Verfahrensgang

SG Trier (Urteil vom 16.04.1997; Aktenzeichen S 5 U 328/95)

 

Tenor

1. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Trier vom 16.4.97 insoweit aufgehoben, als die Beklagte verurteilt wurde, dem Kläger Verletztenrente auch für die Zeit vom 17.11.1981 bis 31.12.1984 zu gewähren. Im übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.

2. Die Beklagte hat neun Zehntel der außergerichtlichen Kosten des Klägers zu erstatten.

3. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten nur noch um den Zeitpunkt des Beginns der Verletztenrente des Klägers, nachdem sie sich über die Höhe des Jahresarbeitsverdiensts in einem Teilvergleich geeinigt haben.

Der am … 1940 geborene Kläger absolvierte von 1955 bis 1958 eine Lehre zum Stahlbauschlosser. Von 1958 bis 1959 war er bei der Firma F. V. und von 1959 bis 1960 bei der Firma J. L. als Fahrer tätig. Von 1960 bis 1964 war er bei der Firma D. KG versicherungspflichtig beschäftigt. Nach einer kurzzeitigen Beschäftigung als Verkaufsfahrer in einem Margarinewerk von 1964 bis 1965 war er von 1965 bis 1976 erneut für die Firma D. als Schachtmeister tätig. Danach führte er selbständig eine Gaststätte.

Vom 17.11.1981 bis 27.11.1981 wurde der Kläger stationär behandelt. Wie Prof. Dr. N. in einem von der Beklagten beigezogenen Arztbrief vom 2.12.1981 ausführte, klagte der Kläger über eine Ermüdung beider Beine seit etwa vier Jahren. Prof. Dr. N. stellte eine Hypästhesie für Schmerz und Temperatur an der Vorderseite der Oberschenkel und eine Vibrationsempfindungsverminderung in den unteren Extremitäten fest. Er führte diese Gesundheitsstörungen wie auch in der Vorgeschichte beschriebene uncharakteristische Kopfschmerzen und Hyperventilationstetanieanfälle auf einen depressiven Verstimmungszustand zurück.

Am 26.9.1989 erstattete der Nervenarzt Dr. B. eine Anzeige über den Verdacht einer Blei- und Lösemittelschädigung. Er gab dabei an, der Kläger leide seit längerem unter Kopfschmerzen sowie Sprach- und Rechenstörungen. Er habe seinen Beruf aufgegeben, weil er bemerkt habe, dass die Arbeit mit Blei und Lösemitteln seine Leistungsfähigkeit ständig weiter herabgesetzt habe.

In einem Schreiben an die Beklagte vom 8.3.1990 führte der Kläger aus, er habe das Arbeitsverhältnis 1976 wegen starker Leistungsschwäche, besonders in den Beinen, körperlicher Ermattung, ständiger Übelkeit und anderer Beschwerden aufgegeben.

In einem Gutachten vom 17.7.1992 bejahte Prof. Dr. A. das Vorliegen einer Bleiencephalopathie und einer Bleineuropathie. Den Versicherungsfall datierte er auf 1975. Er nahm eine seitdem bestehende Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) von 50 v.H. an.

Nachdem Prof. Dr. L. zunächst eine gegenteilige Auffassung vertreten hatte, sah er in einem Gutachten vom 5.10.1993 eine berufsbedingte Bleiintoxikation als wahrscheinlich an, bezweifelte aber die von Prof. Dr. A. befürwortete MdE in Höhe von 50 vH.

Durch Bescheid vom 15.2.1994 erkannte die Beklagte eine Berufskrankheit nach Nr. 1101 der Anlage zur BKV dem Grunde nach an, lehnte aber die Gewährung von Leistungen wegen mangelnder Mitwirkung des Klägers ab.

In einer ergänzenden Stellungnahme vom 23.6.1994 hielt Prof. Dr. A. eine berufskrankheitsbedingte MdE von 30 vH ab 1981 und von 50 vH ab 1989 für angemessen.

Nachdem die Beklagte bereits durch Bescheid vom 2.5.1994 die Ablehnung von Leistungen wegen mangelnder Mitwirkung zurückgenommen hatte, gewährte sie dem Kläger durch Bescheid vom 24.10.1994 eine Verletztenrente nach einer MdE von 50 vH ab 1.9.1989, dem Monat der Erstattung der ärztlichen Anzeige einer Berufskrankheit durch Dr. B.. Als Folgen der Berufskrankheit erkannte sie eine chronische Bleiintoxikation mit den Folgen einer Bleiencephalopathie sowie diskrete Zeichen einer Bleineuropathie an.

Durch Widerspruchsbescheid vom 28.9.1995 wies die Beklagte den hiergegen erhobenen Widerspruch des Klägers zurück. Zur Begründung führte sie aus, Rechtsunkenntnis als Grund für die verspätete Anmeldung von Entschädigungsansprüchen begründe keine Verhältnisse, die außerhalb des Willens des Antragstellers lägen. Bereits bei Aufgabe der gefährdenden Tätigkeit als Schachtmeister zum 30.9.1976 habe der Kläger die Möglichkeit gehabt, Entschädigungsansprüche anzumelden.

Durch Urteil vom 16.4.1997 hat das Sozialgericht die Beklagte verurteilt, Verletztenrente nach einer MdE von 30 vH bereits ab 17.11.1981 zu zahlen und bei der Berechnung des Jahresarbeitsverdienstes weitere 400 DM monatlich zu berücksichtigen. Im übrigen hat es die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, ein späterer Leistungsbeginn sei nicht zu rechtfertigen, wenn der Anspruch erst habe angemeldet werden können, nachdem die behandelnden Ärzte das Vorliegen einer Berufskrankheit erstmals erkannt hätten.

Gegen dieses Urteil hat die Beklagte rechtzeitig Berufung eingelegt.

Sie trägt vor, gegen einen früheren Rentenbeginn spreche, dass nach der Rechtsprechung des BSG Rechtsunkenntnis und Rechtsanwendungsunkenntnis nicht als Verhältnisse anzusehen sei...

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