Leitsatz

a) Ein Vermieter ist nicht verpflichtet, seinem bisherigen Mieter bei Beendigung des Mietverhältnisses über die Erteilung einer Quittung über die vom Mieter empfangenen Mietzahlungen hinaus eine Mietschuldenfreiheitsbescheinigung zu erteilen.

b) Das Rechtsschutzbedürfnis für eine Leistungsklage ergibt sich regelmäßig aus der Nichterfüllung des behaupteten materiellen Anspruchs, dessen Existenz für die Prüfung des Interesses an seiner gerichtlichen Durchsetzung zu unterstellen ist (Anschluss an BGH, Urteil v. 4.3.1993, I ZR 65/91, WM 1993 S. 1248).

c) Eine Verkehrssitte als eine die beteiligten Verkehrskreise untereinander verpflichtende Regel verlangt, dass sie auf einer gleichmäßigen, einheitlichen und freiwilligen tatsächlichen Übung beruht, die sich innerhalb eines angemessenen Zeitraums für vergleichbare Geschäftsvorfälle gebildet hat und der eine einheitliche Auffassung sämtlicher an dem betreffenden Geschäftsverkehr beteiligten Kreise zugrunde liegt. Dazu genügt es nicht, dass eine bestimmte Übung nur von einem bestimmten, wenn auch quantitativ bedeutsamen Teil der beteiligten Verkehrskreise gepflogen wird; sie muss sich vielmehr innerhalb aller beteiligten Kreise als einheitliche Auffassung durchgesetzt haben.

(amtliche Leitsätze des BGH)

 

Normenkette

BGB § 241 Abs. 2

 

Kommentar

Zwischen den Parteien bestand ein Mietvertrag über eine im Landgerichtsbezirk Dresden gelegene Wohnung. Nach Beendigung des Mietvertrags haben die Mieter den Vermieter auf Ausstellung einer sog. "Mietschuldenfreiheitsbescheinigung" in Anspruch genommen. Hierzu hat der Mieter im Wesentlichen vorgetragen, dass die Wohnungsunternehmen den Abschluss eines Mietvertrags zunehmend von der Vorlage einer solchen Bescheinigung abhängig machen; demgemäß treffe den ehemaligen Vermieter eine nachvertragliche Nebenpflicht zur Ausstellung einer solchen Bescheinigung.

In der Rechtsprechung wird der Anspruch des Mieters auf Ausstellung der Bescheinigung teils bejaht (AG Hohenschönhausen, Urteil v. 30.3.2006, 16 C 239/05, GE 2006 S. 974), teils verneint (AG Berlin-Schöneberg, Urteil v. 19.6.2006, 16b C 55/06, GE 2006 S. 975).

Der BGH folgt der letztgenannten Auffassung: Als Grundlage für den Anspruch auf Ausstellung einer solchen Bescheinigung kommt die Regelung in § 241 Abs. 2 BGB in Betracht. Nach dieser Vorschrift kann das Schuldverhältnis jeden Teil zur Rücksicht auf die Interessen des anderen Teils verpflichten. Solche Rücksichtspflichten können als nachvertragliche Pflichten über die Beendigung des Mietverhältnisses hinaus fortwirken und – wenn es sich um selbstständige Nebenpflichten handelt – auch einen Erfüllungsanspruch geben. Eine gesetzliche Regelung über die Erteilung eines Zeugnisses über den Verlauf des beendeten Schuldverhältnisses besteht beim Dienstvertrag (§ 630 BGB), nicht bei der Miete.

Aus einer Verkehrssitte kann eine solche Verpflichtung ebenfalls nicht hergeleitet werden. Der Umstand, dass einige große Wohnungsunternehmen in Dresden und Umgebung den Abschluss eines Mietvertrags von der Vorlage einer "Mietschuldenfreiheitsbescheinigung" abhängig machen, reicht für die Annahme einer Verkehrssitte nicht aus. Vielmehr wäre erforderlich, dass im örtlichen Wohnungsmarkt ganz allgemein, also auch bei Privatvermietern, eine entsprechende Übung besteht. Dies muss diejenige Partei beweisen, die sich auf die Existenz einer Verkehrssitte beruft. Vorliegend ist dies der Mieter; dieser konnte den Beweis allerdings nicht führen.

 

Link zur Entscheidung

BGH, Urteil vom 30.09.2009, VIII ZR 238/08, WuM 2009 S. 647 m. Anm. Dittert, jurisPR-MietR 25/2009 Anm. 5

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