Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialgerichtliches Verfahren. einstweiliger Rechtsschutz. Wegfall der aufschiebenden Wirkung. abschließende Regelung für den Bereich der Sozialhilfe iS des § 86a Abs 2 Nr 4 SGG. Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung. Anordnung einer Auflage oder Befristung

 

Orientierungssatz

1. § 93 Abs 3 SGB 12 regelt die aufschiebende Wirkung durch Bundesgesetz iS des § 86a Abs 2 Nr 4 SGG für den Bereich der Sozialhilfe abschließend.

2. Zur Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung bzw der Anordnung der sofortigen Vollziehung durch das Gericht der Hauptsache unter Anordnung einer Auflage oder Befristung iS von § 86b Abs 1 S 3 SGG (hier: durch Anordnung einer Sicherheitsleistung).

 

Tenor

Auf die Beschwerde des Antragsgegners wird der Beschluss des Sozialgerichts Halle vom 20. Mai 2020 geändert und die Beschlussformel neu gefasst: Die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs gegen den Bescheid vom 29. April 2020 wird für den Zeitraum bis zum 6. Mai 2020 ohne Sicherheitsleistung und für den Zeitraum vom 7. Mai bis zum 12. Juni 2020 gegen Sicherheitsleistung in Höhe von insgesamt 2.000,00 € angeordnet. Die Sicherheitsleistung kann durch schriftliche, unwiderrufliche, unbedingte und unbefristete Bürgschaft eines im Inland zum Geschäftsbetrieb befugten Kreditinstituts oder durch Hinterlegung von Geld oder solchen Wertpapieren bewirkt werden, die nach § 234 Abs. 1 und 3 Bürgerliches Gesetzbuch zur Sicherheitsleistung geeignet sind. Im Übrigen wird der Antrag der Antragstellerin abgelehnt.

Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.

Der Antragsgegner hat der Antragstellerin ihre notwendigen außergerichtlichen Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen zu einem Drittel zu erstatten.

 

Gründe

Die Beschwerde des Antragsgegners hat nur teilweise Erfolg. Das Gericht entscheidet nach § 86b Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG) durch Beschluss der Berufsrichter, da ein über das allgemeine Eilbedürfnis des einstweiligen Rechtsschutzes hinausgehendes Eilbedürfnis, das eine Entscheidung durch den Berichterstatter rechtfertigen könnte, nicht ersichtlich ist.

Das Rechtsmittel des Antragsgegners gegen den Beschluss des Sozialgerichts Halle ist zulässig. Die Beschwerde ist nach § 172 Abs. 1 SGG statthaft. Die Statthaftigkeit des Rechtsmittels ist insbesondere nicht gemäß § 172 Abs. 3 Nr. 1 SGG ausgeschlossen. Nach dieser Vorschrift ist die Beschwerde in Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes nicht gegeben, wenn in der Hauptsache die Berufung nicht zulässig wäre. Nach § 144 Abs. 1 Satz 1 und 2 SGG bedarf die Berufung der Zulassung, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes bei einer Klage, die eine Geld-, Dienst- oder Sachleistung oder einen hierauf gerichteten Verwaltungsakt betrifft, 750,00 € nicht übersteigt, soweit die Berufung nicht wiederkehrende oder laufende Leistungen für mehr als ein Jahr betrifft. Der Senat hat hier das Begehren der Antragstellerin, ihr - im Rahmen der Zielvereinbarung vom 25. Juli 2019 und des im Namen des Antragsgegners erlassenen Bescheides des Burgenlandkreises vom 6. August 2019 - Leistungen der Eingliederungshilfe vom 1. Mai bis zum 31. Juli 2020 als Persönliches Budget in Höhe von monatlich 1.758,50 € vorläufig zu zahlen, zugrunde gelegt. Die am 26. Juni 2020 bei dem Senat eingegangene Beschwerde des Antragsgegners ist formgerecht und, ausgehend von der Zustellung des Beschlusses des Sozialgerichts Halle bei dem Antragsgegner am 28. Mai 2020, fristgerecht eingelegt worden (§ 173 SGG).

Der Senat ist gehalten gewesen, die wiederstreitenden Interessen der Beteiligten im Rahmen des effektiven Rechtsschutzes durch die in der Beschlussformel enthaltene Regelung in Einklang zu bringen.

Wesentlich für die vorliegende Entscheidung ist, ob und ab welchem Zeitpunkt die aufschiebende Wirkung von Widerspruch und Anfechtungsklage nach § 86a Abs. 1 Satz 1 SGG entfallen ist. Soweit die aufschiebende Wirkung der Anfechtungsklage (d.h. nicht des Widerspruchs) nach § 86a Abs. 2 Nr. 3 SGG in Angelegenheiten der Sozialversicherung entfällt, werden hiervon die Angelegenheiten der Sozialhilfe nicht erfasst (vgl. z.B. unter Hinweis auf § 51 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 und 5 SGG: Richter in JurisPraxiskommentar zum SGG [JurisPK SGG], § 86a RdNr. 41). Im Übrigen regelt § 93 Abs. 3 Zwölftes Buch Sozialgesetzbuch (Sozialhilfe - SGB XII) die aufschiebende Wirkung durch Bundesgesetz im Sinne des § 86a Abs. 2 Nr. 4 SGG für den Bereich der Sozialhilfe abschließend und erfasst damit nicht den vorliegenden Sachverhalt. Soweit die aufschiebende Wirkung nach § 86a Abs. 2 Nr. 5 SGG in Fällen entfällt, in denen die sofortige Vollziehung im öffentlichen Interesse oder im überwiegenden Interesse eines Beteiligten ist und die Stelle, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, die sofortige Vollziehung mit schriftlicher Begründung des besonderen Interesses an der sofortigen Vollziehung anordnet, ist umstritten, ob die Entscheidung der Behörde oder Widerspruchbehörde nur mit Wirkung für die Zukunft (...

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