Entscheidungsstichwort (Thema)

Asylbewerberleistungsrecht. Sozialhilfe nach längerem Leistungsbezug. keine Gleichstellung der Leistungsbezugszeit nach § 1a AsylbLG mit der Leistungsbezugszeit nach § 3 AsylbLG. einstweiliger Rechtsschutz. Anordnungsgrund. Vorverfahren. Auslegung eines Widerspruchs. verfassungskonforme Auslegung. Anspruchseinschränkung. zu vertretener Grund iS des § 1a Nr 2 AsylbLG

 

Leitsatz (amtlich)

1. § 2 Abs 1 AsylbLG setzt den tatsächlichen Bezug von Leistungen nach § 3 AsylbLG über eine Zeitdauer von 36 Monaten voraus. Der Bezug von Leistungen nach § 1a AsylbLG oder der bloße Aufenthalt im Geltungsbereich des AsylbLG sind nicht ausreichend.

2. Bei der Erbringung von Leistungen nach § 1a AsylbLG ergibt sich ein Anordnungsgrund für eine einstweilige Anordnung auf Erbringung von Leistungen nach § 3 AsylbLG regelmäßig bereits aus der völligen Einschränkung der wirtschaftlichen Handlungsfreiheit durch die Beschränkung der Leistungen auf das unabweisbar Notwendige.

3. Der Personenkreis nach § 1a Nr 2 AsylbLG umfasst nur Personen, gegen die ausschließlich aus von diesen zu vertretenden Gründen der Vollzug aufenthaltsbeendender Maßnahmen zumindest vorübergehend vollständig ausgeschlossen ist.

 

Orientierungssatz

1. Ein Widerspruch gegen die Ablehnung von Leistungen nach § 2 AsylbLG beinhaltet auch das Begehren nach höheren Leistungen als den bisher bezogenen Leistungen nach § 1a AsylbLG. Zu diesen höheren Leistungen zählen auch Leistungen nach § 3 AsylbLG. Ein hilfsweiser Antrag auf Leistungen nach § 3 AsylbLG neben einem Hauptantrag auf Leistungen nach § 2 AsylbLG ist deshalb nicht mangels Vorverfahren unzulässig.

2. Im Lichte des Art 6 GG stellt die Eheschließung mit einer deutschen Staatsangehörigen keinen vom Leistungsberechtigten zu vertretenen Grund iS des § 1a Nr 2 AsylbLG dar.

 

Tenor

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Die Antragsgegnerin hat dem Antragsteller die Hälfte der außergerichtlichen Kosten für beide Rechtszüge zu erstatten.

 

Gründe

I.

Der Antragsteller begehrt die Gewährung von Leistungen nach § 2 Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG) anstelle von Leistungen nach § 3 AsylbLG.

Der Antragsteller stammt nach eigenen Angaben aus der Republik Cote d'Ivoire. Seinen Antrag auf Anerkennung als Asylberechtigter lehnte das Verwaltungsgerichts Magdeburg mit Urteil vom 26. April 1999 rechtskräftig ab. Bis einschließlich 1. November 2006 war der Antragsteller im Besitz einer Duldung nach § 60a Aufenthaltsgesetz (AufenthG). Mit Wirkung vom 2. November 2006 bis 1. Mai 2007 erteilte ihm die Ausländerbehörde der Antragsgegnerin eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 5 AufenthG, weil er seit dem 21. Oktober 2005 mit einer in H. lebenden deutschen Staatsbürgerin verheiratet ist.

Nach seiner Zuweisung zur Wohnsitznahme im Bereich der Antragsgegnerin stellte der Antragsteller am 16. Februar 1999 einen Antrag auf Leistungen nach dem AsylbLG, die von diesem Tage an zunächst nach § 3 AsylbLG gewährt wurden.

Am 9. November 2000 nahm der Antragsteller zur Klärung seiner Staatsangehörigkeit an einer Sammelvorführung bei der Botschaft der Republik Cote d'Ivoire teil. Dabei konnte die vom Antragsteller behauptete Staatsangehörigkeit durch die Mitarbeiter der Botschaft nicht bestätigt werden. Vielmehr wurde die Vermutung geäußert, dass der Kläger Bürger des Staates Guinea sei und zum Stamm der Pouhl gehöre.

Mit Bescheid vom 19. Dezember 2002 änderte die Beklagte die Leistungsbewilligung an den Kläger und gewährte diesem ab 1. Januar 2001 nur noch Leistungen gem. § 1a AsylbLG. Einen vom Kläger mit Schreiben vom 27. April 2001 erhobenen Widerspruch wies das Landesverwaltungsamt Sachsen-Anhalt mit Widerspruchsbescheid vom 10. Dezember 2004 bestandskräftig zurück.

Mit Bescheid vom 3. Juli 2006 berechnete die Antragsgegnerin die Leistungen des Antragstellers für den Monat Juli 2006 neu und ihm Leistungen nach § 1a AsylbLG in Höhe von 364,83 € einschließlich der Kosten für Unterkunft und Heizung bewilligt. Hiergegen legte der Antragsteller am 19. Juli 2006 Widerspruch ein. Mit diesem begehrte er Leistungen nach § 2 AsylbLG, da er bereits über 36 Monate Leistungen nach dem AsylbLG bezogen habe.

Am 27. Juni 2006 hat der Antragsteller beim Sozialgericht Halle beantragt, die Antragsgegnerin im Wege einer einstweiligen Anordnung zu verpflichten, ihm Leistungen gem. § 2 AsylbLG, hilfsweise nach § 3 AsylbLG zu bewilligen. Zur Begründung hat er erneut darauf verwiesen, seit mehr als 36 Monaten Leistungen nach dem AsylbLG zu beziehen: Für die Berechnung der Frist des § 2 AsylbLG komme es nicht darauf an, ob die Leistungen während dieser Zeit durchgängig nach Maßgabe des § 3 AsylbLG gewährt worden seien oder ob zwischenzeitlich auch ein Bezug reduzierter Leistungen nach § 1a AsylbLG vorgelegen habe. Hierzu verweis er auf eine Entscheidung des Verwaltungsgerichts Hannover.

Mit Beschluss vom 12. September 2006 hat das Sozialgericht den Antrag abgelehnt: Es fehle bereits an einem Anordnungsgrund. Der Antragsteller habe bereits keine Ausführun...

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