Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialgerichtliches Verfahren. Aufhebung der Bewilligung von Prozesskostenhilfe wegen Ratenzahlungsrückstand. Abänderungsantrag. Beschwerdeausschluss nach § 73a Abs 8 SGG. Altverfahren. Grundsätze des intertemporalen Prozessrechts

 

Leitsatz (amtlich)

1. Ein möglicher Beschwerdeausschluss nach § 73a Abs 8 SGG idF des Gesetzes zur Änderung des Prozesskosten- und Beratungshilferechts vom 31.8.2013 (PKH/BerHRÄndG), wonach das Gericht über die Erinnerung gegen die Entscheidung des Urkundsbeamten endgültig entscheidet, greift nicht für Altverfahren, bei denen der PKH-Antrag vor dem 1.1.2014 gestellt worden ist. Auch wenn es eine gesonderte Übergangsregelung im PKH/BerHRÄndG für § 73a SGG nicht gibt, ist nach den Grundsätzen des intertemporalen Prozessrechts diese verfahrensrechtliche Änderung auf bei ihrem Inkrafttreten anhängige Rechtsstreitigkeiten nicht anzuwenden, weil sich ein verfassungskonform abweichender Geltungswille des Gesetzes feststellen lässt.

2. Die Bewilligung von PKH darf nicht wegen Zahlungsrückstandes der Raten aufgehoben werden, bevor über einen Abänderungsantrag auf Aufhebung der Ratenzahlungsverpflichtung entschieden worden ist.

 

Tenor

Auf die Beschwerden des Klägers werden die beiden Beschlüsse des Sozialgerichts Halle vom 29. April 2014 (L 2 AS 226/14 B und L 2 AS 227/14 B) und die drei Beschlüsse vom 30. April 2014 (L 2 AS 228/14 B, L 2 AS 229/14 B und L 2 AS 230/14 B) aufgehoben.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

 

Gründe

I.

Der Kläger wendet sich in fünf Verfahren gegen die Aufhebung der Bewilligung von Prozesskostenhilfe gegen Ratenzahlung.

Für fünf Verfahren wegen Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende bewilligte das Sozialgericht Halle (SG) dem Kläger mit Beschlüssen vom 4. Dezember 2013 Prozesskostenhilfe mit einer monatlichen Ratenzahlungsverpflichtung. Die monatliche Ratenzahlungsverpflichtung betrug im Verfahren L 2 AS 226/14 B 135 EUR. In den anderen Verfahren wurden die jeweiligen Ratenzahlungen der anderen Verfahren als Belastungen zusätzlich berücksichtigt. Hieraus ergab sich im Verfahren L 2 AS 227/14 B eine Ratenhöhe von 75 EUR, im Verfahren L 2 AS 228/14 B von 60 EUR, im Verfahren L 2 AS 229/14 B von 30 EUR und im Verfahren L 2 AS 230/14 B ebenfalls von 30 EUR. Der am ... 1986 geborene Kläger, der bei seiner Mutter wohnt, hatte eine pauschale Miete ohne Mietvertrag in Höhe von 200 EUR angegeben. Der Kläger erzielte ein monatliches Einkommen in Höhe von 350 EUR (ohne Abzüge) und erhielt Arbeitslosengeld in Höhe von monatlich 663 EUR. Einen Nachweis für die Mietkosten erbrachte er auf Aufforderung des SG nicht. Bei der Berechnung der Ratenhöhe berücksichtigte die Kammervorsitzende keine Wohnkosten.

Jeweils mit Schreiben vom 13. Dezember 2013 teilte die Kostenbeamtin dem Kläger die Kontoverbindung mit, auf welche er die fälligen Raten ab 1. Januar 2014 zu zahlen habe. Mit Schreiben ebenfalls vom 13. Dezember 2013 stellte der Kläger einen Antrag, die Raten herabzusetzen. Er legte eine eidesstattliche Versicherung vom 25. September 2013 vor, wonach er seit ca. sechs Monaten monatlich 200,00 EUR als Miete in bar an seine Mutter zahle. Die Kammervorsitzende des SG forderte den Kläger ohne Fristsetzung dazu auf, die behaupteten Mietkosten in geeigneter Form nachzuweisen. Er möge mitteilen, wann er die Miete jeweils gezahlt habe und ggf. Quittungen über die Zahlungen vorlegen. Zudem solle er Kontoauszüge der letzten sechs Monate vorlegen. Mit Schreiben vom 27. Januar 2014 wurde der Kläger vom SG darauf hingewiesen, dass er die jeweilige zum 1. Januar 2014 fällige Rate für die Prozesskostenhilfe nicht gezahlt habe. Die Raten seien bis zu einer Entscheidung über die Abänderung zum jeweiligen Fälligkeitstermin zu zahlen. Mit Schreiben vom 9. April 2014 teilte das SG mit, dass beabsichtigt sei, die Bewilligung von Prozesskostenhilfe gegen Ratenzahlung aufzuheben, da der Kläger länger als drei Monate mit der Zahlung seiner Monatsraten in Verzug sei. Der Kläger verwies in der Stellungnahme seiner Prozessbevollmächtigten darauf, dass ein Antrag auf Herabsetzung der Ratenzahlung noch nicht beschieden sei. Solange über diesen Antrag noch nicht entschieden sei, gehe er davon aus, dass jedenfalls die Raten nicht zu zahlen seien, zumal die Wohnkosten nachgewiesen worden seien.

Mit Beschlüssen vom 29. April 2014 bzw. 30. April 2014 hat das SG die Bewilligung der Prozesskostenhilfe für den Kläger durch die Beschlüsse vom 4. Dezember 2013 jeweils aufgehoben. Zur Begründung hat es ausgeführt: Der Kläger sei trotz einer Aufforderung zur Zahlung und eines Hinweises über die Rechtsfolgen länger als drei Monate mit der Zahlung einer Monatsrate im Verzug (§ 124 Abs. 1 Nr. 5 der Zivilprozessordnung - ZPO). Hieran ändere der Antrag des Klägers auf Herabsetzung seiner Raten nichts. Zum einen sei der Kläger bis zur Entscheidung über diesen Antrag weiterhin verpflichtet, seine Raten zu zahlen, zum anderen habe der Kläger eine wesentliche Änderung nicht glaubhaft ...

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