Entscheidungsstichwort (Thema)

Krankenversicherung. elektronische Gesundheitskarte. kein Anspruch auf Ausstellung eines anderen Berechtigungsnachweises. Verfassungsmäßigkeit

 

Orientierungssatz

1. Ein gesetzlich Krankenversicherter hat keinen Anspruch auf Ausstellung eines anderen Berechtigungsnachweises als die elektronische Gesundheitskarte (eGK).

2. Die gesetzlichen Regelungen zur Ausgestaltung und Verwendung der eGK verletzen nicht das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung (Anschluss an BSG vom 18.11.2014 - B 1 KR 35/13 R = BSGE 117, 224 = SozR 4-2500 § 291a Nr 1).

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 20.01.2021; Aktenzeichen B 1 KR 7/20 R)

 

Tenor

1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Trier vom 19.06.2018 wird zurückgewiesen.

2. Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

3. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Klägerin wendet sich gegen die Nutzung einer elektronischen Gesundheitskarte (eGK) und begehrt die rechtliche Überprüfung der Bestimmungen über die eGK.

Die Klägerin, die bei der Beklagten freiwillig krankenversichert ist, beantragte im Juli 2015, ihr einen Versicherungsnachweis in papiergebundener Form für das 3. Quartal 2015 auszustellen. In ihrem Schreiben vom 07.07.2015 führte sie aus, sie habe einen Versichertennachweis nur befristet für zwei Wochen erhalten. Für diese Befristung bestehe keine gesetzliche Grundlage. Sie sei auch nicht bereit, ein Foto für die eGK zur Verfügung zu stellen. Die Beklagte teilte der Klägerin mit Schreiben vom 22.07.2015 mit, nach § 15 Abs. 2 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) sei zur Inanspruchnahme von (zahn)ärztlichen Leistungen ein Versicherungsnachweis vorzulegen. Der Nachweis müsse mit der eGK geführt werden. Sogenannte Behandlungsscheine sehe das Gesetz nicht vor. Dies habe auch das Bundessozialgericht (BSG) in seinem Urteil vom 18.11.2014 - B 1 KR 35/13 R - bestätigt. Die Klägerin wies darauf hin, dass sie nicht nur der Einführung der eGK, sondern auch der Telematikinfrastruktur widerspreche. Inwiefern die Technik wirklich sicher sei, sei vom BSG nicht überprüft worden. Zudem habe sich das BSG in seiner Annahme, die durch die eGK gespeicherten Daten gingen nicht über die Angaben gemäß § 291a SGB V hinaus, getäuscht. Mit Bescheid vom 09.09.2015 teilte die Beklagte der Klägerin mit, es bestehe kein Anspruch auf Ausstellung einer Ersatzbescheinigung. Dies habe das BSG in seiner Entscheidung vom 18.11.2014 eindeutig festgestellt. Ein von der Klägerin gestellter Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung blieb ohne Erfolg (Beschluss des Sozialgerichts Trier vom 29.07.2016 - S 3 KR 293/15 ER -; Beschluss des Landessozialgerichts - LSG - Rheinland-Pfalz vom 28.10.2016 - L 5 KR 232/16 B ER). Den Widerspruch der Klägerin gegen die Ablehnung der Beklagten, ihr gegen einen Behandlungsschein in papiergebundener Form auszustellen, wies die Beklagte durch Widerspruchsbescheid vom 25.01.2017 zurück.

Hiergegen hat die Klägerin am 22.02.2017 Klage erhoben und insbesondere vorgetragen, sie wende sich gegen die Telematikinfrastruktur. Es gebe keine Datensicherheit. Durch die eGK und die Telematikinfrastruktur erfolge eine Aufbereitung der Gesundheitsdaten einer ganzen Nation. Es werde nicht lange dauern, bis die ersten Übergriffe stattfänden und die Daten in die Hände von Geheimdiensten und Datenhändlern gelangten (vgl. im Einzelnen Schriftsatz vom 14.03.2017 mit Anlagen, Bl. 9 bis 237 Gerichtsakte - GA -). Durch Urteil vom 19.06.2018 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, die Klägerin habe keinen Anspruch gegen die Beklagte auf Ausstellung eines anderen Berechtigungsnachweises als die eGK. Gemäß § 15 Abs. 2 SGB V hätten Versicherte, die ärztliche, zahnärztliche oder psychotherapeutische Behandlung in Anspruch nähmen, dem Arzt, Zahnarzt oder Psychotherapeuten vor Beginn der Behandlung ihre eGK zum Nachweis der Berechtigung zur Inanspruchnahme von Leistungen auszuhändigen. Jeder Versicherte sei damit grundsätzlich zur Nutzung der eGK verpflichtet. Das Gericht folge insoweit der Auffassung des BSG im Urteil vom 18.11.2014 - B 1 KR 35/13 R -, dass die Versicherten kraft Gesetzes eine Obliegenheit treffe, die eGK in ihrer gesetzlichen Ausgestaltung einzusetzen. Die Nachweisobliegenheit bezwecke neben der Missbrauchsabwehr die Schaffung der Möglichkeit zur Abrechnung von Leistungen (§ 291 Abs. 1 Satz 1 SGB V) und Übermittlung ärztlicher Verordnungen (§ 291a Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 SGB V). Versicherte hätten keinen Anspruch auf die von der Klägerin gewünschte Ausnahme. Zwar sehe § 15 SGB V die Erteilung von Ersatzbescheinigungen als Möglichkeit vor. Ersatzbescheinigungen in Fällen der Verweigerung gegenüber der eGK seien danach aber nicht zu erteilen. Das Gericht sehe keinen Anlass, den Rechtsstreit gemäß Artikel 100 Grundgesetz (GG) auszusetzen und dem Bundesverfassungsgericht (BVerfG) die in Rede stehenden Regelungen zur verfassungsrechtlichen Prüfung vorzulegen, da es keinen Zwe...

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