden Zahlung abzustellen und bei deren Unangemessenheit eine Vertragsstrafe anzunehmen,[14] trägt dies nicht dem Umstand Rechnung, dass unangemessen hohe Schadenspauschalen dem Klauselverbot des § 309 Nr. 5 BGB unterliegen. Die unangemessene Höhe einer Zahlungsverpflichtung stellt daher kein geeignetes Abgrenzungskriterium dar.[15] Auch die vom Klauselverwender gewählte Bezeichnung der Zahlungsverpflichtung ist wenig hilfreich.[16] Da der Verwender die Bedingungen einseitig vorgibt, kann er bewusst Formulierungen wählen, die unabhängig von der tatsächlichen Zielsetzung der Regelung eine für ihn jeweils günstige rechtliche Einordnung der Klausel bewirken.

 

Rz. 9

Trotz der damit verbundenen Schwierigkeiten ist deshalb der Auffassung der Vorzug zu geben, sich bei der Abgrenzung vorrangig an der Funktion der Klausel zu orientieren. Ist erkennbar, dass die Regelung in erster Linie als Druckmittel eingesetzt wird, kann im Einklang mit der BGH-Rechtsprechung von einer Vertragsstrafe ausgegangen werden. Dies trifft beispielsweise dann zu, wenn die von der Verwendergegenseite zu leistende (Straf-)Zahlung durch Faktoren bestimmt wird, die in keiner Beziehung zu einem möglichen Schaden des Klauselverwenders stehen (etwa die Bemessung der Strafzahlung nach Prozenten des der Verwendergegenseite geschuldeten Kaufpreises für den Fall, dass sich die Verwendergegenseite in Lieferverzug befindet).

 

Rz. 10

Lässt sich diese Feststellung nicht zweifelsfrei treffen, müssen weitere Kriterien zur Beurteilung der Klausel herangezogen werden. So setzt eine Schadenspauschale zwingend voraus, dass ein Schadensersatzanspruch dem Grunde nach gegeben ist.[17] Ist dies zu verneinen und die Klausel soll einen neuen (zusätzlichen) Anspruch begründen, liegt eine Vertragsstrafe vor.[18] Gleiches trifft auf Zahlungsverpflichtungen zu, die neben einem Schadensersatzanspruch bestehen sollen.[19] Im Gegensatz dazu wird eine Schadenspauschalierung zu bejahen sein, wenn der Gegenbeweis gemäß den Anforderungen des § 309 Nr. 5b BGB durch die Klausel ausdrücklich zugelassen wird.[20]

 

Rz. 11

Scheitert eine erfolgreiche Abgrenzung an der Mehrdeutigkeit der Klauselgestaltung, so geht diese Unklarheit gemäß § 305c Abs. 2 BGB zu Lasten des Verwenders. Das bedeutet, die Klausel ist so auszulegen, dass sie in den Anwendungsbereich desjenigen Klauselverbots (§ 309 Nr. 5 oder Nr. 6 BGB) fällt, das zu ihrer Unwirksamkeit führt.[21]

[8] Da...

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