Entscheidungsstichwort (Thema)

Krankenversicherung. Arzneimittel-Festbetrag. Genehmigungsfiktion. Anspruch auf Erstattung der über den Festbetrag hinausgehenden Kosten

 

Orientierungssatz

Ein Versicherter hat im Rahmen der Genehmigungsfiktion des § 13 Abs 3a SGB 5 einen Anspruch auf Erstattung der über den Festbetrag hinausgehenden Kosten eines Arzneimittels (hier: Antra Mups).

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 26.02.2019; Aktenzeichen B 1 KR 23/18 R)

 

Tenor

1. Auf die Berufung des Klägers werden das Urteil des Sozialgerichts Koblenz vom 3.4.2017 sowie der Bescheid der Beklagten vom 22.7.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 8.10.2014 abgeändert. Die Beklagte wird verurteilt, dem Kläger Kosten für das Arzneimittel Antra Mups 20 in Höhe von 649,41 € zu erstatten und dem Kläger das begehrte Arzneimittel zukünftig auf vertragsärztliche Verordnung ohne Begrenzung auf den Festbetrag zu gewähren.

2. Die Beklagte hat dem Kläger die außergerichtlichen Kosten beider Rechtszüge zu erstatten.

3. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Umstritten ist ein Anspruch auf Erstattung der über den Festbetrag hinausgehenden Kosten des Arzneimittels Antra Mups 20.

Der 1943 geborene Kläger, bei der Beklagten krankenversichert, beantragte bei der Beklagten am 5.6.2014 (Zeitpunkt des Eingangs des Antrags bei der Beklagten) die Befreiung vom Eigenanteil bezüglich des Medikaments Antra Mups 20 mg. Er legte eine Bescheinigung des behandelnden Internisten Dr W vor, wonach er zur Behandlung seiner chronischen Gastritis das Medikament benötigte. Der Kläger erklärte, er leide seit zehn Jahren an Magenproblemen; sein behandelnder Arzt habe immer wieder versucht, kostengünstigere Medikamente einzusetzen; es habe sich jedoch schnell herausgestellt, dass er dann Magenprobleme bekomme; nach der erneuten Verordnung von Antra Mups 20 gehe es ihm besser.

Die Ärztin im Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) Dr P führte  in ihrer Stellungnahme vom 20.6.2014 aus: Nach der Rechtsprechung   des Bundessozialgerichts (BSG) bestehe ein Anspruch auf Erstattung eines über den Festbetrag hinausgehenden Eigenbetrags, wenn die Verwendung des Festbetragsarzneimittels zu unerwünschten Nebenwirkungen führen würde. Um dies festzustellen, sei ein Nachweis über die in den letzten fünf Jahren zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung verordneten Medikamente erforderlich. Daran fehle es vorliegend. Die Beklagte legte dem MDK sodann die geforderten Unterlagen vor. Die Ärztin Dr P hielt in ihrer Stellungnahme vom 16.7.2014 fest, der Antrag des Klägers könne nicht befürwortet werden, da bei diesem keines der innerhalb der Festbetragsgruppe erhältlichen Arzneimittel zum Einsatz gekommen sei; ein Ausnahmefall, der eine Arzneimittelversorgung ohne Beschränkung auf die Festbetragsgrenze rechtfertige, liege daher nicht vor. Mit Bescheid vom 22.7.2014 und Widerspruchsbescheid vom 8.10.2014 lehnte die Beklagte die Übernahme der Mehrkosten für das Arzneimittel Antra Mups 20 ab. Zur Begründung führte sie aus: Das begehrte Arzneimittel falle unter die Festbetragsregelung, was zur Folge habe, dass die Krankenkasse nur den Festbetrag zu erbringen habe. Begehre der Versicherte ein teureres Arzneimittel, müsse er die Mehrkosten selbst tragen. Eine Ausnahme davon sei beim Kläger nicht möglich. Den vorliegenden Unterlagen sei nicht zu entnehmen, dass alle zur Verfügung stehenden Präparate der Festbetragsgruppe zum Einsatz gekommen seien. Nebenwirkungen durch die Behandlung mit Festbetragsarzneimitteln seien nicht nachgewiesen.

Am 4.11.2014 hat der Kläger Klage erhoben und vorgetragen: Er habe ein Jahr lang ein anderes Medikament ausprobiert, aber dann wieder erhebliche Magenprobleme bekommen. Erst nachdem ihm  Dr W wieder Antra Mups 20 verschrieben habe, sei es ihm sofort besser gegangen. Sämtliche alternativen Medikamente (Omep Mut 20 mg; Omeprazol Basics 20 mg; Omeprazol Basics 20 mg Kmr ) seien bei ihm ausprobiert worden. Jedesmal habe sich sein Gesundheitszustand verschlimmert, und er habe erhebliche Magenbeschwerden bekommen. Zuletzt sei er anlässlich einer Operation sieben Tage lang mit einem anderen Medikament, das den Wirkstoff Omeprazol beinhaltet habe, behandelt worden. Am achten Tag habe er erbrechen müssen und nichts mehr zu sich nehmen können. Die Beklagte hat eine Liste der verordneten Arzneimittel vorgelegt und vorgetragen, aus dieser sei nicht ersichtlich, dass alle zum Festbetrag erhältlichen Arzneimittel der Festbetragsgruppe angewandt worden seien.

Das Sozialgericht (SG)  hat  die  Unterlagen  des  behandelnden  Arztes  Dr W     beigezogen. Dazu hat sich die Ärztin im MDK Dr L in einem Gutachten vom Januar 2016 geäußert: Die zum Festbetrag erhältlichen Alternativen aus der Festbetragsgruppe der Protonenpumpenhemmer seien nicht ausgeschöpft. Zum Festbetrag erhältlich seien neben dem in Antra Mups (R) enthaltenen Wirkstoff Omeprazol weitere Wirkstoffe aus der Gruppe der Protonenpumpenhemmer , die vom Gemeinsamen Bundesausschuss (GBA) derselben Festbetrags...

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