Leitsatz

Ein geschiedener Ehemann wehrte sich gegen seine Verpflichtung zur Zahlung nachehelichen Unterhalts unter Hinweis darauf, dass die geschiedene Ehefrau in einer verfestigten Lebensgemeinschaft mit einem neuen Partner lebe. Die Ehegatten hatten seit dem Jahre 2003 getrennt gelebt und wurden im April 2008 geschieden. Im Januar 2005 nahm die Ehefrau eine nichteheliche Partnerschaft auf und mietete mit dem Partner ab Oktober 2006 gemeinsam eine Wohnung an. Nur wenig später fiel die Ehefrau ins Koma.

Der geschiedene Ehemann wehrte sich unter Hinweis auf die von seiner geschiedenen Frau eingegangene neue Lebenspartnerschaft gegen seine Verpflichtung zur Zahlung nachehelichen Unterhalts. Gegen das erstinstanzliche Urteil, mit dem er in vollem Umfang zur Zahlung verurteilt worden war, legte er Berufung ein. Sein Rechtsmittel erwies sich als nur zum Teil begründet.

 

Sachverhalt

Siehe Kurzzusammenfassung

 

Entscheidung

Das OLG vertrat die Auffassung, der Unterhaltsanspruch der Beklagten sei nicht nach § 1579 Nr. 2 BGB verwirkt. Auch ein zunächst beabsichtigter Wechsel des jüngsten Sohnes der Parteien gemeinsam mit der Mutter in eine andere Stadt sei kein Indiz für eine Verfestigung der Lebensgemeinschaft, da dieser Sachverhalt der Entscheidung zweier nichtehelicher Partner für ein gemeinsames Kind nicht gleichgestellt werden könne.

Ebenso komme der gemeinsamen Anmietung einer Wohnung allenfalls indizielle Bedeutung zu, da im Fall einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft nach deren Beendigung - im Gegensatz zur Situation bei Eheleuten und den sich bei ihnen ergebenden Pflichten aus § 1353 BGB - ein jederzeitiger Anspruch gegen den Partner auf Zustimmung zur Kündigung des gemeinsamen Mietverhältnisses bestehe.

Auch die Wertungen des Sozialrechts könnten nicht ohne weiteres auf das Zivilrecht übertragen werden. Dass die Beklagte in gesunden Tagen ihren Willen zur Lebensgemeinschaft bekundet habe, könne nicht dazu führen, die Zeit des Komas dem für § 1579 Nr. 2 BGB maßgebenden Zeitraum zuzurechnen. Eine nichteheliche Lebensgemeinschaft bedürfe - anders als ein Statusverhältnis wie die Ehe - keiner Trennungszeit oder eines staatlichen Aktes zur Beendigung, sondern sie ende mit Trennung ohne weiteres. Die Verfestigung setze daher voraus, dass eine gewisse gemeinsame Zeit verbracht werde, aus der auf ein Maß an Verfestigung geschlossen werden könne, das im Sinne einer Prognose auch in Zukunft Bestand haben werde. Zwar könne eine solche Verfestigung auch dann angenommen werden, wenn ein pflegebedürftiger Ehegatte mit einem neuen Partner zusammenlebe, der ihm eine so umfassende Betreuung und Zuwendung zuteil werden lasse, wie sie in aller Regel nur allernächste Angehörige einem Erwachsenen gewährten. Jedoch müsse sich stets verlässlich beurteilen lassen, ob die Partner nur "probeweise" oder auf Dauer in einer verfestigten Gemeinschaft zusammenlebten. Diese Verfestigung bedürfe der willentlichen Fortsetzung der Gemeinschaft. Dies gelte auch für den Fall, dass die Beklagte ihrem Lebensgefährten eine Vorsorgevollmacht erteilt oder ihn in eine Patientenverfügung eingesetzt haben sollte. Trotz dieser Indizien bedürfe es im Hinblick auf die jederzeit mögliche Auflösung einer Lebensgemeinschaft und das Fehlen jeglicher rechtlicher Verpflichtungen innerhalb dieser eines bestimmten Zeitraums in der eine Verfestigung de facto erfolge, um dann de iure die Rechtsfolgen der Verwirkung auslösen zu können. Der Zustand des Wachkomas lasse eine willentliche Entscheidung für einen neuen Partner im Sinne dieser Erstarkung zu einer verfestigten Gemeinschaft nicht zu.

 

Link zur Entscheidung

OLG München, Urteil vom 10.02.2009, 2 UF 1616/08

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