Entscheidungsstichwort (Thema)

Erlaubnis zur gewerbsmäßigen Arbeitnehmerüberlassung. Widerruf. Unzuverlässigkeit des Verleihers. illegale Überlassung. Verleih von Baufacharbeitern an Baubetriebe. Verstoß gegen § 1b AÜG. keine Baubetriebseigenschaft. keine veränderte Vertragsgrundlage, Vertragsdurchführung bzw anders gelebte Vertragspraxis. Ermessensreduzierung auf Null

 

Leitsatz (amtlich)

1. Allein die Überlassung von Baufacharbeitern in Baubetriebe, die dort Baufacharbeiten erbringen, vermittelt keine Baubetriebseigenschaft.

2. Fehlen Hinweise auf eine Veränderung der vertraglichen Grundlage oder tatsächlichen Durchführung des Einsatzes von Arbeitnehmern im Baugewerbe und haben diese Arbeitnehmer ihre Tätigkeit auf der Grundlage von zwischen Auftraggeber und Auftragnehmer geschlossenen Arbeitnehmerüberlassungsverträgen aufgenommen, kann im Verhältnis von Auftraggeber und Auftragnehmer nicht von einer "anders gelebten" Vertragspraxis ausgegangen werden, deren Grundlage keine Arbeitnehmerüberlassung mehr sein soll.

3. Bei einem systematischen Verstoß gegen das Verbot der Arbeitnehmerüberlassung in das Baugewerbe gemäß § 1b Satz 1 AÜG besteht eine Ermessensreduzierung auf Null und die Erlaubnis zur Arbeitnehmerüberlassung ist zu widerrufen.

 

Nachgehend

BSG (Beschluss vom 18.03.2020; Aktenzeichen B 11 AL 41/19 B)

 

Tenor

Das Urteil des Sozialgerichts Magdeburg vom 12. Oktober 2015 wird aufgehoben und die Klage wird abgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die Rechtmäßigkeit des Widerrufs der dauerhaften Erlaubnis zur Arbeitnehmerüberlassung.

Die Klägerin ist eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung. Gegründet wurde sie im November 1995. Gegenstand des Unternehmens war nach dem Gesellschaftsvertrag: Industriemontagen, Maschinenbau, Industriedienstleistungen, Zeitarbeit, Bau- und Baunebenleistungen entsprechend der Eintragung in die Handwerksrolle, Hilfs- und Transportarbeiten, soweit es genehmigungsfreie Tätigkeiten sind. Die ersten Gesellschafter waren E. R., der Zeuge P. F. und H. Bt. Bis zum 31. Dezember 2012 (Bau- bzw. Verleihtätigkeitsende) bzw. 31. Dezember 2013 (Abmeldung) bestand noch die Schwesterfirma in B.-E. mit den Niederlassungen C., F. sowie der "Bauniederlassung" in B.-E ... Die betreffenden Niederlassungen wurden danach von der Klägerin "übernommen".

Zunächst erteilte die Beklagte der Klägerin zeitlich befristete Erlaubnisse zur gewerbsmäßigen Arbeitnehmerüberlassung. Die Klägerin legte Mitarbeiterverträge und Arbeitnehmerüberlassungsverträge als Beispiele für ihre Tätigkeit vor. In den Auskunftsersuchen nach § 7 Abs. 2 des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes (AÜG) aus dem Jahr 1996 teilte die Klägerin mit, nicht ausschließlich Arbeitnehmerüberlassung zu betreiben.

Mit Bescheid vom 9. Dezember 1998 erteilte die Beklagte der Klägerin die unbefristete Erlaubnis zur Arbeitnehmerüberlassung. In dem Bescheid wird darauf hingewiesen, dass bei Verstößen gegen das AÜG die Erlaubnis widerrufen oder zurückgenommen werden könne.

Auf Prüfanfragen aus den Jahren 1999 und 2001 von anderen Unternehmen oder Verbänden bestätigte die Beklagte, dass die Klägerin ein Baubetrieb und ihr Arbeitnehmerüberlassung gestattet sei.

Am 1. April 2003 wurde die nichtselbständige Niederlassung in M. eröffnet. Die Gesellschaftsanteile hielten ab 25. März 2003 H. B. sowie die Zeugen P. F. und L. E., die beiden letztgenannten wurden zu Geschäftsführern bestellt.

Zum 1. April 2005 wurden die Niederlassungen in P. (Niederlassungsleiter war der Zeuge A. G.) und E. (Niederlassungsleiter war einer der beiden derzeitigen Geschäftsführer M. W.) errichtet. In jährlichen Auskunftsersuchen der Beklagten nach § 7 Abs. 2 AÜG, z. B. vom 31. Mai 2005 oder vom 29. Januar 2008, führte die Klägerin unverändert aus, dass der Betriebszweck nicht ausschließlich oder überwiegend auf Arbeitnehmerüberlassung ausgerichtet sei. Für die Betriebsleiter mit Personalverantwortung in den einzelnen Niederlassungen wurden polizeiliche Führungszeugnisse vorgelegt.

Am 5. Januar 2009 leitete das Hauptzollamt E. gegen die Klägerin und deren Geschäftsführer Ordnungswidrigkeitenverfahren wegen des Verdachts der unerlaubten Arbeitnehmerüberlassung gemäß § 16 Abs. 1 Nr. 1b AÜG ein. Es bestehe der Verdacht, dass die Firma überwiegend Verleih durchführe.

Es erfolgten Durchsuchungen und die Beschlagnahme von Unterlagen, am 9. September 2009 in 11 Objekten und später noch über die Vorgänge nach 2009, insbesondere am 28. August 2012.

Hierzu nahm die Zollverwaltung exemplarisch vorgefundene Verträge zu den Akten (s. insbesondere Behelfsakte KUG 3257 AA P. und Interimsakte Beweismittel Hauptzollamt E., BMO 1 für die Vorgänge nach 2009).

In einem exemplarischen Fall aus den Jahren 2006 bis 2009 bezogen auf das Unternehmen A. H. B. mbH & Co KG hatten die Klägerin und diese Gesellschaft einen Rahmenvertrag über Bauleistungen als Subunternehmer auf Baustellen geschlossen, wobei für die jeweiligen Vorhaben S...

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