Entscheidungsstichwort (Thema)

Wiederaufleben. Hinterbliebenenrente. frühere Ehefrau. Wiederverheiratung. Rentenantrag. Ermessensentscheidung. Kann-Leistung. Rechtsanspruch. Klagbarkeit

 

Leitsatz (amtlich)

War die als Ermessensleistung ausgestaltete Geschiedenen-Witwenrente nach AVG § 28 Abs. 3 Satz 2 a.F., RVO § 1256 Abs. 4 a.F. bei Wiederheirat noch nicht beantragt, bestand zu diesem Zeitpunkt kein Anspruch, der nach Auflösung der Ehe wiederaufleben konnte.

 

Normenkette

AVG §§ 79, 68 Abs. 2-3, § 28 Abs. 3 a.F.; RVO §§ 1300, 1291 Abs. 2-3, § 1256 Abs. 4 a.F.; SGB I § 40; SGG § 77; BGB § 194 Abs. 1

 

Verfahrensgang

SG Koblenz (Urteil vom 12.10.1979; Aktenzeichen S 3 A 112/78)

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 03.06.1981; Aktenzeichen 11 RA 50/80)

 

Tenor

1. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Koblenz vom 12. Oktober 1979 aufgehoben. Die Klage wird abgewiesen.

2. In beiden Rechtszügen entstandene außergerichtliche Kosten haben die Beteiligten einander nicht zu erstatten.

3. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die im … 1903 geborene Klägerin war in ihrer im Juli 1943 geschiedenen ersten Ehe mit dem im Oktober 1944 gefallenen Versicherten E. W. verheiratet. Im Oktober 1946 heiratete sie ihren zweiten Ehemann J. O., der im … 1960 verstorben ist. Im August 1960 beantragte die Klägerin erstmals, ihr Hinterbliebenenrente aus der Angestelltenversicherung des Versicherten zu zahlen. Diesen Antrag lehnte die Beklagte durch Bescheid vom 30. Mai 1961 mit der Begründung ab, die Klägerin habe bis zu ihrer Wiederverheiratung keine Hinterbliebenenrente beansprucht und auch keine erhalten; ein Anspruch auf Hinterbliebenenrente könne jedoch nur in dem im Zeitpunkt des wegfalle gewährten Umfang Wiederaufleben. Die gegen diesen Bescheid gerichtete Klage wies das Sozialgericht (SG) Koblenz durch rechtskräftiges Urteil – S 14 An 216/61 – vom 25. Oktober 1961 ab.

Mit Schreiben vom 29. Juni 1977 hat die Klägerin zu überprüfen, ob ihr aufgrund geänderter Rechtsprechung nunmehr ein Anspruch auf wiederaufgelebte Geschiedenen-Witwenrente zustehe. Unter Hinweis auf den bindend gewordenen Bescheid vom 30. Mai 1961 verneinte die Beklagte durch Bescheid vom 10. Oktober 1977 erneut einen Anspruch nach § 68 Angestellten-Versicherungsgesetz (AVG). Dieser Entscheidung widersprach die Klägerin mit der Behauptung, der Bescheid vom 30. Mai 1961 sei durch die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) überholt; das Wiederaufleben setze weder einen Rentenbezug noch einen Rentenantrag voraus. Durch Bescheid vom 21. Juni 1978 wies die Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück. Sie führte dazu aus, die Klägerin habe im Zeitpunkt der Wiederheirat keinen Anspruch auf Hinterbliebenenrente gehabt, der Wiederaufleben könne, weil geschiedene Ehefrauen nach dem Tode ihren früheren Ehemannes nur Ermessensleistungen hätten erhalten können.

Gegen diesen Widerspruchsbescheid hat die Klägerin rechtzeitig bei der Beklagten die Klage eingereicht. Sie hat vorgetragen, allein entscheidend sei, daß sie alle Voraussetzungen zur Bewilligung einer Geschiedenen-Witwenrente nach den damals geltenden §§ 28 AVG, 1256 Reichsversicherungsordnung (RVO) erfüllt habe.

Durch Urteil vom 12. Oktober 1979 hat das SG Koblenz die Beklagte unter Aufhebung ihres Bescheides vom 10. Oktober 1977 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21. Juni 1978 verurteilt, über den Antrag der Klägerin vom 29. Juni 1977 auf Gewährung einer wiederaufgelebten Geschiedenen-Witwenrente aus der Angestelltenversicherung des Versicherten unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu entscheiden, Es hat sich dabei auf den Standpunkt gestellt, das Wiederaufleben von Kannleistungen sei nicht ausgeschlossen; da im Zeitpunkt des Todes des Versicherten die Mindestvoraussetzungen zum Bezug einer Geschiedenen-Witwenrente gegeben gewesen seien, müsse die Beklagte nunmehr im Rahmen ihres Ermessens darüber entscheiden, ob der Rentenzahlung an die Klägerin irgendwelche Umstände entgegengestanden hätten.

Gegen dieses ihr am 30. Oktober 1979 zugestellte Urteil hat die Beklagte mit Eingang beim Landessozialgericht (LSG) Rheinland-Pfalz in Mainz au 28. November 1979 Berufung eingelegt.

Sie trägt vor:

Das erstinstanzliche Urteil könne weder verfahrensrechtlich noch materiell-rechtlich überzeugen. Das SG habe übersehen, daß es sich hier um einen Überprüfungsbescheid nach §§ 79 AVG, 1300 RVO handele. Der bindende Bescheid vom 30. Mai 1961 sei nach wie vor nicht zu beanstanden. Es könne dahinstehen, ob die Klägerin bei ihrer Wiederheirat die Voraussetzungen für eine Geschiedenen-Witwenrente erfüllt habe. Diese sei damals eine Fürsorgeleistung gewesen, auf die einerseits kein Rechtsanspruch bestanden und die andererseits eine behördliche Genehmigung mit anspruchsbegründender Wirkung erfordert habe. Die Ermessensentscheidung könne nicht nachgeholt, die Genehmigung nicht ersetzt werden.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des SG Koblenz vom 12. Oktober 1979 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

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