Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialgerichtliches Verfahren. Rechtsanwaltsvergütung. Verfahrensgebühr. Entstehung und Höhe. Berücksichtigung von anwaltlichen Tätigkeiten. zeitlich beschränkte Gewährung von Prozesskostenhilfe. Abstellen auf den Beiordnungszeitpunkt

 

Leitsatz (amtlich)

Wird die Gewährung von Prozesskostenhilfe im Bewilligungs- und Beiordnungsbeschluss hinsichtlich ihres Wirksamwerdens zeitlich beschränkt, sind für die Bemessung der Verfahrensgebühr nur die anwaltlichen Tätigkeiten von Bedeutung, die ab dem Beiordnungszeitpunkt vorgenommen werden.

 

Orientierungssatz

Zu den Voraussetzungen des Entstehens und der Bestimmung der Höhe der Verfahrensgebühr nach Nr 3102 RVG-VV.

 

Tenor

Auf die Beschwerde werden der Beschluss des Sozialgerichts Dessau-Roßlau vom 4. März 2016 sowie der Prozesskostenhilfe-Festsetzungsbeschluss des Urkundsbeamten des Sozialgerichts Dessau-Roßlau in dem Verfahren S 14 AS 1339/12 vom 28. Oktober 2014 abgeändert.

Die aus der Prozesskostenhilfe an die Erinnerungsführerin zu erstattende Vergütung wird auf einen Betrag in Höhe von insgesamt 619,40 EUR festgesetzt.

Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.

Kosten sind nicht zu erstatten.

 

Gründe

I.

Die Beteiligten streiten über die Höhe der aus der Staatskasse zu erstattenden Rechtsanwaltsvergütung für ein Verfahren vor dem Sozialgericht (SG) Dessau-Roßlau (Aktenzeichen: S 14 AS 1339/12), in welchem die Erinnerungsführerin, Erinnerungsgegnerin und Beschwerdegegnerin (im Folgenden: Beschwerdegegnerin) die Kläger vertreten und das SG Prozesskostenhilfe erst ab einem bestimmten Stichtag bewilligt hatte.

Die beiden Kläger standen beim Jobcenter Dessau-Roßlau (Beklagter des vor dem SG geführten Ausgangsverfahrens) im laufenden Bezug von Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch - Grundsicherung für Arbeitsuchende (SGB II). Im Hinblick auf eine von der Klägerin zu 1) aufgenommene schulische Ausbildung zur Ergotherapeutin hob das Jobcenter mit Aufhebungs- und Erstattungsbescheid vom 14. Dezember 2011 die zuvor mit Bescheid vom 19. Juli 2011 erfolgte Leistungsbewilligung für den Zeitraum von August bis November 2011 unter Berufung auf § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz (SGB X) gegenüber der Klägerin zu 1) in Höhe von monatlich 464,73 EUR (Regelbedarf und Mehrbedarf) und gegenüber dem Kläger zu 2) in Höhe von monatlich 49,27 EUR (Sozialgeld) teilweise auf und forderte Beträge in Höhe von insgesamt 2.056,00 EUR zurück. Die Klägerin zu 1) habe dem Grunde nach Anspruch auf Leistungen nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz (BAföG), so dass ein Leistungsausschluss gegeben sei. Mit Änderungsbescheid vom 4. Januar 2012 reduzierte der Beklagte die Rückforderung auf insgesamt 1.780,00 EUR, wobei nunmehr Beträge in Höhe von viermal 92,00 EUR sowie viermal 81,00 EUR für Kosten der Unterkunft und Heizung (KdU) zurückgefordert wurden. Gegen den Bescheid vom 14. Dezember 2011 legten die Kläger am 30. Januar 2012 Widerspruch ein. Auf Nachfrage teilten sie mit, der Widerspruch sei als gegen den Bescheid vom 4. Januar 2012 gerichtet auszulegen. Mit Widerspruchsbescheid vom 8. Mai 2012 verwarf der Beklagte den Widerspruch als unzulässig.

Am 4. Juni 2012 erhoben die Kläger, anwaltlich vertreten durch die Beschwerdegegnerin, Klage vor dem SG. Gleichzeitig beantragten sie die Bewilligung von Prozesskostenhilfe unter Beiordnung der Beschwerdegegnerin. Mit Schreiben vom 7. August 2012 gewährte das SG der Beschwerdegegnerin Einsicht in die Verwaltungsakte des Beklagten. Nach einer Betreibensaufforderung trugen die Kläger mit Anwaltsschriftsatz vom 10. Juli 2013 zur Begründung der Klage vor, sie hätten gegen den Bescheid vom 4. Januar 2012 ordnungsgemäß Widerspruch eingelegt. Außerdem habe der Beklagte den nach dem SGB II maßgeblichen Bedarf im Hinblick auf einen Abzug von Kosten für die Warmwasserzubereitung von den Heizkosten unzutreffend ermittelt. Im Übrigen wäre als Rechtsgrundlage nur § 45 SGB X in Betracht gekommen. Die Kläger hätten auf die Rechtmäßigkeit der ursprünglichen Bewilligung vertrauen dürfen. Außerdem seien die Voraussetzungen eines Leistungsausschlusses nicht gegeben gewesen.

Am 20. Februar 2014 reichten die Kläger eine "Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse bei Prozess- oder Verfahrenskostenhilfe" nebst Anlagen beim SG ein.

Mit Beschluss vom 14. April 2014 bewilligte das SG den Klägern für den ersten Rechtszug Prozesskostenhilfe ohne Ratenzahlungsverpflichtung ab dem 20. Februar 2014 und ordnete die Beschwerdegegnerin zur Wahrnehmung ihrer Interessen bei.

Am 3. September 2014 fand vor dem SG ein Erörterungstermin statt, welcher 1:07 Stunden dauerte und in welchem auch ein weiteres zwischen denselben Beteiligten geführtes Verfahren (S 14 AS 1403/12) erörtert wurde. In diesem Termin wies das SG daraufhin, dass es sich bei der Rückforderung von Leistungen für KdU um eine Verböserung gehandelt haben dürfte und die Voraussetzungen des § 45 SGB X da...

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