Leitsatz

  1. Nichtiger Vertrag eines vereinbarten gemeinsamen Verwaltungs- und Wirtschaftswesens zweier selbstständiger Wohnungseigentümergemeinschaften
  2. Folge: Nichtige Beschlüsse als Gesamtakte zu Lasten Dritter
 

Normenkette

§ 23 WEG

 

Kommentar

  1. Ein Vertrag, durch den die Miteigentümer zweier selbstständiger Wohnungseigentümergemeinschaften ein gemeinsames Verwaltungs- und Wirtschaftswesen unter Verdrängung der gesetzlichen Verwaltungsbefugnisse der einzelnen Gemeinschaft vereinbaren, ist wegen Verstoßes gegen zwingende Vorschriften des Wohnungseigentumsrechts und Umgehung des sachenrechtlichen Typenzwangs nichtig. Durch mögliche Vereinbarungen nach § 10 Abs. 1 und 2 WEG können nur interne Fragen der jeweiligen Wohnungseigentümergemeinschaft geregelt werden (h.R.M.).

    Unbenommen ist es Eigentümern unterschiedlicher Gemeinschaften demgegenüber, eine Verwaltungs- und Wirtschaftsgemeinschaft für beide Gemeinschaften etwa in Form einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts zu vereinbaren; allerdings kann auf diese Weise weder die Geltung des Wohnungseigentumsrechts für die einzelne Gemeinschaft aufgehoben werden, noch die Modifizierung erfolgen, dass unter Verdrängung der gesetzlichen Zuständigkeiten der einzelnen Gemeinschaft eine wohnungseigentumsrechtliche Wirtschafts- und Verwaltungsgemeinschaft für zwei Gemeinschaften gebildet wird. Auch die Grundsätze zur fehlerhaften Gesellschaft sind hier nicht anwendbar; diese Diskussion betrifft allein Fälle, in denen der dingliche Gründungsakt der Gemeinschaft infolge des Verstoßes gegen zwingende gesetzliche Bestimmungen oder aufgrund von Willensmängeln unwirksam oder anfechtbar ist. Im vorliegenden Fall fehlt es bereits an einem solchen dinglichen Gründungsakt. Hier wurde nämlich versucht, die Rechtswirkungen einer Wohnungseigentümergemeinschaft außerhalb des Grundbuchs und unter Aufhebung der dinglich begründeten Befugnisse der Einzelgemeinschaften herbeizuführen. In einem solchen Fall ist ein Bestandsvertrauen der Beteiligten nicht gerechtfertigt und damit nicht schutzwürdig.

  2. Die auf der Grundlage eines solchen Vertrags gefassten Beschlüsse einer Versammlung von Miteigentümern beider Gemeinschaften sind als Gesamtakte zu Lasten Dritter nichtig. Insoweit kann auch nicht auf den in der sog. Jahrhundertentscheidung des BGH v. 20.9.2000, V ZB 58/99, NJW 2000, 3500) und dem dort angesprochenen Aspekt des Vertrauensschutzes verwiesen werden. Die Ausführungen des BGH betreffen insoweit den Rückwirkungseffekt einer geänderten höchstrichterlichen Rechtsprechung auf bereits abgeschlossene Sachverhalte, was den vorliegenden Fall nicht betrifft. Die mit dem BGH eingeleitete Änderung der Rechtsprechung bezieht sich primär auf die Frage, ob die fehlende Kompetenz der Eigentümerversammlung, eine Frage durch Beschluss anstatt durch Vereinbarung zu regeln, eine Beschlussnichtigkeit zur Folge hat. Vorliegend fallen die Entscheidungen der Gemeinschaft nicht in deren Kompetenz, was die Rechtsprechung seit langem auch so beurteilt.
 

Link zur Entscheidung

OLG Hamm, Beschluss vom 09.10.2003, 15 W 14/02

Anmerkung

Mit dieser Entscheidung wurde zu Recht klargestellt, dass rechtswirksame Beschlüsse nur innerhalb einer eigenständigen Wohnungseigentümergemeinschaft gefasst werden können und solche in einer zusammengefassten Versammlung zweier Nachbargemeinschaften von Anfang an nichtig sind und zwar aus formell-rechtlichen und auch materiell-rechtlichen Gründen. Bei einheitlichen Versammlungen zweier Gemeinschaften wäre auch der Nichtöffentlichkeitsgrundsatz einer Eigentümerversammlung verletzt.

Auch können zwei Nachbargemeinschaften nicht in einem Entscheidungsvorgang einen "gemeinsamen Verwalter" wählen, da dies der zwingenden Bestimmung des § 26 Abs. 1 WEG widerspricht.

Zwei Nachbargemeinschaften können sich allerdings in bestimmten Verwaltungsangelegenheiten z.B. in Form einer GbR (§§ 705 ff. oder 741 ff. BGB) zusammenschließen und z.B. einen gemeinsamen Hausmeister bestellen oder anderweitige Verträge mit Dritten schließen; die GbR mit zwei Gesellschaftern (zwei Wohnungseigentümergemeinschaften) wäre hier Arbeitgeber bzw. Auftraggeber. Dies ändert allerdings nichts an allein internen Entscheidungskompetenzen einer jeden WEG als Mitgesellschafter solcher Verträge. Auseinandersetzungen unter den Gesellschaftern (z.B. den beiden Wohnungseigentümergemeinschaften) wären demgegenüber nach Zivilrecht zu beurteilen und im Streit der ordentlichen Zivilgerichtsbarkeit unterworfen.

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