Entscheidungsstichwort (Thema)

Anspruch auf Gewährung einer Geschiedenenwitwenrente. Geschiedenen-Witwenrente nach dem Tod des nach DDR-Recht geschiedenen früheren Ehemannes

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Es besteht kein Anspruch auf sogenannte Geschiedenenwitwenrente, wenn die Ehe in der DDR geschieden worden war und ein Unterhaltsanspruch der geschiedenen Ehefrau sich nach dem Recht der DDR bestimmt hat.

2. Für das Unterhaltsrecht gilt DDR-Recht auch, wenn ein Ehegatte die DDR nach der Scheidung verlassen hat.

 

Normenkette

SGB VI §§ 243, 243a Abs. 1-2, § 46; RÜG Art. 2 §§ 11, 14; EGBGB Art. 234 § 5; GVG § 17a Abs. 5; SGG § 57 Abs. 2 S. 1

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 11.06.2003; Aktenzeichen B 5 RJ 22/02 R)

 

Tenor

Die Berufung der Klägerin wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die Gewährung einer Geschiedenenwitwenrente nach dem Sechsten Buch Sozialgesetzbuch - Gesetzliche Rentenversicherung (SGB VI).

Die am [...] 1911 geborene Klägerin hatte den am [...] 1909 geborenen W. G. G. am 30. September 1934 in [...], Kreis Groß [...] (heutiges Polen) geheiratet. Aus der Ehe ging ein am 4. Februar 1935 geborenes Kind hervor. Der Ehemann wurde am 2. April 1940 zur Wehrmacht eingezogen und befand sich vom 1. September 1943 bis 14. September 1945 in Kriegsgefangenschaft. Nach seiner Entlassung war er vom 2. Januar 1946 bis Dezember 1956 in [...] bei [...] und von Januar 1957 bis zu seinem Tod am 16. Juni 1977 in [...] wohnhaft. Die Klägerin wohnte von 1939 bis 1953 in [...] und von 1953 bis 1958 in [...], Kreis Groß [...] (Volksrepublik Polen). Am 13. September 1958 übersiedelte sie in die Bundesrepublik Deutschland.

Die Ehe war bereits am 28. März 1956 durch das Kreisgericht [...] nach § 8 der Verordnung über Eheschließung und Eheauflösung (EheVO) der DDR vom 24. November 1955 (GBl. I, S. 849) geschieden worden. Das Scheidungsurteil enthielt weder einen Schuldspruch noch eine Unterhaltsverpflichtung. Die Klägerin wurde durch einen vereidigten polnischen Dolmetscher vertreten. Das Urteil enthält den Vermerk des Eintritts der Rechtskraft am 28. März 1956.

Die Klägerin hat nicht wieder geheiratet und vom Verstorbenen keinen Unterhalt bekommen. Dieser hat 1956 die Beigeladene geheiratet, die seit 1982 Witwenrente bezieht.

Die Klägerin beantragte am 5. Januar 1994 bei der LVA Baden die Gewährung einer Geschiedenenwitwenrente. Am 17. Juli 1994 wurde der Antrag an die Beklagte abgegeben. Diese zog das Scheidungsurteil sowie einen Erfassungsbogen zum Rentenantrag des geschiedenen Ehemannes vom 20. Februar 1974 bei. Mit Bescheid vom 15. August 1995 lehnte die Beklagte den Rentenantrag ab. Sie führte aus, ein Anspruch auf Geschiedenenwitwenrente scheide gemäß § 243a SGB VI aus, da sich der Unterhaltsanspruch des geschiedenen Ehegatten nach dem Recht bestimme, das im Beitrittsgebiet gegolten hat.

Der dagegen gerichtete Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 6. Juni 1996 als unbegründet zurückgewiesen. Ergänzend führte die Beklagte zur Anwendbarkeit des § 243a SGB VI aus, Grundlage für die Beurteilung der Unterhaltspflicht sei die EheVO vom 24. November 1955. Da der geschiedene Ehegatte den gewöhnlichen Aufenthalt weiterhin im Beitrittsgebiet gehabt und sich keine der Parteien zum Zeitpunkt der Scheidung im Bundesgebiet aufgehalten habe, bleibe das maßgebende Personalstatut der EheVO der DDR erhalten. Daran ändere auch nichts, dass die Klägerin nach der Scheidung in das alte Bundesgebiet verzogen sei. Daher scheide ein Anspruch auf Geschiedenenwitwenrente nach § 243 SGB VI aus. Ein Anspruch auf Erziehungsrente nach § 47 SGB VI bestehe nicht, da die Klägerin bereits am [...] 1976 das 65. Lebensjahr vollendet habe.

Dagegen hat die Klägerin am 4. Juli 1996 beim Sozialgericht Reutlingen Klage erhoben. Sie hat geltend gemacht, der verstorbene Ehemann sei zum Zeitpunkt seines Todes unterhaltspflichtig gewesen. § 243a SGB VI sei nicht anwendbar. Zum einen sei das Urteil gegenüber der Klägerin nicht rechtswirksam geworden. Der Scheidungstermin sei ihr nicht bekannt gewesen, sie habe kein Rechtsmittel einlegen können, und das Urteil sei am Tag seiner Verkündung rechtskräftig geworden. Zum anderen richte sich der Unterhaltsanspruch nicht nach dem Recht der DDR, da die Klägerin vor der Wiedervereinigung in die Bundesrepublik Deutschland gezogen sei.

Mit Beschluss vom 4. Juni 1998 ist der Rechtsstreit an das zuständige Sozialgericht Stendal verwiesen und mit weiterem Beschluss vom 12. August 1998 ist die Witwe des Verstorbenen zum Verfahren beigeladen worden. Ferner hat das Gericht Ermittlungen über den Wohnsitz des Verstorbenen ab 1946 durchgeführt und den die Klägerin betreffenden Registrierschein für Aussiedler/Vertriebene des Durchganglagers Friedland vom 15. September 1958 beigezogen.

Mit Gerichtsbescheid vom 18. Mai 2000 hat das Gericht die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, ein Anspruch a...

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