Leitsatz

Zentrales Problem dieser Entscheidung war die Frage, ob der Verlust des Unterhaltsanspruchs aus der ersten Ehe bei einer späteren Scheidung der zweiten Ehe für den Unterhaltsanspruch der zweiten Ehe Bedeutung hat. Der BGH hat sich mit der Frage auseinandergesetzt, ob dieser Umstand als ehebedingter Nachteil im Rahmen der Billigkeitsabwägungen gemäß § 1578b Abs. 2 BGB zu bewerten ist.

 

Sachverhalt

Die Eheleute hatten im Jahre 1978 geheiratet und lebten seit 1983 getrennt. Ihre kinderlos gebliebene Ehe wurde im Jahre 1987 rechtskräftig geschieden. Die Beklagte war von 1955 bis 1977 in erster Ehe verheiratet gewesen. Diese Ehe wurde wegen Verschuldens des Ehemannes im Jahre 1977 geschieden. Unterhaltsansprüche gegen den ersten geschiedenen Ehemann hatte die Beklagte nicht geltend gemacht.

Der in dem Scheidungstermin der zweiten Ehe im Jahre 1987 von den Eheleuten abgeschlossene Unterhaltsvergleich wurde mehrfach abgeändert, zuletzt im Jahre 2003. Auf die im August 2009 rechtshängig gewordene Abänderungsklage hat das AG den Unterhalt für die Zeit ab Juni 2010 von 700,00 EUR auf 500,00 EUR herabgesetzt und bis zum 30.6.2011 befristet.

Auf die Berufung der Beklagten hat das OLG das Urteil des AG abgeändert und die Klage abgewiesen.

Hiergegen wandte sich der Kläger mit seiner vom Berufungsgericht zugelassenen Revision.

 

Entscheidung

Der BGH hat der nach dem bis Ende August 2009 geltenden Prozessrecht statthaften und zulässigen Berufung stattgegeben, die Entscheidung des OLG teilweise aufgehoben und die Sache zur erneuten Entscheidung an das OLG zurückverwiesen.

Er sah eine wesentliche Rechtsänderung in Bezug auf die Herabsetzung des vollen Altersunterhalts in dem Umstand der Einführung des § 1578b Abs. 3 BGB. Nach dieser Vorschrift sei es erstmalig möglich, die Begrenzung nach Zeit und Umfang zu kombinieren. Seit der Reform könne die höhenmäßige Begrenzung nicht mehr isoliert betrachtet werden. Deswegen bekämen die jeweils anzusetzenden Maßstäbe ein anderes Gewicht.

Bei Anwendung des § 1578b BGB müsste vorrangig berücksichtigt werden, ob der Begrenzung ehebedingte Nachteile entgegenständen. Dass die Beklagte durch die Eheschließung mit dem Kläger ihren nicht begrenzbaren Unterhaltsanspruch gegen ihren ersten Ehegatten aus § 58 EheG verloren habe, sei ein Nachteil, der kraft Gesetz eingetreten sei und nicht auf der Aufgabenverteilung in der Ehe beruhe. Dieser Nachteil sei somit nicht ehebedingt.

Bei Fehlen ehebedingter Nachteile sei anschließend zu prüfen, ob das "gebotene Maß an nachehelicher Solidarität", das einer Befristung entgegenstehen könne, bereits verbraucht sei. Für die Unbilligkeit weiterer Unterhaltszahlungen sprach nach Auffassung des BGH der Umstand der relativ kurzen kinderlosen Ehe, der über 20 Jahre geleistete Unterhalt und der zeitliche Abstand zur Ehe, durch den eine zunehmende Entflechtung der wirtschaftlichen Verhältnisse der Ehegatten eingetreten sei.

Der in § 36 Nr. 1 EGZPO genannte Aspekt des Vertrauensschutzes sei nicht separat zu prüfen, sondern im Rahmen der umfassenden Billigkeitsabwägung des § 1578b BGB mit zu berücksichtigen.

Im Ergebnis hielt der BGH die vollständige Versagung einer Begrenzung des Unterhalts durch das OLG für den Pflichtigen nicht zumutbar. Die insoweit vom erstinstanzlichen Gericht vorgenommene stufenweise Begrenzung hingegen sei ein gangbarer Weg.

 

Hinweis

Der BGH hat in dieser Entscheidung den Wortlaut des § 1578b Abs. 1 S. 2 BGB dahingehend präzisiert, dass nur die aus der ehezeitlichen Rollenverteilung resultierenden Nachteile ehebedingt sind. Infolgedessen lehnt er ehebedingte Nachteile ab, die allein durch den Akt der Eheschließung eingetreten sind. Damit knüpft der BGH widerspruchslos an seine Rechtsauffassung zur Beurteilung einer Krankheit als ehebedingtem Nachteil an. Auch in diesem Zusammenhang hat er klargestellt, dass die Krankheit nur ehebedingt ist, wenn sie auf die Rollenverteilung in der Ehe zurückzuführen ist.

Wichtig sind ferner die Ausführungen des BGH zum Vertrauensschutz von titulierten Unterhaltsansprüchen. Dass diesen gegenüber nicht titulierten Unterhaltsvereinbarungen höherer Vertrauensschutz zukommt, dürfte einleuchtend sein. Bedeutsam ist allerdings, dass der BGH nun nicht mehr zwischen gerichtlichen Entscheidungen und Prozessvergleichen differenziert. Beiden lässt er gleich hohes Gewicht bei der Berücksichtigung titulierter Unterhaltsansprüche zukommen.

 

Link zur Entscheidung

BGH, Urteil vom 23.11.2011, XII ZR 47/10

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