Entscheidungsstichwort (Thema)

Wirtschaftlichkeitsprüfung im vertragsärztlichen Bereich. Rechtswidrigkeit der Entscheidung der Prüfgremien über die Bildung einer Vergleichsgruppe bei fehlender Vergleichbarkeit. Praxisbesonderheit. kein Schutz des Arztes vor dem Vorwurf der unwirtschaftlichen Verordnungsweise bei Beachtung der Heilmittelrichtlinien

 

Orientierungssatz

1. Die Entscheidung der Prüfgremien für die Heranziehung einer bestimmten Vergleichsgruppe ist nur dann rechtswidrig, wenn die maßgebenden Leistungsbedingungen des zu prüfenden Arztes und der gewählten Gruppe so verschieden sind, dass von vornherein keine verwertbaren Aussagen über die Wirtschaftlichkeit oder Unwirtschaftlichkeit einer Leistung oder eines Leistungskomplexes zu erwarten sind (vgl BSG vom 14.12.2005 - B 6 KA 4/05 R = SozR 4-2500 § 106 Nr 12 = juris RdNr 16). Insbesondere rechtfertigt der Umstand, dass in der Praxis eines Orthopäden die Anzahl der selbst erbrachten physikalisch-medizinischen Leistungen unter dem der Fachgruppe liegt, nicht die Bildung einer verfeinerten Vergleichsgruppe.

2. Praxisbesonderheiten sind Umstände, die aus der Zusammensetzung der Patienten herrühren, sich auf das Behandlungsverhalten des Arztes auswirken und in den Praxen der Vergleichsgruppen nicht in entsprechender Weise anzutreffen sind (vgl BSG vom 23.2.2005 - B 6 KA 79/03 R = USK 2005-108 = juris RdNr 20). Insbesondere rechtfertigt der Umfang der operativen Leistungen nicht die Annahme einer Besonderheit.

3. Aus der Rechtsprechung des BSG (vgl BSG vom 29.11.2006 - B 6 KA 7/06 R = SozR 4-2500 § 125 Nr 3 = juris RdNr 23) kann nicht abgeleitet werden, der Arzt sei bei Beachtung der Heilmittelrichtlinien vor dem Vorwurf der unwirtschaftlichen Verordnungsweise generell geschützt. Aus der Entscheidung ergibt sich lediglich, dass dem Arzt, der sich an die Frequenzvorgaben hält, ein Verordnungsübermaß bezogen auf einen einzelnen Patienten nicht angelastet werden kann. Er ist aber nicht vor dem Vorhalt geschützt, dass er in der Gesamtsumme aller Patienten - falls er bei zu vielen Patienten jeweils das Frequenzmaß ausschöpft - zu viele Verordnungen tätige.

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 21.03.2012; Aktenzeichen B 6 KA 18/11 R)

BSG (Beschluss vom 29.08.2011; Aktenzeichen B 6 KA 18/11 R)

 

Tenor

1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Mainz vom 22.10.2008 wird zurückgewiesen.

2. Der Kläger trägt auch die Kosten des Berufungsverfahrens. Außergerichtliche Kosten der Beigeladenen sind nicht zu erstatten.

3. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Der Kläger wendet sich gegen von dem Beklagten angeordnete Heilmittelregresse für die Quartale 2/2000 bis 4/2002 in Höhe von 56.811,44 €.

Der Kläger ist als Orthopäde zur vertragsärztlichen Versorgung im Bereich der zu 1 beigeladenen Kassenärztlichen Vereinigung zugelassen. Die Fallzahlen des Klägers in den streitgegenständlichen Quartalen sind unterdurchschnittlich, dies gilt auch für den Rentneranteil. Die Gesamthonorarforderung liegt etwa 20% unter dem Fachgruppendurchschnitt. Bei der Verordnung von Heilmitteln stellt sich der statistische Vergleich mit dem Durchschnitt der Fachgruppe wie folgt dar:

2/2000

Versicherten-Gruppe

Heilmittelkosten-durchschnitt Arzt DM/Fall

Heilmittelkosten-durchschnitt Fachgruppe DM/Fall

Abweichung %

Mitglieder

135,39

48,10 

+ 181 

Familienversicherte

 91,80

38,34 

+ 139 

Rentner

115,48

43,52 

+ 165 

Gesamt

121,21

44,66 

+ 171 

Nach Gewichtung des Rentneranteils

44,89 

+ 170 

3/2000

Versicherten-Gruppe

Heilmittelkosten-durchschnitt Arzt DM/Fall

Heilmittelkosten-durchschnitt Fachgruppe DM/Fall

Abweichung %

Mitglieder

107,07

46,46 

+ 130 

Familienversicherte

 81,81

40,45 

+ 102 

Rentner

132,76

45,51 

+ 192 

Gesamt

108,77

44,96 

+ 142 

Nach Gewichtung des Rentneranteils

45,12 

+ 141 

4/2000

Versicherten-Gruppe

Heilmittelkosten-durchschnitt Arzt DM/Fall

Heilmittelkosten- durchschnitt Fachgruppe DM/Fall

Abweichung %

Mitglieder

 84,41

44,52 

+ 90   

Familienversicherte

 88,18

35,97 

+ 145 

Rentner

154,84

44,16 

+ 251 

Gesamt

103,09

42,64 

+ 142 

Nach Gewichtung des Rentneranteils

42,67 

+ 142 

1/2001

Versicherten-Gruppe

Heilmittelkosten- durchschnitt Arzt DM/Fall

Heilmittelkosten-durchschnitt Fachgruppe DM/Fall

Abweichung %

Mitglieder

104,51

48,47 

+ 116 

Familienversicherte

121,26

36,79 

+ 230 

Rentner

136,87

48,54 

+ 182 

Gesamt

116,61

46,12 

+ 153 

Nach Gewichtung des Rentneranteils

45,97 

+ 154 

2/2001

Versicherten-Gruppe

Heilmittelkosten-durchschnitt Arzt DM/Fall

Heilmittelkosten-durchschnitt Fachgruppe DM/Fall

Abweichung %

Mitglieder

109,87

45,36 

+ 142 

Familienversicherte

128,83

38,25 

+ 237 

Rentner

 97,70

44,37 

+ 120 

Gesamt

111,22

43,60 

+ 155 

Nach Gewichtung des Rentneranteils

43,42 

+ 156 

3/2001

Versicherten-Gruppe

Heilmittelkosten-durchschnitt Arzt DM/Fall

Heilmittelkosten-durchschnitt Fachgruppe DM/Fall

Abweichung %

Mitglieder

 95,29

36,79 

+ 159 

Familienversicherte

 82,11

33,85 

+ 143 

Rentner

 95,50

37,96 

+ 152 

Gesamt

 92,14

36,57 

+ 152 

Nach Gewichtung des Rent...

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