Entscheidungsstichwort (Thema)

Asylbewerberleistung. Anspruchseinschränkung nach § 1a Nr 2 AsylbLG. Verfassungsmäßigkeit. Nichtvollziehbarkeit aufenthaltsbeendender Maßnahmen. Verschulden. fehlende Mitwirkung bei Identitätsfeststellung und Passbeschaffung. unabweisbar gebotene Leistung

 

Leitsatz (amtlich)

§ 1a AsylbLG ist anwendbar. Eine Anspruchseinschränkung setzt das Vorliegen der im Einzelfall zu prüfenden tatbestandlichen Voraussetzungen voraus. Diese liegen vor, wenn die unterlassene Mitwirkung an der Feststellung der Identität und der Beschaffung von Passersatzpapieren ursächlich dafür ist, dass aufenthaltsbeendende Maßnahmen nicht durchgeführt werden können. Eine prozentuale Anspruchseinschränkung begegnet keinen verfassungsrechtlichen Bedenken, soweit die im Ergebnis bewilligten Leistungen den (aus den einzelnen Bedarfen zu errechnenden) unabweisbaren Bedarf im Einzelfall nicht unterschreiten.

 

Tenor

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Kosten sind für das Beschwerdeverfahren nicht zu erstatten.

 

Gründe

I.

Zwischen den Beteiligten ist im Beschwerdeverfahren noch die Verpflichtung des Antragsgegners (im Folgenden: Ag.) zur Zahlung höherer Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG) streitig, soweit nicht das Sozialgericht dem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung in Bezug auf den Antragsteller zu 5. für den Monat Juli 2013 entsprochen hat.

Die Antragsteller und Beschwerdeführer zu 1. bis 5. (im Folgenden: Ast.) sind eine Familie mit einem volljährigen Sohn und zwei Kindern im Alter von elf Jahren. Die Ast. zu 1. und 2. geben eine Einreise nach Deutschland auf dem Landweg am 8. Januar 2010 sowie eine irakische Staatsangehörigkeit kurdischer Volkszugehörigkeit und yezidischer Religionszugehörigkeit an. Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge lehnte die Asylanträge der Ast. zu 1. bis 4. mit am 15. Februar 2011 bestandskräftig gewordenem Bescheid vom 14. September 2010 und den Asylantrag des Ast. zu 5. mit am 15. Februar 2011 bestandskräftig gewordenem Bescheid vom 15. September 2010 ab. Zur Begründung der Entscheidung stellte das Bundesamt im Wesentlichen darauf ab, die Ast. hätten keine Personaldokumente vorlegen können und hierzu lediglich vorgetragen, im Irak keinerlei Papiere besessen zu haben. Die Ast. seien nicht in der Lage gewesen, einfache Fragen im Zusammenhang mit den im angeblichen Herkunftsland üblichen Personaldokumenten zu beantworten. Nach den auf der Grundlage von Sprachaufzeichnungen erstellten Gutachten vom 4./5. September 2010 betreffend die Ast. zu 1. und 2. stehe fest, dass die Ast. nicht aus dem Irak stammen könnten. Auf Grund der sprachlichen Besonderheiten des von den Ast. zu 1. und 2. gesprochenen nordkurdischen Dialektes Kurmanci gingen die Gutachten mit Sicherheit von einer sprachlichen Zuordnung zur Herkunftsregion der GUS-Staaten aus; eine geografische Zuordnung zur Herkunftsregion Irak sei ausgeschlossen worden.

Die Ast. zu 1. bis 5. verfügten zunächst bis zum 31. Oktober 2010 (nach mehrfacher Verlängerung) über eine Aufenthaltsgestattung. Seit Ende dieses Aufenthaltstitels erfolgte ihre Duldung (§§ 60a Abs. 2, 61 Abs. 1 Aufenthaltsgesetz (AufenthG)), die zuletzt für den Ast. zu 5. bis zum 31. Juli 2014 und für die Ast. zu 1. und 2. (unter Einbeziehung der Ast. zu 3. und 4.) bis zum 26. August 2014 verlängert wurde. Die Ast. wurden mit Bescheiden vom 6. April 2010 der Gemeinschaftsunterkunft der Zentralen Anlaufstelle für Asylbewerber in der L. E. zugewiesen. Zum 1. September 2010 bezog die Familie eine Mietwohnung in der L. E. und zum 1. November 2011 eine etwas größere Wohnung in demselben Haus. Der Ast. zu 5. lebt seit dem 1. September 2013 nicht mehr in einem Haushalt mit den Ast. zu 1. bis 4.

Die Ast. bezogen ab dem 6. April 2010 Grund- und Zusatzleistungen nach § 3 Abs. 1 und 2 AsylbLG bei Übernahme der Kosten der Gemeinschaftsunterkunft (Bescheid vom 6. April 2010 in der Gestalt des Bescheides vom 1. September 2010). Ab dem 1. September 2010 leistete der Ag. die Kosten für Unterkunft, Heizung, Betriebskosten und Strom an den Vermieter.

Auf die diesbezügliche Anfrage des Ag. teilte die Ausländerbehörde des Landkreises mit Antwortschreiben im Ankreuzverfahren vom 9. November 2010 mit, als von den Ast. zu vertretende Gründe, "woraufhin" aufenthaltsbeendende Maßnahmen nicht vollzogen werden könnten, liege eine gezielte Verschleierung der Identität durch falsche Angaben vor. Der Ag. hörte die Ast. zu 1. und 2. mit Schreiben vom 24. November 2010 zu einer beabsichtigten Anspruchseinschränkung nach § 1a AsylbLG ab dem 1. Dezember 2010 an und lud die Ast. zu 1., 2., und 5. zu einer persönlichen Vorsprache. Mit Datum vom 19. Oktober 2010 habe die Ausländerbehörde die Aufenthaltsgestattung der Adressaten verlängert und deren Staatsangehörigkeit als "ungeklärt" eingestuft. Im Rahmen der persönlichen Anhörung des Ast. zu 1. "+ Familie" am 30. November 2010 unter Hinzuziehung eines Dolmetschers gaben die Ast. zu 1., 2. und 5. an, sie wüssten nicht, warum die Ausl...

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