Entscheidungsstichwort (Thema)

Gesetzliche Unfallversicherung. Festsetzungsbefugnis: Höhe eines Mindestbeitrages nach § 161 SGB 7. Übertragung auf den Vorstand des Unfallversicherungsträgers. kein Satzungsvorbehalt hinsichtlich der Höhe. Verfassungsmäßigkeit. einheitlicher Mindestbeitragssatz. Selbstverwaltung. Gestaltungsspielraum. Äquivalenzprinzip. Verwaltungsaufwand. Geringfügiger Arbeitnehmereinsatz. Existenzgefährdung. Gleichbehandlung

 

Leitsatz (amtlich)

Die Festsetzung der Höhe eines Mindestbeitrages nach § 161 SGB 7 kann durch Satzung dem Vorstand des Unfallversicherungsträgers übertragen werden (Abgrenzung gegenüber § 182 Abs 2 S 4 SGB 7 und BSG vom 7.12.2004 - B 2 U 43/03 R = SozR 3-2700 § 182 Nr 1).

 

Normenkette

SGB VII §§ 161, 137 Abs. 1 S. 1; GG Art. 3 Abs. 1

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 04.12.2014; Aktenzeichen B 2 U 16/13 R)

 

Tenor

Die Berufung wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

Die Revision wird zugelassen.

Der Streitwert beträgt für das Berufungsverfahren 95,74 EUR.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten darüber, ob der Kläger als Unternehmer für 2006 einen Mindestbeitrag in Höhe von 100,- EUR zahlen muss, obwohl er im gesamten Jahr nur eine Person für wenige Arbeitsstunden zu versichern hatte und der Mindestbeitrag dafür etwa 80 Prozent des gezahlten Bruttoarbeitsentgelts beträgt.

Der Kläger betreibt seit 1990 ein selbständiges Handwerksgeschäft auf dem Gebiet der Klempnerei und Sanitärinstallation. In dieser Eigenschaft ist er nach dem Bescheid der Rechtsvorgängerin der Beklagten - nachfolgend einheitlich Beklagte - vom 12. Dezember 1990 Mitglied der Beklagten.

Für die Jahre 2003 und 2004 stellte die Beklagte für den Kläger Mindestbeiträge in Höhe von 100,- EUR fest; im Jahre 2005 beschäftigte er keinen Arbeitnehmer.

Mit Veranlagungsbescheid vom 9. Dezember 2005 stellte die Beklagte die für das Unternehmen des Klägers zutreffenden Gefahrklassen nach ihrem Gefahrtarif fest.

Mit dem Lohnnachweis für das Jahr 2006 vom 12. Januar 2007 meldete der Kläger für den Bereich Installation als einziges in seinem Unternehmen angefallenes Bruttoarbeitsentgelt eine Gesamtsumme von 122,- EUR für 17 tatsächlich geleistete Arbeitsstunden.

Mit Bescheid vom 20. April 2007 setzte die Beklagte den Beitrag für das Jahr 2006 und die Beitragsvorschüsse für das Jahr 2007 fest. Bezogen auf das Jahr 2006 errechnete sie für das Arbeitsentgelt im Bereich Bau/Ausbau einen Beitrag von 3,65 EUR, zuzüglich eines internen Lastenausgleichs von 0,61 EUR eine Gesamtsumme von 4,26 EUR. Diesen Betrag hob sie um 95,74 EUR auf den Mindestbeitrag von 100,- EUR an. Zuzüglich eines Beitrages für das Insolvenzgeld von 0,18 EUR ergab sich ein Gesamtbeitrag von 100,18 EUR. Die Festsetzung der Beitragsvorschüsse für 2007 hob die Beklagte später auf.

Gegen den Bescheid erhob der Kläger mit Eingangsdatum vom 25. April 2007 bei der Beklagten Widerspruch und wandte sich sinngemäß gegen die Unverhältnismäßigkeit des Mindestbeitrags. Er verwies darauf, er sei nur in ganz geringem Umfang erwerbsfähig und sei deshalb auf den Bezug von Arbeitslosengeld II angewiesen. Weiterhin äußerte er Bedenken gegen die Zuständigkeit der Beklagten.

Mit Widerspruchsbescheid vom 4. Dezember 2007 wies der Widerspruchsausschuss der Beklagten den Widerspruch zurück. Zur Begründung führte die Beklagte aus, in der gesetzlichen Unfallversicherung seien nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII alle Beschäftigten pflichtversichert, ohne dass Geringfügigkeitsgrenzen vorgesehen seien. § 161 SGB VII eröffne die Möglichkeit eines einheitlichen Mindestbeitrages als Satzungsentscheidung des Versicherungsträgers. § 26 Abs. 6 ihrer Satzung sehe einen solchen Mindestbeitrag vor, dessen Höhe nach § 19 Nr. 12 der Satzung der Vorstand festsetze. Der Beitrag sei nicht überhöht und schon gar nicht sittenwidrig. Er müsse nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts in einem angemessenen Verhältnis zum Wagnis des Unfallversicherungsträgers stehen. Dabei sei zu berücksichtigen, dass diesem auch bei nur kurzzeitig beschäftigten oder geringfügig entlohnten Personen ein uneingeschränktes Versicherungsrisiko entstehe. Dafür biete der Mindestbeitrag eine angemessene Gegenleistung. Für den Kläger bestehe die Möglichkeit, mit der Beklagten eine Stundung in Form einer Ratenzahlung zu vereinbaren. Der Widerspruchsbescheid ist dem Kläger am 10. Dezember 2007 zugestellt worden.

Mit der am 10. Januar 2008 beim Sozialgericht Magdeburg erhobenen Klage hat der Kläger sich gegen den Beitragsbescheid gewandt, soweit die festgestellte Beitragsforderung eine Höhe von 4,26 EUR übersteigt. Er hat vorgerechnet, er habe auf den Nettolohn von 120,05 EUR bereits 30,75 EUR an die Bundesknappschaft abgeführt. Zusammen mit weiteren 100,18 EUR Beitrag zur Beklagten errechne sich ein Stundenlohn von 14,76 EUR für einen ungelernten Helfer. Er hat die Auffassung vertreten, für sein Gewerk sei die Norddeutsche Metall-Berufsgenossenschaft zuständig. Er hat deren Regelungen über die sachliche Zuständigkeit vorgelegt, ...

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