1 Leitsatz

In einer Gemeinschaftsordnung können für die Tiefgarage und die Wohngebäude auch dann weitgehend verselbstständigte Untergemeinschaften gebildet werden, wenn die Tiefgarage zugleich als Fundament der Wohngebäude dient. Sieht die Gemeinschaftsordnung einer solchen Anlage vor, dass die Untergemeinschaften sich selbstständig verwalten, dass an den Untergemeinschaften die jeweiligen Eigentümer entsprechend ihren Miteigentumsanteilen berechtigt und verpflichtet sind und dass für die Untergemeinschaften jeweils eigene Rücklagen gebildet werden sollen, so entspricht es der nächstliegenden Bedeutung dieser Regelungen, dass allein die Teileigentümer der Tiefgarage die Kosten für die Erhaltung im Bereich der Tiefgarage zu tragen haben, und zwar auch im Hinblick auf tragende Bauteile, die zugleich das Fundament der Wohngebäude bilden.

2 Normenkette

§§ 10 Abs. 1 Satz 2, 25 Abs. 2 WEG

3 Das Problem

Nach § 2 Abs. 5 einer Gemeinschaftsordnung (GO) bilden u. a. die Wohnungseigentümer, die in der Tiefgarage einen Stellplatz haben, in Bezug auf bestimmte Flächen und Räume eine "Sondernutzungsgemeinschaft Tiefgarage". Daneben gibt es für andere Baukörper Sondernutzungsgemeinschaften. Für die Sondernutzungsgemeinschaften ist jeweils eine Erhaltungsrücklage zu bilden. Ferner heißt es in § 2 Abs. 6 GO wie folgt:

  1. „Die Sondernutzungsgemeinschaften verwalten sich selbständig nach Maßgabe der Teilungserklärung unter ergänzender Anwendung des Wohnungseigentumsgesetzes.
  2. Die für die Gemeinschaft aller Eigentümer getroffenen Regelungen gelten für sie entsprechend. Dies gilt insbesondere hinsichtlich der Abhaltung von Sondernutzungsgemeinschafts-Versammlungen (…).
  3. An den Sondernutzungsgemeinschaften sind die jeweiligen Eigentümer der von der Sondernutzungsgemeinschaft erfassten Wohnungs- und Teileigentumsrechte entsprechend ihren Miteigentumsanteilen berechtigt und verpflichtet. (…).”

Sämtliche Wohnungseigentümer beschließen die "Sanierung" der Tiefgarage mit einem Kostenvolumen von rund 5 Mio. EUR. Nur die Wohnungseigentümer, die einen Stellplatz haben, beschließen ergänzend, zur Finanzierung dieser Kosten unter sich eine Sonderumlage zu erheben. Gegen diesen Ergänzungsbeschluss geht der Eigentümer eines Stellplatzes vor. Er ist der Ansicht, es hätten sämtliche Wohnungseigentümer beschließen müssen.

4 Die Entscheidung

Der BGH sieht das nicht so! Aus § 2 Abs. 6 GO ergebe sich "eindeutig", dass "rechtstechnisch verselbstständigte Untergemeinschaften gebildet" worden seien. Die Kompetenz der Sondernutzungsgemeinschaft an der Tiefgarage, einen Beschluss über die Erhöhung ihrer Erhaltungsrücklage durch Erhebung einer Sonderumlage zu fassen, sei zweifelsfrei gegeben. Der Beschluss entspreche auch einer ordnungsmäßigen Verwaltung. Denn die Erhaltungskosten seien nach den eindeutigen Vorgaben der Gemeinschaftsordnung allein von den Mitgliedern der Untergemeinschaft Tiefgarage zu tragen. Sehe die Gemeinschaftsordnung einer aus Tiefgarage und Wohnhäusern bestehenden Wohnungseigentumsanlage vor, dass die Untergemeinschaften sich selbstständig verwalten, dass an den Untergemeinschaften die jeweiligen Eigentümer entsprechend ihren Miteigentumsanteilen berechtigt und verpflichtet sind, und dass für die Untergemeinschaften jeweils eigene Rücklagen gebildet werden sollen, so entspreche es der nächstliegenden Bedeutung dieser Regelungen, dass allein die Teileigentümer der Tiefgarage die Kosten für "Sanierungsmaßnahmen" im Bereich der Tiefgarage zu tragen hätten, und zwar auch im Hinblick auf Bauteile, die zugleich das Fundament der Wohngebäude bilden.

5 Hinweis

Problemüberblick

Gibt es in einer Wohnungs- und/oder Teileigentumsanlage mehrere Gebäude oder jedenfalls ein Gebäude und eine (Tief-)Garage, so spricht man von einer "Mehrhausanlage". § 10 Abs. 1 Satz 2 WEG erlaubt es, für eine solche Mehrhausanlage durch eine oder mehrere Vereinbarungen vom Gesetz abweichende Bestimmungen zu treffen. Im Fall gibt es mehrere Vereinbarungen. Fraglich ist, wie diese zu verstehen sind.

Das BGH-Verständnis

Der BGH meint, aus § 2 Abs. 6 Nr. 1 bis 3 GO ergebe sich, dass "verselbstständigte Untergemeinschaften" gebildet worden seien. Die Sondernutzungsgemeinschaft Tiefgarage sei nach der Gemeinschaftsordnung als eine solche verselbstständigte Untergemeinschaft berechtigt gewesen, einen Beschluss über die Erhöhung ihrer Erhaltungsrücklage durch Erhebung einer Sonderumlage zu fassen.

Dieser Beschluss entspreche auch ordnungsmäßiger Verwaltung. Eine objektbezogene Kostentrennung ergebe sich aus § 2 Abs. 6 Nr. 3 GO. Auch wenn das Wort "Kosten" dort nicht verwendet werde, folge aus dieser Regelung, dass die Kosten jeder Untergemeinschaft von ihren Mitgliedern getragen werden müssten; das gelte erst recht in der Zusammenschau mit § 2 Abs. 6 Nr. 1 GO.

Verwalter

Ein Verwalter sollte die BGH-Ansicht zwar kennen, aber nicht so mutig sein, selbst zu entscheiden, wie eine ähnlich lautende Gemeinschaftsordnung zu verstehen ist. Besser ist es, die Wohnungseigentümer um eine Weisung zu bitten, wie die Gemeinschaftsordnung in Bezug auf Beschlusskompet...

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