Entscheidungsstichwort (Thema)

Arbeitslosengeld II. Unterkunft und Heizung. Erhöhung der Unterkunftskosten durch nicht erforderlichen Umzug. Beschränkung auf die bisherigen angemessenen Unterkunftskosten. schlüssiges Konzept des Grundsicherungsträgers. Festlegung von Vergleichsräumen innerhalb des Landkreises Harz. keine Anwendung des § 22 Abs 1 S 2 SGB 2 bei Umzug über die Grenzen des Vergleichsraums

 

Leitsatz (amtlich)

1. Die Begrenzung der Aufwendungen für die Kosten der Unterkunft und Heizung (KdU) nach einem nicht erforderlichen Umzug auf die bisherige Höhe gemäß § 22 Abs 1 S 2 SGB II findet keine Anwendung, wenn ein Umzug über die Grenzen des Vergleichsraums hinweg erfolgt (vgl BSG vom 01.06.2010 - B 4 AS 60/09 R = BSGE 106, 147 = SozR 4-4200 § 22 Nr 35, RdNr 18).

2. Der Landkreis Harz (Fläche 2.104 qkm, 221.399 Einwohner) ist als Gebietskörperschaft kein einheitlicher "Vergleichsraum", denn seine kreisangehörigen Gemeinden weisen erhebliche strukturelle Unterschiede auf, die sich bei einer bewertenden Betrachtung von Topografie, Siedlungsdichte und Infrastruktur ergeben. Er besteht ausgehend von den Wohnorten aus 14 Vergleichsräumen zumeist in Form der politischen Gemeinden mit eigenen Wohnungsmärkten.

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 30.01.2019; Aktenzeichen B 14 AS 10/18 R)

 

Tenor

Die Berufung wird zurückgewiesen.

Kosten sind nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Der Beklagte wendet sich gegen die Verurteilung des Sozialgerichts Magdeburg, an die Klägerinnen für die Zeiträume von Mai bis Juli 2011 sowie April 2012 bis März 2013 höhere Grundsicherungsleistungen für Arbeitsuchende nach dem Zweiten Buch des Sozialgesetz-buches (SGB II) in Form weiterer Kosten für Unterkunft und Heizung (KdU) zu zahlen.

Die 1984 geborene Klägerin zu 1) bewohnte bis zum 30. April 2011 mit ihrer am ... 2001 geborenen Tochter, der Klägerin zu 2), eine 43 qm große Mietwohnung in Halberstadt, für die insgesamt 325,00 EUR monatlich zu zahlen waren. Für die Klägerin zu 2) erhielt sie im streitgegenständlichen Zeitraum jeweils monatlich Unterhaltsvorschuss in Höhe von 180,00 EUR, Kindergeld in Höhe von 184,00 EUR und - außer im Mai 2011 - Wohngeld in Höhe von 122 EUR.

Mit Bescheid vom 19. Januar 2011 gewährte der Beklagte der Klägerin zu 1) Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II für Februar bis Juli 2011. Der Klägerin zu 2) gewährte er keine Leistungen, weil diese ihren Bedarf durch eigenes Einkommen decken konnte. Vielmehr ergab sich noch ein überschießendes Kindergeld in Höhe von 77,03 EUR/Monat, das der Beklagte um die Versicherungspauschale sowie den Beitrag für die Kfz-Haftpflichtversicherung bereinigte, so dass sich kein anzurechnendes Einkommen für die Klägerin zu 1) ergab. Die KdU übernahm der Beklagten in tatsächlicher Höhe.

Am 1. März 2011 beantragte die Klägerin zu 1) die Zustimmung zu einem Umzug nach Blankenburg. Als Gründe gab sie eine beabsichtigte Umschulung zur Mediengestalterin und einen neuen Partner an. Sie reichte drei Mietangebote ein. Die Bruttowarmmiete der Woh-nungsangebote lag zwischen 370,04 EUR und 429,60 EUR/Monat.

Mit Bescheid vom 12. April 2011 lehnte der Beklagte die Erteilung einer Zusicherung zum Umzug ab. Dieser sei nicht erforderlich. Die Mieten der Wohnungsangebote seien unange-messen und teurer als die bisherige Wohnung.

Mit Bescheid vom gleichen Tag änderte der Beklagte die Leistungsbewilligung für Januar bis Juli 2011 wegen der Erhöhung des Regelbedarfs sowie des Mehrbedarfs wegen Alleinerzie-hung ab. Die Kosten der Unterkunft und Heizung berücksichtigte er weiterhin in Höhe von 325,00 EUR monatlich.

Zum 1. Mai 2011 zogen die Klägerinnen in die im A. in Blankenburg gelegene 67 qm große Drei-Zimmer-Wohnung. Für diese Wohnung waren monatlich eine Grundmiete in Höhe von 212,74 EUR sowie Vorauszahlungen für kalte Betriebskosten in Höhe von 95,94 EUR und für die Heizkosten in Höhe von 61,36 EUR, mithin insgesamt 370,04 EUR zu leisten.

Gegen den Änderungsbescheid vom 12. April 2011 legten die Klägerinnen unter dem 4. Mai 2011 Widerspruch insbesondere wegen der Höhe der bewilligten KdU ab Mai 2011 ein.

Mit Änderungsbescheid vom 27. Juni 2011 in der Gestalt der Änderungsbescheide vom 9. August 2011 und 26. März 2012 gewährte der Beklagte der Klägerin zu 1) für Mai 2011 Leistungen in Höhe von 570,50 EUR sowie der Klägerin zu 2) in Höhe von 49,50 EUR. Für Juni und Juli 2011 bewilligte er der Klägerin zu 1) 570,50 EUR/Monat. Dabei berücksichtigte er weiterhin lediglich die bisherigen KdU in Höhe von 325,00 EUR/Monat. In den Monaten Juni und Juli 2011 ergab sich ein Kindergeldüberhang von 72,50 EUR/Monat, der aber wegen der Bereinigung um die Versicherungspauschale sowie den Beitrag zur Kfz-Haftpflichtversicherung bei der Klägerin zu 1) nicht zur Anrechnung kam.

Mit Widerspruchsbescheid vom 29. März 2012 wies der Beklagte den Widerspruch vom 4. Mai 2011 im Übrigen zurück. Der Umzug zum 1. Mai 2011 sei nicht erforderlich gewesen.

Mit Bescheid vom 19. März 2012 in der Gest...

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