Verfahrensgang

SG Mainz (Urteil vom 15.05.1990; Aktenzeichen S 6 Ar 92/89)

 

Tenor

1. Unter Abänderung des Urteils des Sozialgerichts Mainz vom 15.5.1990 und der aufgrund der Alhi-Verfügungen der Beklagten vom 11.4.1989, vom 22.2.1990, vom 2.3.1990 und vom 26.3.1990 ergangenen Leistungsbescheide wird die Beklagte verurteilt, dem Kläger für die Zeit vom 8.7.1989 bis 2.4.1990 Alhi ohne Anrechnung eines Unterhaltsanspruches gegen seinen Adoptivvater zu gewähren.

2. Die Beklagte wird verurteilt, dem Kläger die außergerichtlichen Kosten beider Rechtszüge zu erstatten.

3. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten darüber, ob bei der Bemessung der dem Kläger seit dem 8.7.1989 zustehenden Arbeitslosenhilfe (Alhi) ein Unterhaltsanspruch gegen den Adoptivvater zu berücksichtigen ist.

Der Kläger ist 1951 geboren und hat eine Ausbildung zum Einzelhandelskaufmann abgeschlossen. Seine Mutter verstarb 1986. Sein Adoptivvater ist 1914 geboren; 1988 bezog er eine Versichertenrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung (einschließlich Beitragszuschuß und abzüglich des Beitrages zur Krankenversicherung der Rentner – KVdR –) in Höhe von DM 2.038,96 (1990 = DM 2.087,94) sowie eine Versorgungsrente von der Zusatzversorgungskasse in Darmstadt (ZVK) in Höhe von DM 1.167,69 (1990 = DM 1.127,74). An Versicherungsprämien waren 1990 DM 472,99 monatlich aufzubringen.

Der Kläger meldete sich nach einer Hilfsarbeitertätigkeit in der Zeit vom 30.1.1978 bis zum 25.5.1979 (Chemische Fabrik B.) erstmals am 3.7.1979 arbeitslos. In der Folgezeit erhielt er Leistungen von der Beklagten und vom örtlichen Träger der Sozialhilfe, unterbrochen von einer Zeit der Inhaftierung (10.9. bis 16.11.1982) und verschiedenen Beschäftigungszeiten. In der Zeit vom 28.7.1980 bis zum 15.1.1982 bestand ein Arbeitsverhältnis als Winzergehilfe. Später betrieb er in den Jahren 1984 und 1985 einen Getränkehandel. Vom 25.9.1987 bis zum 18.3.1988 arbeitete er als Bauwerker. Danach bezog er in der Zeit vom 19.3. bis zum 14.4.1988 Krankengeld.

Für die Zeit ab dem 29.6.1988 bewilligte die Beklagte für einen mit dem 13.3.1989 endenden Bewilligungsabschnitt Alhi nach einem gerundeten wöchentlichen Arbeitsentgelt von DM 560 (Leistungsgruppe A; Vomhundertsatz = 56). Auf den wöchentlichen Leistungssatz von DM 206,40 rechnete sie einen vom Kläger nicht verwirklichten Unterhaltsanspruch gegen den Adoptivvater in Höhe von wöchentlich DM 90,96 an. Der seit dem 29.6.1988 ausgezahlte wöchentliche Leistungssatz betrug demnach DM 115,44 (DM 206,40 – DM 90,96 = DM 115,44).

Die Höhe des angeblichen Unterhaltsanspruches (= DM 90,96) errechnete die Beklagte wie folgt:

DM

2.038,96

DM

1.167,69

(+)

Versorgungsbezüge

DM

3.206,65

Freibetrag

DM

1.630,00

(-)

DM

1.576,65

wöchentliches Einkommen

DM

363,84

(DM 1.576,65 × 3: 13)

25 vH des wöchentlichen Einkommens

DM

90,96

(DM 363,84: 4)

Eine Unterhaltsklage gegen seinen Adoptivvater vor dem Amtsgericht – Familiengericht – Sobernheim (– 5 F 339/88 –) nahm der Kläger zurück, nachdem ein Antrag auf Prozeßkostenhilfe abgelehnt worden war. Der Adoptivvater verweigert Unterhaltszahlungen.

Gegen die am 17.8.1988 verfügte Alhi-Bewilligung legte der Kläger am 6.9.1988 Widerspruch ein, den die Beklagte durch Widerspruchsbescheid vom 20.3.1988 zurückwies. Der Kläger sei auf unterster Qualifikationsstufe vermittelbar. Um einen Unterhaltsanspruch gegen den wirtschaftlich leistungsfähigen Adoptivvater zu erwerben, treffe ihn die Obliegenheit, sich selbst intensiv um eine Arbeit zu bemühen. Zur Erfüllung dieser Obliegenheit reiche es nicht aus, sich nur einmal pro Woche zu bewerben. Auch das Bundessozialgericht habe entschieden, daß sich ein Alhi-Empfänger nach Meldung beim Arbeitsamt nicht völlig passiv verhalten dürfe, sondern selbst bemüht sein müsse, seine wirtschaftliche Bedürftigkeit zu beseitigen (Urteil vom 7.9.1988 – 11/7 RAr 81/87 –). Indem der Kläger seiner Erwerbsobliegenheit nicht nachgekommen sei, habe er in Höhe des damit nicht bestehenden Unterhaltsanspruchs seine Bedürftigkeit selbst herbeigeführt. In diesem Umfang sei deshalb der wöchentliche Leistungssatz zu kürzen. Eine entsprechende Regelung enthalte der am 30.12.1988 in kraft getretene § 10 Nr. 3 Arbeitslosenhilfe-Verordnung (Alhi-VO), der durch Verordnung vom 20.12.1988 (BGBl I S 2598) angefügt wurde.

Am 21.4.1989 hat der Kläger Klage erhoben.

Nach Rechtshängigkeit hat er einen Antrag auf Weiterbewilligung von Alhi nach dem Ende des Bewilligungsabschnittes am 13.3.1989 gestellt. Daraufhin hat die Beklagte ein Sachverständigengutachten ihres Ärztlichen Dienstes vom 13.3.1989 über mögliche Einschränkungen der Verfügbarkeit des Klägers eingeholt. Der Arbeitsamtsarzt S. S. (Arbeitsamt Bad K.) gelangte zu der Einschätzung, daß dem Kläger eine Arbeit als Weinbau- oder Gartenbauarbeiter aus ärztlicher Sicht nicht mehr zumutbar sei. Auch als Verkaufsfahrer sei der Kläger nicht mehr einsetzbar. Mittelschwere Arbeiten (Heben und Tragen bis 10 kg) seien in wechselnden Körperhaltungen volls...

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