Leitsatz (amtlich)

RVO §§ 407, 414 e stehen der satzungsmäßigen Übertragung von Aufgaben der Information und Beratung der Verbandsmitglieder sowie der Ausrichtung von Arbeitstagungen auf einen freiwilligen Kassenverband mit der Einschränkung „soweit nicht der Landesverband zuständig ist” nicht entgegen.

 

Normenkette

RVO §§ 407, 414e Fassung 1981-01-01

 

Verfahrensgang

SG Speyer (Urteil vom 21.05.1985; Aktenzeichen S 9 K 116/84)

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 06.10.1988; Aktenzeichen 1 RR 7/86)

 

Tenor

1. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Sozialgerichts Speyer vom 21. Mai 1985 abgeändert. Die Bescheide vom 27. August 1984 und vom 15. August 1986 werden aufgehoben und das beklagte Land verurteilt, die Satzung der Klägerin in der Fassung vom 26. Mai 1986 zu genehmigen.

2. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

3. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Mit der Berufung erstrebt die Klägerin weiterhin die Genehmigung der am 18. Mai 1983 bzw. am 26. Mai 1986 beschlossenen Neufassung ihrer Satzung. Streitig ist aber nur die Genehmigungsfähigkeit von § 2, der in der Fassung von 1983 die Aufgaben der Klägerin wie folgt regeln wollte:

(1) Der Verband hat die gemeinsamen Interessen seiner Mitglieder zu vertreten und die Mitglieder in ihren Aufgaben zu unterstützen

(2) Er hat folgende Aufgaben:

  1. Information und Beratung der Verbandsmitglieder
  2. Förderung der Aufklärung der Bevölkerung über die Rechte und Pflichten nach dem Sozialgesetzbuch
  3. Prüfung und Abrechnung des ärztlich und zahnärztlich verordneten Sprechstundenbedarfs sowie Prüfung von Arzneiverordnungen besonderer Art (Rezeptprüfstelle)
  4. Ausrichtung von Arbeitstagungen

(3) Über die vorgenannten Aufgaben hinaus kann der Verband auftragsweise Aufgaben von Verbandsmitgliedern übernehmen, wenn dies zweckmäßig erscheint.

(4) Die Verbandsmitglieder unterstützen den Verband bei der Erfüllung seiner Aufgaben und stellen ihm die dazu benötigten Unterlagen zur Verfügung.

Mit Bescheid vom 27. August 1984 versagte das beklagte Land die Genehmigung. Die Ziffern a), b) und d) des Absatzes 2 sowie der Absatz 3 seien mit dem in § 407 RVO erschöpfend beschriebenen Aufgabenkatalog eines Kassenverbandes nicht in Einklang zu bringen. Die Information und Beratung der Mitglieder und die Ausrichtung von Arbeitstagungen gehörten nach § 414 e Ziff. a und g RVO zu den Aufgaben der Landesverbände. Für die Förderung der Aufklärung der Bevölkerung über die Rechte und Pflichten nach dem SGB durch die Klägerin sei kein Raum, weil sie keine die Interessen der Bevölkerung unmittelbar berührenden Aufgaben habe. Dem Absatz 3 mangele es an der nötigen Bestimmtheit. Er weise keinerlei Bezug zum Aufgabenkatalog des § 407 RVO auf.

Mit der Klage hat die Klägerin geltend gemacht, § 407 RVO enthalte keine abschließende Aufzählung der möglichen Aufgaben freiwilliger Kassenverbände. Wenn diese, anders als die Landesverbände, sogar die in § 407 RVO genannten originären Kassenaufgaben übernehmen könnten, sei es völlig unverständlich, wenn man ihnen gleichzeitig verbieten wolle, die Kassen bei anderen Aufgaben zu unterstützen bzw. deren technische Abwicklung zu übernehmen. Wie sich aus § 407 Abs. 1 Nr. 2 RVO und § 414 e Ziff. c RVO ergebe, könnten einzelne Aufgaben auf verschiedenen Ebenen von freiwilligen Verbänden und Landesverbänden durchaus parallel wahrgenommen werden. In der Information und Beratung ihrer Mitgliedskassen und der Ausrichtung von Arbeitstagungen sei kein Eingriff in fremde Selbstverwaltungsangelegenheiten zu sehen. Die Aufklärung der Bevölkerung könne angesicht der unterschiedlichen Größe und Leistungsfähigkeit ihrer Mitgliedskassen besser überregional gefördert werden. § 2 Abs. 3 der Satzung könne schon deshalb nicht beanstandet werden, weil die Zulässigkeit der angesprochenen Aufträge sich bereits aus Art. 1 § 88 SGB X ergebe. Zumindest hätte die neugefaßte Satzung ohne den streitigen § 2 genehmigt werden können und müssen, weil dieser keine Auswirkung auf die übrigen Satzungsbestimmungen habe.

Das Sozialgericht Speyer hat den zuständigen Landesverband der Ortskrankenkassen gemäß § 75 Abs. 2 SGG beigeladen und die Klage mit Urteil vom 21. Mai 1985 abgewiesen. Auf die Entscheidungsgründe wird Bezug genommen.

Gegen dieses am 28. Juni 1985 zugestellte Urteil richtet sich die Berufung der Klägerin vom 25. Juli 1985. Sie trägt ergänzend vor, die Tatsache, daß der Gesetzgeber einen Aufgabenkatalog geschaffen habe, ohne ihn ausdrücklich als beispielhaft oder abschließend zu bezeichnen, rechtfertige noch nicht die Annahme, daß er abschließend sein solle. Die deshalb notwendige Auslegung dürfe nicht einseitig die historische Entwicklung berücksichtigen, sondern müsse primär nach Sinn und Zweck der Norm fragen. Es sei für ihre Mitgliedskassen vielfach zweckmäßig und wirtschaftlich, ihnen obliegende Aufgaben einem gemeinsamen Verband zu übertragen. Als solcher stehe sie nicht in Konkurenz zum Landesverband. Beider Tätigkeiten müßten sich vielmehr bei der Unterstützung der Mitgliedskassen erg...

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