Leitsatz

In Mehrhausanlagen hat nach einer (ggf. ergänzenden) Auslegung der Gemeinschaftsordnung bzw. aus dem Gemeinschaftsverhältnis mit seinen umfassenden Treue- und Rücksichtnahmepflichten der jeweils "hausfremde" Wohnungseigentümer an manchen Bereichen nur ein eingeschränktes Mitgebrauchsrecht. Soweit ein Bedarf besteht, ist ihm zwar der Zugang zu den Gemeinschaftsflächen (Hausflur) über die fragliche Hauseingangstür zu gewähren, zumal wenn sich im dahinter liegenden Flur auch die Zähler für Wasser und Strom befinden. Dazu bedarf es aber nicht der dauerhaften Überlassung von Schlüsseln.

Normenkette

§ 18 Abs. 2 WEG

Das Problem

Wohnungseigentümer K verlangt die Übergabe von 3 Schlüsseln zur Hauseingangstür eines Hauses einer Mehrhausanlage, in der nicht sein Sondereigentum liegt.

Die Entscheidung

Ohne Erfolg! Der Anspruch ergebe sich insbesondere nicht aus § 16 Abs. 1 Satz 3 WEG. Grundsätzlich stehe den Wohnungseigentümern zwar der Mitgebrauch am gemeinschaftlichen Eigentum unabhängig von der Größe oder Anzahl der ihnen zustehenden Miteigentumsanteile in gleichem Umfang zu. Dennoch habe naturgemäß nicht jeder Wohnungseigentümer Zugang zu allen Schlüsseln. Es sei daher bei Mehrhausanlagen anerkannt, dass der jeweils "hausfremde" Wohnungseigentümer nur ein eingeschränktes Mitgebrauchsrecht an manchen Bereichen des fremden Hauses habe. Diese Einschränkung ergebe sich im Wege einer (ggf. ergänzenden) Auslegung der Gemeinschaftsordnung (MüKoBGB/Scheller, 8. Aufl., WEG § 16 Rn. 12) bzw. aus dem Gemeinschaftsverhältnis mit seinen umfassenden Treue- und Rücksichtnahmepflichten i. S. v. § 241 Abs. 2 BGB. Soweit ein Bedarf bestehe, sei K allerdings der Zugang zu den Gemeinschaftsflächen (Hausflur) über die fragliche Hauseingangstür zu gewähren, zumal sich im dahinter liegenden Flur auch die Zähler für Wasser und Strom befänden. Weder dazu noch für den Zugang zum Kellerraum bedürfe es aber der dauerhaften Überlassung von Schlüsseln. Der Anspruch auf Übergabe von 3 Schlüsseln zur Hauseingangstür lasse sich aus diesem Betretungs- und Duldungsrecht aber nicht ableiten. Er sei ein "aliud" hierzu.

 

Hinweis

Problemüberblick

Für die Lösung des Falls muss man klären, welche Räume und Flächen im gemeinschaftlichen Eigentum stehen. Dann ist zu klären, ob das Mitgebrauchsrecht der Wohnungseigentümer als Miteigentümer des gemeinschaftlichen Eigentums eingeschränkt sein kann. Ferner muss man fragen, ob jeder Wohnungseigentümer zu diesen Räumen oder Flächen einen ungehinderten Zugang haben muss und ob ihm ein Zugangsrecht das Recht verleiht, dauerhaft einen Schlüssel zu verlangen.

Gemeinschaftliches Eigentum

Grundsätzlich stehen alle Flächen und Räume in einer Wohnungseigentumsanlage im gemeinschaftlichen Eigentum. Etwas anderes gilt nur dann, wenn eine Fläche oder ein Raum nach §§ 3, 8 WEG i. V. m. dem Aufteilungsplan zu Sondereigentum erklärt worden ist, und die Bestimmung nicht gegen § 5 Abs. 1, Abs. 2 WEG verstößt. Im Fall geht es um den Zugang zum Treppenhaus einer Mehrhausanlage. Dieses Treppenhaus steht nach § 5 Abs. 2 WEG zwingend im gemeinschaftlichen Eigentum sämtlicher Wohnungseigentümer, da an dem Treppenhausraum mehr als ein Wohnungseigentümer einen Gebrauch haben muss. Hieraus folgt, dass auch die Hauseingangstür, die den Zugang zu dem Treppenhausraum gewährt, sowie ihre wesentlichen Bestandteile sämtlichen Wohnungseigentümern als Miteigentümern gehört. Daher steht auch die Schlüsselanlage bzw. das Schloss im Eigentum sämtlicher Wohnungseigentümer.

Mitgebrauchsrecht

Steht ein Raum oder stehen Flächen im gemeinschaftlichen Eigentum, hat daran jeder Wohnungseigentümer ein Mitgebrauchsrecht. Wo sein Sondereigentum liegt und wie groß der Miteigentumsanteil ist – oder ob er mehrere Miteigentumsanteile hält – ist bedeutungslos. Die Karlsruher WEG-Kammer beurteilt dies anders. Sie meint, in einer Mehrhausanlage bestehe nur ein eingeschränktes Mitgebrauchsrecht. Diese Aussage ist falsch. Ein eingeschränktes Mitgebrauchsrecht gibt es nur an 2 Stellen. Erstens bei gemeinschaftlichem Eigentum, das isoliert liegt und nur erreichbar ist, wenn man Sondereigentum durchqueren muss. So kann es im Einzelfall bei einem Balkon liegen oder einem Spitzboden, nicht aber bei einem Treppenhaus. Zweitens, wenn ein Wohnungseigentümer die Kosten für eine bestimmte Anlage getragen hat. Dann gewähren ihm § 21 Abs. 1 Satz 2 WEG bzw. § 21 Abs. 3 Satz 2 WEG daran ein – vorübergehendes (vgl. § 21 Abs. 4 WEG) – Alleingebrauchsrecht.

Zugang zu Schlüsseln

Ist geklärt, ob ein Raum oder eine Fläche, zu dem nur ein Zugang besteht, wenn man über den Schlüssel verfügt, im gemeinschaftlichen Eigentum steht, ist schließlich zu klären, ob jedem Wohnungseigentümer für seinen ungehinderten Gebrauch des Raums oder der Fläche – jedenfalls auf seine Bitte hin – von der Verwaltung ein Schlüssel auszuhändigen ist oder ob es reicht, dem Wohnungseigentümer einen Schlüssel auszuhändigen, wenn ein konkreter Anlass besteht, den Raum oder die Fläche zu betreten. Das LG ist der Ansicht, ei...

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