Entscheidungsstichwort (Thema)

Statthaftigkeit einer Beschwerde gegen ablehnenden PKH-Beschluss. Nichterreichen des Beschwerdewertes der Berufung in der Hauptsache. Einführung des § 172 Abs 3 Nr 2 SGG idF vom 26.03.2008

 

Leitsatz (amtlich)

1. Die Zulässigkeit der Beschwerde gegen die Ablehnung von Prozesskostenhilfe für ein Klageverfahren vor dem Sozialgericht richtet sich gemäß § 73a Abs 1 S 1 SGG nach § 127 Abs 2 S 2 ZPO; § 172 Abs 1 SGG findet keine Anwendung.

2. Nach der bis zum 31.3.2008 geltenden Rechtslage war gemäß § 73a SGG iVm 127 Abs 2 S 2 ZPO die Beschwerde gegen die Ablehnung von Prozesskostenhilfe grundsätzlich statthaft, es sei denn, der maßgebliche Beschwerdewert wurde nicht überschritten. Ausnahmsweise war die Beschwerde aber in diesem Fall doch zulässig, wenn ausschließlich die persönlichen und wirtschaftlichen Voraussetzungen für die Prozesskostenhilfe verneint wurden.

3. Mit Wirkung zum 1.4.2008 ist mit der Einführung von § 172 Abs 3 Nr 2 SGG die Beschwerde gegen die Ablehnung von Prozesskostenhilfe - unabhängig vom Wert des Beschwerdewerts - nunmehr "zusätzlich" und damit immer ausgeschlossen, wenn das Gericht ausschließlich die persönlichen und wirtschaftlichen Voraussetzungen verneint (so auch: LSG Celle-Bremen vom 15.7.2008 - L 12 B 18/07 AL = Breith 2008, 906).

4. Die Beschwerde ist seither nur noch zulässig bei einem Wert des Beschwerdegegenstandes über 750,00 EUR oder bei wiederkehrenden oder laufenden Leistungen für mehr als ein Jahr, wenn Prozesskostenhilfe (auch) wegen mangelnder Erfolgsaussicht abgelehnt worden ist. Die Beschwerde ist hingegen ausgeschlossen, wenn das Gericht in diesen Fällen ausschließlich die persönlichen und wirtschaftlichen Voraussetzungen verneint.

5. Übersteigt hingegen der Wert des Beschwerdegegenstandes 750,00 EUR nicht, ist die Beschwerde seit dem 1.4.2008 immer unstatthaft, unabhängig davon, ob Prozesskostenhilfe wegen mangelnder Erfolgsaussicht oder fehlender wirtschaftlicher Bedürftigkeit abgelehnt worden ist. Dies folgt aus § 73a Abs 1 S 1 SGG iVm § 127 Abs 2 S 2 Halbs 2 ZPO iVm § 172 Abs 3 Ziff 2 SGG.

 

Tenor

Die Beschwerden gegen die Beschlüsse des Sozialgerichts Dessau-Roßlau vom 3. Juni 2008 werden als unzulässig verworfen.

Kosten für die Beschwerdeverfahren sind nicht zu erstatten.

 

Gründe

I.

Der Beschwerdeführer wendet sich gegen die Ablehnung von Prozesskostenhilfe für zwei vor dem Sozialgericht Dessau-Roßlau anhängige Klagen, in denen er höhere Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch - Grundsicherung für Arbeitsuchende (SGB II) wegen eines Mehrbedarfs für kostenaufwändige Ernährung aus medizinischen Gründen begehrt.

Der am 19 geborene Beschwerdeführer ist seit dem 18. September 2002 als schwerbehinderter Mensch mit einem Grad der Behinderung (GdB) von 80 anerkannt (Bescheid des Amtes für Versorgung und Soziales Halle vom 19. Juni 2003). Der Beschwerdeführer lebt mit seiner Lebensgefährtin in einer Bedarfsgemeinschaft und erhält Leistungen nach dem SGB II. Dabei wurde ihm seit dem 1. September 2006 wegen der Folgen einer Krebserkrankung ein ernährungsbedingter Mehraufwand von 25,00 EUR bewilligt.

Der Beschwerdeführer machte am 17. Dezember 2006 und am 24. Januar 2007 weitere Mehrbedarfe für kostenaufwändige Ernährung geltend. Mit Bescheid vom 30. Januar 2007 lehnte der seinerzeit zuständige Landkreis Anhalt-Zerbst die Anträge mit der Begründung ab, bei Diabetes mellitus Typ IIb sei kein Mehrbedarf vorgesehen. Der ernährungsbedingte Mehraufwand wurde rückwirkend ab dem 1. September 2006 auf 25,56 EUR erhöht und der Differenzbetrag nachgezahlt. Ausweislich einer mit dem Widerspruch vom 9. Februar 2007 vorgelegten ärztlichen Bescheinigung der Fachärzte für Allgemeinmedizin Dr. M. und Dipl.-Med. St. vom 5. Februar 2007 sei der Beschwerdeführer u. a. an einem Diabetes mellitus Typ IIb, an einer entzündlichen Darmerkrankung sowie an einem Zustand nach Prostatakarzinom erkrankt. Die Ärzte empfahlen dauerhaft eine Diabetes-Reduktionskost und wegen der Krebserkrankung Vollkost. Den Widerspruch wies der Landkreis Anhalt-Bitterfeld mit Widerspruchsbescheid vom 7. September 2007 zurück.

Auf den Weiterzahlungsantrag des Beschwerdeführers bewilligte der Landkreis Anhalt-Bitterfeld mit Bescheid vom 9. Juli 2007 vorläufig Leistungen für die Bedarfsgemeinschaft vom 1. Juli bis 31. Dezember 2007. Wiederum wurde ein kostenaufwändiger Ernährungsbedarf von 25,56 EUR/Mt. zuerkannt. Den dagegen gerichteten Widerspruch vom 16. August 2007 wies der Landkreis Anhalt-Bitterfeld mit weiterem Widerspruchsbescheid vom 7. September 2007 zurück, weil bei Diabetes mellitus Typ IIb kein Mehrbedarf wegen kostenaufwändiger Ernährung vorgesehen sei.

Gegen den Bescheid vom 9. Juli 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 7. September 2007 hat der Beschwerdeführer am 8. Oktober 2007 Klage beim Sozialgericht Dessau-Roßlau (S 6 AS 1997/07) erhoben. Gegen den Bescheid vom 30. Januar 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 7. September 2007 hat er am 10. Oktobe...

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