Entscheidungsstichwort (Thema)

Zuordnung einer in der DDR zurückgelegten Militärdienstzeit bei der Nationalen Volksarmee zur knappschaftlichen Rentenversicherung. Wehrdienst. freiwillige Dienstzeit. Verfassungsmäßigkeit

 

Orientierungssatz

1. Zur Zuordnung einer in der DDR zurückgelegten Militärdienstzeit (freiwillige Dienstzeit) bei der Nationalen Volksarmee zur knappschaftlichen Rentenversicherung.

2. Die rentenrechtliche Auslegung des Begriffs Wehrdienst verstößt nicht gegen Art 3 GG. Entscheidend für die unterschiedliche Betrachtungsweise der zum Vergleich heranzuziehenden Gruppen der freiwilligen Soldaten und der Grundwehrdienstleistenden ist der Grund der Dienstleistung. Die gesetzliche Wehrpflicht, der sich die Betroffenen in der Bundesrepublik Deutschland und der ehemaligen DDR im Gegensatz zum freiwilligen Dienst nicht entziehen konnten, rechtfertigt diese unterschiedliche Betrachtungsweise und führt dazu, dass der Gesetzgeber allein für die Gruppe, die in die Pflicht genommen wird (Grundwehrdienstleistende), einen rentenrechtlichen Ausgleich schaffen durfte. Insofern teilt der Senat nicht die Auffassung des LSG Berlin (Urteil vom 21.1.2000- L 1 KN 6/96), welches die alleinige Berücksichtigung von Grundwehrdienstzeiten im Zusammenhang mit § 141 SGB 6 als bundesdeutsche Besonderheit ansah, die der Gleichstellung der im Beitrittsgebiet zurückgelegten Militärzeiten nicht entgegenstehe.

 

Nachgehend

BSG (Beschluss vom 05.06.2003; Aktenzeichen B 8 KN 5/03 B)

 

Tatbestand

Der Kläger begehrt eine höhere Altersrente unter Berücksichtigung der Zeit des Militärdienstes bei der Nationalen Volksarmee (NVA) der DDR als knappschaftliche Pflichtbeitragszeit.

Der ... 1937 geborene Kläger absolvierte vom 1. September 1956 bis April 1959 eine Elektrikerlehre in einem knappschaftlichen Betrieb. In dieser Zeit war er in der Sozialpflichtversicherung der DDR versichert und zahlte Beiträge nach dem erhöhten Beitragssatz (30 %). Anschließend verpflichtete er sich vom 6. April 1959 bis 18. Mai 1961 zum freiwilligen Dienst bei der NVA und schied als Unteroffizier aus. Die soziale Absicherung während der Dienstzeit war nicht durch ein Sonder- oder Zusatzversorgungssystem geregelt, sondern er zahlte von seinem Wehrsold (ungefähr 300,00 DM mtl.) Beiträge nach dem allgemeinen Beitragssatz in die Sozialversicherung der DDR ein. Im Anschluss an den Dienst war er wieder im knappschaftlichen Ausbildungsbetrieb beschäftigt. Später war er Student an der Bergingenieurschule.

Die Beklagte bewilligte dem Kläger mit Bescheiden vom 19. Januar 1998 und mit Neufeststellungsbescheid vom 8. März 1999 (von der Beklagten zur Post gegeben am 16. März 1999) ab 1. Dezember 1997 eine Altersrente wegen Arbeitslosigkeit oder nach Altersteilzeit. Den o. g. Zeitraum des Dienstes bei der NVA berücksichtigte sie als Pflichtbeitragszeiten zur Rentenversicherung der Angestellten.

Mit dem am 16. April 1999 eingelegten Widerspruch verlangte der Kläger, die Dienstzeit bei der NVA als knappschaftliche Pflichtbeitragszeit zu berücksichtigen, weil sie in die Beschäftigungszeit bei einem knappschaftlichen Betrieb eingebettet gewesen sei und er außerdem vom "Werk zur NVA delegiert" worden sei. Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchbescheid vom 8. November 1999 mit der Begründung zurück, es habe sich bei der betreffenden NVA-Dienstzeit nicht um den Grundwehrdienst (GWD) gehandelt, so dass sie als solche auch nicht rentenrechtlich bewertet werden könne. Der Widerspruchbescheid wurde dem Kläger am 13. November 1999 zugestellt.

Mit der dagegen am 13. Dezember 1999 beim Sozialgericht Halle erhobenen Klage hat der Kläger sein Begehren weiterverfolgt und vorgetragen, dass er vor Inkrafttreten des Wehrpflichtgesetzes als sogenannter "freiwillig Dienender" seinen Wehrdienst abgeleistet habe. Dieser Dienst sei auch Voraussetzung gewesen, später vom Beschäftigungsbetrieb zu einem Studium delegiert zu werden. Faktisch habe daher ein Zwang zur Teilnahme am Wehrdienst bestanden, so dass auch das verfassungsrechtliche Gleichbehandlungsgebot dazu führe, ihn den Grundwehrdienstleistenden gleichzustellen. Die Beklagte hat darauf abgestellt, dass es dafür keine gesetzliche Grundlage gebe.

Das Sozialgericht hat die Klage mit Urteil vom 10. Oktober 2001 abgewiesen und dies im Wesentlichen damit begründet, dass die Vorschrift über die Berücksichtigung des GWD als knappschaftliche Zeit voraussetze, dass eine gesetzliche Pflicht zur Ableistung des Dienstes bestanden haben müsse. Diese Pflicht habe der Kläger nicht gehabt. Eine entsprechende Anwendung komme nicht in Betracht, weil das Gesetz keine Regelungslücke aufweise. Kennzeichnend für die Einordnung und die Privilegierung sei die gesetzliche Pflicht zum Dienst, welcher sich der Leistende nur unter Sanktionen habe entziehen können. Wenn auch ein faktischer Zwang im Hinblick auf das berufliche Fortkommen bestanden habe, sei dieser nicht zu vergleichen mit dem gesetzlichen Zwang. Zudem habe sich dem Gesetzgeber vor dem Hintergrund, da...

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