Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialhilfe. Eingliederungshilfe. Hilfen zu einer angemessenen Schulbildung. Ermöglichung des Schulbesuchs. Schulwegbegleitung

 

Orientierungssatz

Im Rahmen der Hilfen zu einer angemessenen Schulbildung ist nach § 54 Abs 1 S 1 Nr 1 SGB 12 iVm § 12 Nr 1 BSHG§47V zur Gewährleistung der Erfüllung der allgemeinen Schulpflicht auch das Erreichen der Schule zu ermöglichen.

 

Tenor

Die Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts Magdeburg vom 8. August 2017 wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass der Antragsgegner verpflichtet wird, die Kosten des Schulbegleiters für den täglichen Schulweg vom Wohnort des Antragstellers zur "L.-U.-Schule" und zurück bis zum 27. Juni 2018 zu übernehmen. Der Antragsgegner trägt die erstattungsfähigen außergerichtlichen Kosten des Antragstellers auch im Beschwerdeverfahren.

 

Gründe

I.

Zwischen den Beteiligten ist umstritten, ob die für die Schulwegbegleitung des Antragstellers aufzuwendenden Kosten vom Antragsgegner zu übernehmen sind.

Der am ... 2002 geborene Antragsteller leidet an einem schwerwiegenden frühkindlichen Autismus, einer beidseitigen Innenohrschwerhörigkeit mit Cochlea Implantat rechts und kombinierten Entwicklungsstörungen. Es bestehen erhebliche Stimmungsschwankungen und Phobien. Der Antragsteller reagiert deshalb häufig mit aggressivem und autoaggressivem Verhalten. Zur Vermeidung von Verletzungen trägt er ständig einen Helm. Sein Sprachverständnis ist erheblich eingeschränkt. Er hat keine verbale Sprache entwickelt. Bei ihm sind seit 2009 ein Grad der Behinderung von 100 sowie die Merkzeichen "G", "B", "H", "GL" und "RF" anerkannt.

Der Antragsteller, der bei seinen Eltern lebt, besucht die Förderschule für geistig behinderte Menschen "L.-U.-Schule" in W ... Von Beginn an ist der Einsatz eines Schulbegleiters aus rehabilitationspädagogischer Sicht befürwortet worden. Zuletzt hat die Gutachterin des Reha-pädagogischen Fachdienstes (im Weiteren: RFD) Dipl.-Soz.-Arb. (FH) S. in ihrer Stellungnahme vom 29. Juli 2015 ausgeführt, infolge des Behinderungsbildes des Antragstellers sei in nächster Zeit nicht davon auszugehen, dass sich sein Hilfebedarf während des Schulbesuchs wesentlich ändern werde. Sofern keine entscheidenden Veränderungen im Krankheitsbild und in den Verhaltensweisen bei ihm einträten, könnte zukünftig bei Folgeanträgen eine erneute Beteiligung des RFD entfallen.

Der Landkreis Harz (im Weiteren: Landkreis) bewilligte dem Antragsteller fortlaufend im Namen des überörtlichen Trägers der Sozialhilfe, des Antragsgegners, Leistungen der Eingliederungshilfe für behinderte Menschen gemäß §§ 53, 54 Zwölftes Buch Sozialgesetzbuch (Sozialhilfe - SGB XII) u.a. in der Form der Übernahme der Kosten für einen Schulbegleiter. Mit Bescheid vom 4. August 2015 bewilligte er diese Leistung für den Zeitraum vom 1. August 2015 bis zum 31. Juli 2016. Er anerkannte u.a. die Übernahme von Kosten gemäß § 75 Abs. 4 SGB XII für den Zeitraum vom 27. August 2015 bis zum 31. Juli 2016 in Höhe von 15,06 EUR für 35 Wochenstunden für die Zeit des Unterrichts und die lerntherapeutischen Angebote nach dem Unterricht und in der Ferienzeit.

Nach den unwidersprochenen Angaben des Antragstellers, wonach die Schulbegleitung zunächst auch die Wege zur Schule und nach Hause mitumfasst habe, wies der Landkreis anlässlich des Abschlusses des Dienstleistungsvertrages vom 14. August 2015 zwischen der AWZ-Aus- und Weiterbildungszentrum GmbH H. (im weiteren AWZ) und dem Antragsteller darauf hin, dass die Schulwegbegleitung nicht Bestandteil der Gewährung der Leistung der Eingliederungshilfe sei.

Das Schulverwaltungsamt des Landkreises lehnte den Antrag auf Gestellung und Organisation eines Schulbusbegleiters für den Antragsteller ab. Die Schülerbeförderung zur "L.-U.-Schule" sei durch den Landkreis zu organisieren. Für den Einsatz eines Schulbusbegleiters fehle es jedoch an einer rechtlichen Grundlage (Bescheid vom 26. Mai 2016).

Den am 21. März 2016 gestellten Antrag auf Kostenübernahme einer Schulwegbegleitung für den Transport lehnte der Landkreis im Namen des Antragsgegners ebenfalls ab (Bescheid vom 7. April 2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27. Juni 2016). Im Rahmen des Verfahrens auf Erlass einer einstweiligen Anordnung bewilligte das Sozialgericht Magdeburg dem Antragsteller Eingliederungshilfe in Form der Bewilligung der Kosten eines Schulwegbegleiters bis zum 25. Juni 2017 (Beschluss vom 10. März 2017; S 16 SO 106/16 ER). Auf den Ausführungsbescheid vom 10. April 2017, wonach Kosten für die Schulwegbegleitung aufgrund der Entscheidung des Sozialgerichts nach entsprechender Aufstellung der Kosten übernommen würden, machte der Antragsteller keine Kostenübernahme geltend. Zur Begründung hat er angegeben, es sei ihm für den vom Beschluss erfassten Zeitraum von wenigen Wochen nicht möglich gewesen, eine geeignete Schulwegbegleitung zu organisieren. Seine Schulbegleiterin im Schuljahr 2016/2017 habe es abgelehnt, ihn auf dem Schulweg zu begleiten.

Bereits am...

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