Entscheidungsstichwort (Thema)

Einstweiliger Rechtsschutz. fehlende Glaubhaftmachung des Anordnungsanspruchs und -grundes. Grundsicherung für Arbeitsuchende. Einkommensberücksichtigung. Zahlungen aus Privatdarlehen. Zweifel an der Wirksamkeit bzw Ernsthaftigkeit des Darlehensvertrages und der Rückzahlungspflicht. Hilfebedürftigkeit. Erwerbseinkommen. Freibeträge. Zweckbestimmung

 

Leitsatz (amtlich)

1. Da ein Geldzufluss aus einem Darlehen, das mit einer zivilrechtlich wirksamen Rückzahlungsverpflichtung belastet ist, im SGB 2 nicht als Einkommen zu berücksichtigen ist (vgl BSG vom 17.6.2010 - B 14 AS 46/09 R = BSGE 106, 185-190 = SozR 4-4200 § 11 Nr 30), sind an den Nachweis des Abschlusses und der Ernstlichkeit eines Darlehensvertrags nicht nur unter Verwandten, sondern auch unter Bekannten strenge Anforderungen zu stellen, um ein Darlehen eindeutig von einer Schenkung oder einer sonstigen nicht rückzahlbaren Unterstützungsleistung abzugrenzen.

2. Gewährt ein privater Darlehensgeber nur kurz nach einer ersten Darlehensvereinbarung ein weiteres Darlehen in nicht unbeträchtlicher Höhe (hier: 20.000 EUR), obwohl die laut erstem Darlehensvertrag vereinbarte Rückzahlung in monatlichen Raten durch den Darlehensnehmer tatsächlich nicht erfolgt, ergeben sich Zweifel an der Wirksamkeit der Darlehensvereinbarung, weil diese dem sog Fremdvergleich nicht stand hält.

3. Soweit Antragsteller nach Aufforderung durch Leistungsträger und Gericht ihre Einkommens- und Vermögensverhältnisse nicht vollständig offenlegen, insbesondere Kontoauszüge nur zu einem Teil der Konten vorlegen, und die Existenz anderer Kontoverbindungen, die auf ein Kontenabrufersuchen vom Bundeszentralamt für Steuern mitgeteilten wurden, schlicht bestreiten, gelingt im einstweiligen Rechtsschutzverfahren die Glaubhaftmachung der Hilfebedürftigkeit und des Leistungsanspruchs regelmäßig nicht.

 

Normenkette

SGB II §§ 9, 11, 11b Abs. 2-3, § 22 Abs. 1; SGG § 86b Abs. 2 S. 2

 

Tenor

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Kosten sind nicht zu erstatten.

 

Gründe

I.

Die Antragsteller und Beschwerdeführer begehren von dem Antrags- und Beschwerdegegner im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes die vorläufige Gewährung von Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) für die Monate Februar und März 2015.

Die 1968 geborene Antragstellerin zu 1 und der 1964 geborene Antragsteller zu 2 sowie die im Juni 2010 geborenen gemeinsamen Töchter, die Antragstellerinnen zu 3 und 4, standen bis Ende März 2014 im laufenden Bezug von SGB II-Leistungen. Die Antragstellerin zu 1 ist von Beruf Diplom-Betriebswirtin und Steuerfachwirtin. Der Antragsteller zu 2 ist Volkswirt. Sie sind mit mehreren Firmen selbständig tätig. Für die Antragstellerinnen zu 3 und 4 wird ein monatliches Kindergeld in Höhe von je 215 EUR gezahlt.

Die Antragstellerin zu 1 erwarb im laufenden SGB II-Leistungsbezug mit notariellem Kaufvertrag vom 31. Januar 2014 eine Eigenheim zum Gesamtkaufpreis von 55.000 EUR, der in Raten fällig war. Eine Rate von 25.000 EUR sollte nach Eintragung der Auflassungsvormerkung, 12 monatliche Raten zu je 500 EUR sollten ab März 2014 sowie eine Abschlussrate von 24.000 EUR am 1. März 2015 gezahlt werden. Die Antragsteller sanierten das Haus mit einem Kostenaufwand von mindestens 35.000 EUR, den sie nach ihren Angaben mit einem von einer Bekannten ausgereichten Darlehen finanzierten. Zum 1. März bezogen sie das Haus. Den Immobilienerwerb zeigten sie dem Antragsgegner nicht an; vielmehr erklärten sie, sie seien in ein angemietetes Haus umgezogen und machten - unter Vorlage von Teilen eines Mietvertrags - als KdU ab März 2014 eine monatliche Kaltmiete von 500 EUR zuzüglich Nebenkosten von insgesamt 176 EUR geltend.

Für den Bewilligungszeitraum von Februar bis Juli 2014 hatte der Antragsgegner den Antragstellern vorläufige monatliche Leistungen in einer Gesamthöhe von 202 EUR gewährt. In dem sich anschließenden Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes hatte das Sozialgericht Dessau-Roßlau (SG) den Antragsgegner zunächst verpflichtet, den Antragstellern im Bewilligungszeitraum weitere SGB II-Leistungen zu zahlen. Mit Beschluss vom 10. Juli 2014 hatte der Senat den Beschluss des SG aufgehoben und den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung abgelehnt (Aktenzeichen: L 4 AS 206/14 B ER). Die Antragsteller hätten ihre Hilfebedürftigkeit nicht glaubhaft gemacht. Sie hätten bis Anfang April 2014 über erhebliche Geldbeträge verfügt, aus denen sie ihren Lebensunterhalt hätten bestreiten können. Insbesondere die Vorgänge im Zusammenhang mit dem Kauf des Eigenheims im März 2014 und die ungeklärten Finanzierung von Kaufpreis und Sanierungsaufwendungen ließen erhebliche Zweifel an der Hilfebedürftigkeit aufkommen. Es sei davon auszugehen, dass die Antragsteller zu 1 und 2 aus ihren selbständigen Tätigkeiten höhere Gewinne als die eingeräumten 800 EUR monatlich erzielten, oder sie über weitere - bislang verschwiegene - Vermögenswerte oder sonstige Einkommens...

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