Leitsatz

Mit der Änderung der gesetzlichen Regelungen zum 01.01.2008 hat der Gesetzgeber für den Betreuungsunterhalt den Vorrang der persönlichen Betreuung aufgegeben. Das Altersphasenmodell ist überholt. Gleichwohl muss in jedem Einzelfall geprüft werden, ob die Betreuung eines Kindes neben einer vollschichtigen Erwerbstätigkeit nicht zu einer überobligationsmäßigen Belastung führt.

 

Sachverhalt

Die Parteien stritten um nachehelichen Betreuungsunterhalt. Sie hatten im Januar 2000 geheiratet. Aus ihrer Ehe war ein im November 2001 geborener Sohn hervorgegangen. Die Trennung erfolgte im September 2003. Im April 2006 wurde die Ehe rechtskräftig geschieden. Der gemeinsame Sohn lebte seit der Trennung im Haushalt seiner Mutter. Seit dem Jahre 2005 besuchte er eine Kindertagesstätte mit Nachmittagsbetreuung. Seit September 2007 ging er zur Schule und wurde danach bis 16.00 Uhr in einem Hort betreut. Der Sohn litt unter chronischem Asthma. Die Klägerin war Studienrätin und seit August 2002 mit knapp 7/10 einer Vollzeitstelle (18 Wochenstunden) erwerbstätig.

Das AG hat den Beklagten zur Zahlung von Betreuungs- und Aufstockungsunterhalt in zeitlich gestaffelter Höhe, zuletzt für die Zeit ab November 2007 i.H.v. monatlich 837,00 EUR verurteilt. Das KG hat die Berufung des Beklagten gegen das erstinstanzliche Urteil zurückgewiesen und die Revision zugelassen. Die Revision des Beklagten bezüglich des Unterhaltszeitraums ab 2008 führte zur Aufhebung und Zurückverweisung an das KG.

 

Entscheidung

Nach Auffassung des BGH waren vom Berufungsgericht kindbezogene Gründe für eine eingeschränkte Erwerbsobliegenheit nicht festgestellt worden. Zu Unrecht habe das KG vorrangig auf das Alter des Kindes abgestellt und deshalb kindbezogene Verlängerungsgründe angenommen. Es sei auch nicht festgestellt worden, ob elternbezogene Gründe eine Verlängerung des Anspruchs rechtfertigten.

Der BGH folgte der Auffassung des KG insoweit, als eine Begrenzung des Unterhaltsanspruchs der Klägerin abzulehnen sei. Ein künftiger Anspruch auf Betreuungsunterhalt sei nur dann abzuweisen, wenn absehbar keine kind- oder elternbezogene Verlängerungsgründe mehr vorliegen würden. Werde zumindest jedoch teilweise Betreuungsunterhalt über die Vollendung des 3. Lebensjahres hinaus geschuldet, könnten dieselben Gründe auch nicht zu einer Befristung nach § 1578b BGB führen, weil § 1570 BGB eine Sonderregelung für die Billigkeitsabwägung enthalte.

Sofern zusätzlich noch ein Anspruch auf Aufstockungsunterhalt in Betracht komme, scheide eine Befristung wegen fehlender klarer Prognose über den Umfang einer künftigen Erwerbsobliegenheit aus. Ferner sei gegenwärtig jedenfalls noch nicht hinreichend sicher prognostizierbar, ob die Klägerin infolge der Kindererziehung ehebedingte Nachteile erlitten habe oder noch erleiden werde. Entfalle danach eine Befristung des Betreuungsunterhalts, komme zwar grundsätzlich eine Begrenzung des Anspruchs auf den angemessenen Unterhalt nach der eigenen Lebensstellung in Betracht. Dies setze aber die Sicherstellung der notwendigen Erziehung und Betreuung trotz des abgesenkten Unterhaltsbedarfs voraus. Außerdem dürfe das Kindeswohl auch sonst nicht beeinträchtigt sein und die fortdauernde Teilhabe des betreuenden Elternteils an den Lebensverhältnissen während der Ehe müsse unbillig erscheinen.

 

Hinweis

Mit seiner Entscheidung hat der BGH sich von der in Rechtsprechung und Literatur teilweise vertretenen Auffassung, die Verlängerung des Betreuungsunterhalts allein vom Kindesalter abhängig zu machen, klar distanziert. Er hat in seiner Entscheidung klargestellt, dass nach dem 3. Lebensjahr des Kindes grundsätzlich kein Vorrang der persönlichen Betreuung ggü. einer kindgerechten Fremdbetreuung besteht. Die Obliegenheit zur Inanspruchnahme einer Fremdbetreuung finde nur dort ihre Grenze, wo die Betreuung nicht mehr mit dem Kindeswohl vereinbar sei. Hiervon könne bei öffentlichen Betreuungseinrichtungen wie Kindergärten, Kindertagesstätten oder Kinderhorten regelmäßig nicht ausgegangen werden.

 

Link zur Entscheidung

BGH, Urteil vom 18.03.2009, XII ZR 74/08

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