Entscheidungsstichwort (Thema)

Arbeitslosengeld II. Unterkunft und Heizung. Heizkostennachforderung. Betriebsstrom. keine Übernahme von Verzugs-, Mahn- und Gerichtskosten und keine darlehensweise Übernahme von Energieschulden bei Fehlverhalten des Leistungsempfängers. Provokation einer Versorgungssperre. einstweiliger Rechtsschutz. keine vorläufige Bewilligung von Leistungen für die Heizung vor Abschluss eines neuen Versorgungsvertrages

 

Leitsatz (amtlich)

1. Ein Anspruch auf weitere Leistungen für Heizkosten besteht, wenn Nachforderungen des Versorgers für abgelaufene Bewilligungszeiträume auf zu gering bewilligten Leistungen nach dem SGB 2 beruhen. Dafür sind die für die Heizkosten bewilligten Beträge mit den im Bewilligungszeitraum angefallenen Heizkosten abzüglich der Kosten der Warmwasserbereitung zu vergleichen.

2. Zu den Heizkosten gehören auch die - ggf zu schätzenden - Kosten für den Betriebsstrom der Heizungsanlage.

3. Vom Energieversorger in Rechnung gestellte Verzugs-, Mahn- und Gerichtskosten des Energieversorgers gehören jedenfalls dann nicht zu den KdU, wenn der Leistungsbezieher sie verursacht hat, indem er die bewilligten Leistungen für Heizkosten nur teilweise an den Versorger abgeführt und den aus der Regelleistung zu erbringenden Wassererwärmungsanteil gar nicht gezahlt hat.

4. Die Gewährung eines Darlehens zur Begleichung von Energieschulden ist nicht gerechtfertigt, wenn der Leistungsempfänger in Kenntnis der drohenden Energiesperre die ihm neben den laufenden Leistungen bewilligten und ausgezahlten Nachzahlungsbeträge nicht zur Schuldentilgung nutzt.

5. Hat der Leistungsberechtigte durch sein Zahlungsverhalten die Versorgungssperre bewusst provoziert, bedarf es - insbesondere in den Sommermonaten - keines gerichtlichen Einschreitens mittels einstweiliger Anordnung. Eine Warmwasserbereitung mit Kochtopf oder Wasserkocher sowie der Verzicht auf die Badbeheizung sind dann zumutbar.

6. Solange kein (neuer) Vertrag über die Versorgung mit Heizenergie abgeschlossen ist, bedarf es im einstweiligen Rechtsschutz keiner vorläufigen Bewilligung von Leistungen für die Heizkosten.

 

Tenor

Der Beschwerdegegner wird verpflichtet, dem Beschwerdeführer vorläufig für die Zeit vom 1. Januar bis 30. Juni 2011 weitere 449,42 EUR sowie für die Zeit vom 1. Juli bis 31. Dezember 2011 weitere 8,37 EUR/Monat zu bewilligen. Von diesem Betrag sind seitens des Beschwerdegegners 407,64 EUR direkt an die H Energie GmbH & Co. KG zu zahlen. Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.

Der Beschwerdegegner hat 1/10 der außergerichtlichen Kosten des Beschwerdeführers für beide Rechtszüge zu erstatten.

 

Gründe

I.

Der Antragsteller und Beschwerdeführer wendet sich gegen einen Beschluss des Sozialgerichts Magdeburg, das seinen einstweiligen Rechtsschutzantrag auf vorläufige Bewilligung höherer Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch - Grundsicherung für Arbeitsuchende (SGB II) abgelehnt hat. Er begehrt u.a. höhere Leistungen für die Heizkosten sowie die Übernahme von Zahlungsrückständen beim Gasversorger.

Der am 1964 geborene Beschwerdeführer bezieht seit Januar 2005 Leistungen nach dem SGB II. Er bewohnt eine 58,87 qm große Eigentumswohnung im ersten Obergeschoss eines 1962 erbauten Hauses. Dieses besteht aus vier Wohneinheiten und ist nicht wärmegedämmt. In der Wohnung des Beschwerdeführers sind noch die originalen Doppelfenster vorhanden. Für Hausgeld sind monatlich 112,00 EUR aufzuwenden. Die Beheizung und die Warmwassererwärmung erfolgen über eine Kombigastherme. Der Beschwerdeführer bezog bis zum Ausbau des Gaszählers am 6. Mai 2011 Erdgas von der H Energie GmbH & Co. KG (im Folgenden: H. Energie). Diese berechnet einmal jährlich die monatlich zu zahlenden Abschläge in Höhe eines Zwölftels des geschätzten Jahresverbrauchs und erhebt für elf Monate Abschlagszahlungen. Die Jahresrechnung erfolgt in dem Monat, in dem keine Abschläge fällig sind. Der Beschwerdegegner hat in der Vergangenheit für den Abrechnungsmonat keine laufenden Leistungen für die Heizkosten berücksichtigt.

Die Nachforderung der H Energie für den Verbrauchszeitraum vom 2. November 2007 bis 5. November 2008 hatte der Beschwerdegegner teilweise als Zuschuss und teilweise als Darlehen übernommen (Bescheide vom 19. Januar 2009). Dabei war der Beschwerdeführer auf die Unangemessenheit seiner Heizkosten hingewiesen worden. Angemessen seien 64,90 EUR/Monat (59 qm x 1,10 EUR laut Richtlinie des Beschwerdegegners), die ab Dezember 2008 für die Heizkosten bewilligt würden.

Die H Energie hatte für den Verbrauchszeitraum vom 6. November 2008 bis 28. Oktober 2009 mit der Jahresrechnung vom 11. November 2009 einen Restbetrag von 171,32 EUR gefordert (Rechnungsbetrag Erdgas 1.076,22 EUR abzgl. Abschlagszahlungen i.H.v. 920,90 EUR zzgl. 16,00 EUR Verzugs- und Bankkosten). Die Abschläge wurden auf 79,00 EUR von Dezember 2009 bis Juli 2010, 71,00 EUR von August bis September 2010 und 83,00 EUR im Oktober 2010 festgesetzt. In der Folge hatte die H Energie die geleisteten Ab...

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