Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialhilfe. örtliche Zuständigkeit. Wechsel von ambulant betreuter Wohnmöglichkeit in stationäre Einrichtung. gemischte Einrichtungskette. Zuständigkeit des Sozialhilfeträgers am letzten gewöhnlichen Aufenthaltsort vor Aufnahme in die Einrichtung. keine Anwendung des § 98 Abs 2 S 2 SGB 12. Erstattungsanspruch. Analogie. Regelungslücke

 

Orientierungssatz

1. Die Regelung des § 98 Abs 2 S 2 SGB 12 zur örtlichen Zuständigkeit ist bei Wechseln zwischen ambulant- und stationär-betreuten Wohnmöglichkeiten weder direkt noch analog anzuwenden.

2. Wenngleich der Rechtsgedanke des § 98 Abs 2 S 2 SGB 12 für eine Kette verschiedener betreuter Wohnformen ohne die zwischenzeitliche Begründung eines gewöhnlichen Aufenthalts außerhalb einer solchen auch im Rahmen des § 98 Abs 5 SGB 12 Anwendung finden kann (vgl BSG vom 25.8.2011 - B 8 SO 7/10 R = BSGE 109, 56 = SozR 4-3500 § 98 Nr 1), ist bei der fehlenden Regelung gemischter Ketten aus betreuten Wohnformen und stationären Einrichtungen im Hinblick auf den Ausnahmecharakter der Vorschrift gegenüber der allgemeinen Regelung des § 98 Abs 1 SGB 12 von einer bewussten Nichtregelung dieser Konstellation durch den Gesetzgeber auszugehen.

 

Normenkette

SGB XII § 98 Abs. 2 S. 2, Abs. 5, §§ 13, 106 Abs. 1-2; SGB I § 30 Abs. 1 S. 2; SGB IX § 14 Abs. 4

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 05.07.2018; Aktenzeichen B 8 SO 32/16 R)

 

Tenor

1.Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Koblenz vom 19.03.2015 wird zurückgewiesen.

2. Der Kläger hat auch die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

3. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird endgültig auf 58.843,49 € festgesetzt.

4. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

In Streit steht die Erstattung von Kosten in Höhe von (iHv) 58.843,49 € für Leistungen der Eingliederungshilfe und zum Lebensunterhalt nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch - Sozialhilfe - (SGB XII), die der Kläger in der Zeit vom 01.12.2011 bis 31.12.2013 zu Gunsten des Hilfeempfängers P G (im Folgenden: Hilfeempfänger) erbracht hat.

Der 1948 geborene und unter Alkoholproblemen leidende Hilfeempfänger bezog ab dem 01.04.2007 Rente wegen voller Erwerbsminderung von der Deutschen Rentenversicherung (DRV) Saarland. Bis April 2007 war er in M   , im Zuständigkeitsbereich des beklagten Landes, wohnhaft. In der Zeit vom 20.04.2007 bis 08.03.2010 war der Hilfeempfänger sodann in dem A  (A H ) Therapiezentrum B   , welches sich im Zuständigkeitsbereich des Klägers befindet, vollstationär untergebracht. Die Kosten hierfür trug der Beklagte. Nach seiner Entlassung am 08.03.2010 lebte der Hilfeempfänger bis zum 30.11.2011 in einem von ihm selbst angemieteten Zimmer in einer Wohngemeinschaft in O   , wurde jedoch weiter durch das A  Therapiezentrum B   betreut. Die Kosten für die Betreuung im Umfang von zwei Fachleistungsstunden pro Woche und "Tagesstruktur" an drei Tagen pro Woche übernahm der Beklagte gemäß §§ 53, 54 SGB XII, § 55 Sozialgesetzbuch Neuntes Buch - Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen - (SGB IX) als Eingliederungshilfe für behinderte Menschen (Bescheide vom 27.07.2010 und vom 09.02.2011).

Mit Schreiben vom 23.09.2011, welches am 28.09.2011 bei dem Beklagten einging, beantragte der Hilfeempfänger durch seine Betreuerin erneut die Übernahme der Kosten für eine vollstationäre Unterbringung im A  Therapiezentrum B   . Er sei in der vergangenen Zeit mehrmals rückfällig geworden. Eine Stabilisierung durch eine Arbeitstherapie und ambulante Betreuung scheine nicht erreichbar.

Diesen Antrag leitete der Beklagte mit Schreiben vom 06.10.2011 an den Kläger weiter. Gemäß § 98 Abs 2 Satz 1 SGB XII sei für die stationäre Leistung der Träger der Sozialhilfe zuständig, in dessen Bereich der Leistungsberechtigte seinen gewöhnlichen Aufenthalt habe. Dieser liege im Falle des Hilfeempfängers in O   .

Am 01.12.2011 wurde der Hilfeempfänger stationär in das A Therapiezentrum B   aufgenommen. Er verstarb am 05.09.2014.

Mit Bescheid vom 16.12.2011 bewilligte der Kläger als zweitangegangener Rehabilitationsträger neben der einen Barbetrag iHv 98,50 € monatlich umfassenden Hilfe zum Lebensunterhalt und Grundsicherungsleistungen iHv 614,00 € monatlich auch die Übernahme der monatlich ungedeckten Heimunterbringungskosten im Rahmen der Eingliederungshilfe für behinderte Menschen ab dem 01.12.2011.

Mit Schreiben vom 10.09.2012 machte der Kläger gegenüber dem Beklagten einen Erstattungsanspruch nach § 14 Abs 4 SGB IX in Verbindung mit (iVm) §§ 102 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz - (SGB X) der bis dato und zukünftig entstehenden Kosten geltend. Der Hilfeempfänger habe sich unter der Kostenträgerschaft des Beklagten in einer ambulanten Maßnahme befunden, so dass der Beklagte gemäß § 98 Abs 5 SGB XII auch für die ab dem 01.12.2011 begonnene stationäre Maßnahme zuständiger Kostenträger bleibe.

Der Kläger bezifferte mit Schreiben vom 19.08.2013 die Forderung für die Zeit vom 01.12.2011 bis 30.06.2013 auf 45.554,55...

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