Verfahrensgang

SG Mainz (Gerichtsbescheid vom 25.05.1995; Aktenzeichen S 7 Ar 360/94)

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 27.06.1996; Aktenzeichen 11 RAr 1/96)

 

Tenor

1. Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Mainz vom 25.5.1995 wird zurückgewiesen.

2. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

3. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Der Kläger wendet sich dagegen, daß die Beklagte bei der Höhe des ihm bewilligten Arbeitslosengeldes (Alg) Abzüge für Kirchensteuer macht, obwohl er keiner Kirche angehört.

Die Beklagte bewilligte dem 1939 geborenen, keiner Konfessionsgemeinschaft angehörenden kinderlosen Kläger, auf dessen Lohnsteuerkarte seit dem 1.8.1994 die Steuerklasse 3 eingetragen war, ab dem 11.8.1994 Alg für 832 Tage in Höhe von DM 536,40 wöchentlich (Bescheid vom 4.7.1994). Der Bewilligung liegt ein gerundetes durchschnittliches Bruttoarbeitsentgelt von DM 1.390,– DM wöchentlich zugrunde, die Leistungsgruppe C (Steuerklasse 3) und ein Prozentsatz von 60 vH. Davon sind Abzüge für Kirchensteuer gemacht worden.

Am 4.10.1994 legte der Kläger Widerspruch ein mit der Begründung, beim Alg dürften keine Abzüge für Kirchensteuer gemacht werden, da er keiner Konfession angehöre. Die Beklagte lehnte den Antrag auf Neufeststellung – wie sie den Widerspruch auslegte – mit Bescheid vom 9.11.1994 ab, da die Leistungssätze gemäß § 111 Abs. 2 Arbeitsförderungsgesetz (AFG) durch den Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung durch Rechtsverordnung bestimmt würden. Dabei habe dieser u.a. Abzüge für Kirchensteuer zu machen und könne die individuelle Konfessionslosigkeit eines Arbeitslosen nicht berücksichtigen.

Nach erfolglos durchgeführtem Widerspruchsverfahren (Widerspruchsbescheid vom 9.12.1994) hat der Kläger am 13.12.1994 beim Sozialgericht Mainz (SG) Klage erhoben.

Am 14.12.1994 und am 2.1.1995 hat die Beklagte Änderungsbescheide erteilt, durch welche sie dem Kläger aufgrund eines nachträglich berücksichtigten höheren Bruttoarbeitsentgelts Alg in Höhe von DM 549,60 wöchentlich bewilligte.

Das SG hat die Klage nach Anhörung durch Gerichtsbescheid vom 25.5.1995 abgewiesen. Zur Begründung seiner Entscheidung hat es ausgeführt: Die Höhe des dem Kläger bewilligten Alg sei nicht zu beanstanden. Bei der Berechnung des Alg sei von einem individuell zu ermittelnden Arbeitsentgelt (Bemessungsentgelt) auszugehen. Dieses sei nicht individuell um die im Einzelfall anfallenden gesetzlichen Abzüge zu mindern, sondern die Minderung erfolge pauschal und ergebe sich aus einer vom Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung für jedes Kalenderjahr nach bestimmten gesetzlichen Merkmalen erlassenen Leistungsverordnung. Neben der Lohnsteuer, den Beiträgen zur gesetzlichen Krankenversicherung, zur gesetzlichen Rentenversicherung und zur Bundesanstalt für Arbeit seien als gesetzliche Abzüge, die bei Arbeitnehmern gewöhnlich anfallen, vom Verordnungsgeber auch die Kirchensteuern zu berücksichtigen, und zwar mit dem im Vorjahr in den Ländern geltenden niedrigsten Kirchensteuer-Hebesatz, wie sich aus § 111 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 AFG ergebe. Besondere Leistungssätze für Arbeitslose, deren Entgelt einer Kirchensteuerpflicht nicht unterliege, seien vom Gesetz nicht vorgesehen. Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) habe diese Regelung mit dem Grundgesetz für vereinbar erklärt (Beschluß vom 23.3.1994 – 1 BvL 8/85).

Gegen den ihm am 12.6.1995 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger am 23.6.1995 Berufung eingelegt und vorgetragen, daß nach Ansicht des BVerfG in seinem vom SG zitierten Beschluß Anlaß zu einer Prüfung durch den Gesetzgeber bestehe. Auch das Hessische Landessozialgericht habe in seinem Beschluß vom 30.1.1985 gegen die steuerliche Generalisierung der Kirchensteuer verfassungsrechtliche Bedenken geäußert. Diesen Bedenken schließe er sich an.

Der Kläger beantragt,

unter Aufhebung des Gerichtsbescheides des Sozialgerichts Mainz vom 25.5.1995 und des Bescheides der Beklagten vom 9.11.1994 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 9.12.1994, ferner unter Änderung der Bescheide der Beklagten vom 4.7.1994, 14.12.1994 und 2.1.1995 die Beklagte zu verurteilen, ihm ab dem 11.8.1994 Arbeitslosengeld ohne Abzug des Kirchensteuer-Hebesatzes zu gewähren, vorsorglich,

die Revision zuzulassen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält den angefochtenen Gerichtsbescheid für zutreffend.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Leistungsakte der Beklagten, Stamm-Nr. … und die Gerichtsakte Bezug genommen; ihr wesentlicher Inhalt war Gegenstand der mündlichen Verhandlung.

 

Entscheidungsgründe

Die Berufung ist zulässig gemäß §§ 143, 144 Sozialgerichtsgesetz (SGG), da es sich bei den vom Kläger beanstandeten Leistungen um solche für mehr als ein Jahr handelt, außerdem der Wert des Streitgegenstandes (832 Tage × ca DM 2,60) DM 1.000,– überschreitet.

Die Berufung ist jedoch nicht begründet. Zu Recht hat das SG einen Anspruch des Klägers auf Gewährung von Alg ohne Abzug von Kirchensteuern...

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