Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialgerichtliches Verfahren. Ordnungsgeldbeschluss. zweistufiges Verfahren bei Festsetzung eines Ordnungsgeldes gegen Sachverständigen wegen verspäteter Gutachtenerstattung

 

Leitsatz (amtlich)

Die Festsetzung eines Ordnungsgeldes gegen einen Sachverständigen gemäß § 118 Abs 1 SGG iVm § 411 Abs 2 S 1 ZPO verlangt die Einhaltung eines zweistufigen Verfahrens: Zunächst ist dem Sachverständigen gemäß § 411 Abs 1 ZPO wirksam eine Frist für die Gutachtenerstattung zu setzen (1. Stufe). Erst nach Ablauf dieser Frist kann dem Sachverständigen gemäß § 411 Abs 2 S 2 ZPO eine Nachfrist gesetzt werden (2. Stufe), die mit einer Ordnungsgeldandrohung verbunden sein muss.

 

Tenor

Der Ordnungsgeldbeschluss des Sozialgerichts Magdeburg vom 4. September 2017 wird aufgehoben.

Die Staatskasse hat dem Beschwerdeführer die außergerichtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens zu erstatten.

Im Übrigen werden keine Kosten erhoben.

 

Gründe

I.

Der Beschwerdeführer wendet sich gegen ein ihm auferlegtes Ordnungsgeld wegen eines verspätet erstatteten Gutachtens.

In einem Rechtsstreit zur Höhe des Grades der Behinderung (GdB) hat das Sozialgericht Magdeburg (SG) den Beschwerdeführer mit Beweisanordnung vom 19. September 2016 gemäß § 106 Sozialgerichtsgesetz (SGG) mit der Erstattung eines Gutachtens nach ambulanter Untersuchung beauftragt. Im Anschreiben zur Beweisanordnung vom 19. September 2016 hat das SG wörtlich gegenüber dem Beschwerdeführer ausgeführt: "Sie werden gebeten, das Gutachten möglichst bis zum 31. Januar 2017 zu erstellen. Sollte ihnen dies nicht möglich sein, wird um kurzfristige Rückantwort gebeten."

Am 22. September 2016 hat der Beschwerdeführer ausgeführt, dass eine Untersuchung erst am 28. März 2017 erfolgen könne. Daraufhin hat das SG eine Wiedervorlage für den 1. Mai 2017 mit dem Vermerk: "Frist wird verlängert." notiert.

Mit Schreiben vom 22. Mai 2017 hat das SG gegenüber dem Beschwerdeführer um Sachstandsmitteilung gebeten. Hierauf hat der Beschwerdeführer nicht reagiert. Mit gerichtlichen Schreiben vom 26. Juli 2017 hat der Kammervorsitzende dem Beschwerdeführer nunmehr "eine letzte Frist bis zum 25. August 2017 gesetzt" und im Falle der Nichtvorlage des Gutachtens die Festsetzung eines Ordnungsgeldes von 500,00 EUR gemäß § 411 Abs. 2 Satz 1 Zivilprozessordnung (ZPO) angekündigt. Auch auf dieses Schreiben hat der Beschwerdeführer nicht reagiert.

Mit Beschluss vom 4. September 2017 hat das SG gegen den Beschwerdeführer ein Ordnungsgeld in Höhe von 500,00 EUR festgesetzt.

Am 14. September 2017 hat der Beschwerdeführer dem SG das Sachverständigengutachten übersandt. Weiter hat er gegen den ihm am 14. September 2017 zugestellten Beschluss am selben Tag Beschwerde eingelegt und ausgeführt: Eine raschere Bearbeitung sei wegen des sehr hohen Arbeitsaufkommens nicht möglich gewesen. Die Bearbeitungszeit von 18 Arbeitswochen sei üblich. Die verzögerte Antwort auf die einmalige Mahnung gelte es zu entschuldigen. Er habe sich bis Anfang August 2017 im Urlaub befunden und erst danach das Schreiben zur Kenntnis genommen.

Das SG hat die Beschwerde am 26. September 2017 dem Landessozialgericht Sachsen-Anhalt zur Entscheidung vorgelegt.

Der Beschwerdeführer beantragt nach seinem schriftlichen Vorbringen,

den Beschluss des Sozialgerichts Magdeburg vom 4. September 2017 aufzuheben.

Der Beschwerdegegner beantragt nach seinem schriftlichen Vorbringen,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Er hat geltend gemacht: Das SG habe von seinem Ermessen wegen schuldhaftem Verhalten des Beschwerdeführers zutreffend Gebrauch gemacht. Die notwendige Kostenentscheidung ergebe sich nicht aus § 197a SGG, wie von der h.M. der Sozialgerichtsbarkeit vertreten, sondern aus §§ 118 Abs. 1 Satz 1, 202 SGG, 411 Abs. 2 Satz 4, 97 ZPO.

II.

Die Beschwerde ist zulässig (§§ 172, 173 SGG) und begründet. Der Ordnungsgeldbeschluss vom 4. September 2017 ist aufzuheben.

Nach § 118 Abs. 1 Satz 1 SGG in Verbindung mit § 411 Abs. 2 Satz 1 ZPO kann gegen einen zur Erstattung eines Gutachtens verpflichteten Sachverständigen ein Ordnungsgeld festgesetzt werden. Bevor es zur Festsetzung eines Ordnungsgeldes gegen einen Sachverständigen kommen kann, hat das Gericht nach dem Gesetzeswortlaut in einem zweistufigen Verfahren vorzugehen. Zunächst soll das Gericht gem. § 411 Abs. 1 Satz 1 ZPO bei der Anordnung einer schriftlicher Begutachtung dem Sachverständigen eine Frist setzen, innerhalb derer er das von ihm unterschriebene Gutachten zu übermitteln hat (1. Stufe). Dies kann in der Beweisanordnung selbst oder im weiteren Verlauf des Verfahrens geschehen. Gem. § 411 Abs. 2 Satz 1 ZPO kann gegen den Sachverständigen, welcher die Frist zur Erstattung des Gutachtens versäumt, erst ein Ordnungsgeld festgesetzt werden, wenn dies gem. § 411 Abs. 2 Satz 2 ZPO vorher unter Setzung einer Nachfrist angedroht worden ist (2. Stufe).

Voraussetzung für die Festsetzung eines Ordnungsgeldes nach § 411 Abs. 2 Satz 1 ZpO ist somit eine wirksame Fristsetzung gem. § 411 Abs. 1 Satz 1 ZPO und das ...

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