Entscheidungsstichwort (Thema)

Vertragsärztliche Versorgung. Wirtschaftlichkeitsprüfung. Verordnung von in das Richtgrößenvolumen fallenden Verbandmitteln. Vorrang der Richtgrößenprüfung auch bei nicht durchgeführter Richtgrößenprüfung

 

Leitsatz (amtlich)

Einer Einzelfallprüfung der Wirtschaftlichkeit der Verordnung von in das Richtgrößenvolumen des Vertragsarztes fallenden Verbandmitteln steht der Vorrang der Richtgrößenprüfung auch dann entgegen, wenn bei dem betroffenen Vertragsarzt keine Richtgrößenprüfung durchgeführt wurde.

 

Nachgehend

BSG (Beschluss vom 19.07.2023; Aktenzeichen B 6 KA 30/22 B)

 

Tenor

1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Mainz vom 14.07.2021 wird zurückgewiesen.

2. Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen zu 1); die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen zu 2) sind nicht zu erstatten.

In Aufhebung des Tenorpunkts 2 des Urteils des Sozialgericht Mainz vom 14.07.2021 trägt die Klägerin 1/3 der Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens sowie 1/3 der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen zu 1); der Beklagte und die Beigeladene zu 1) tragen jeweils 1/3 der Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens; weitere außergerichtliche Kosten der Beigeladenen zu 1) und die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen zu 2) sind nicht zu erstatten.

3. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über eine Wirtschaftlichkeitsprüfung im Einzelfall betreffend die Verordnung von Verbandmitteln in den Quartalen 3/2012 bis 1/2016.

Die Ärzte der Beigeladenen zu 1) bilden in K im Bezirk der Beigeladenen zu 2) eine Berufsausübungsgemeinschaft und sind zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen. Frau K ist Ärztin für Innere Medizin mit Schwerpunkt Phlebologie, Dr. B ist Arzt für Chirurgie, Gefäßchirurgie mit Schwerpunkt Phlebologie. Die Klägerin stellte mit Schreiben vom 07.06.2016 einen Antrag auf Überprüfung der Wirtschaftlichkeit der Verordnungen von Verbandmitteln betreffend die Quartale 3/2012 bis 1/2016 im Falle ihres Versicherten M S (geboren 1953, verstorben 2018). Der Versicherte leide nach ihren Unterlagen an Ulcus cruris und einer Elephantiasis. Die verordneten Mengen an Verbandmitteln seien nicht nachvollziehbar. Insbesondere die Verordnungen von Sorbion Sachet S und Rosidal Binden würden in Frage gestellt. Auch seien die Verordnungen anderer Ärzte mit in die Beurteilung einzubeziehen. Sie fügte für die genannten Quartale alle Verordnungsimages der Beigeladenen zu 1) sowie eine anonymisierte Gesamtübersicht über dem Versicherten verordnete Verbandmittel und Arzneimittel bei; auf diese wird zur Ergänzung des Tatbestands Bezug genommen (Bl. 1 bis 52 der Verwaltungsakte).

Die Beigeladene zu 1) erhielt Gelegenheit zur Stellungnahme. Die Beigeladene zu 1) erläuterte durch Frau K (im Folgenden einheitlich: die Beigeladene zu 1), dass der Versicherte sechs- bis zehnmal wöchentlich manuelle Lymphdrainage benötige. Daher komme es vermehrt zur Verschreibung von Verbandmaterialien. Ohne Verbände würde die Behandlung nichts bewirken. Erfahrungsgemäß könnten die Verbände bis zu zehnmal benutzt werden, dann verlören sie an Elastizität. Der Stellungnahme waren eine Fotodokumentation der Wundsituation im zeitlichen Verlauf seit 2006, diverse Befundberichte sowie Schreiben sowohl an den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) als auch an die Klägerin beigefügt.

Mit Prüfbescheid vom 20.09.2016 setzte die Prüfungsstelle der Gemeinsamen Prüfungseinrichtung für die Wirtschaftlichkeitsprüfung in Rheinland-Pfalz gegenüber der Beigeladenen zu 1) einen Regress in Höhe von 28.511,74 € (netto) fest. Dem lagen folgende Regressmaßnahmen zugrunde:

1. Regress in Höhe der Differenz zwischen der jeweiligen verordneten silberhaltigen Wundauflage Mepilex Ag Schaumverband 10x10 cm und des entsprechenden silberfreien Wundverbands (Mepilex 10x12 cm) in Höhe von 440,79 € im Quartal 4/2012, 632,51 € im Quartal 1/2013, 376,98 € im Quartal 2/2013 und 188,49 € im Quartal 3/2013 (jeweils netto, zusammen 1.638,77 €).

2. Regress in Höhe der Differenz zwischen der jeweiligen verordneten silberhaltigen Wundauflage Aquacel Ag Kompressen 10x10 cm und der entsprechenden silberfreien Wundauflage (Aquacel Extra 10x10 cm) in Höhe von 138,90 € im Quartal 2/2013, 75,96 € im Quartal 3/2013, 2,34 € im Quartal 4/2013 und 94,16 € im Quartal 1/2014 (jeweils netto, zusammen 311,36 €).

3. Regress in Höhe der Differenz zwischen den verordneten teureren Wundauflagen Sorbion Sachet XL 25x45 cm zu den vergleichbaren günstigeren Wundauflagen (hier Zetuvit Plus 20x40 cm) in Höhe von 1.826,72 € im Quartal 2/2015, 1.702,55 € im Quartal 3/2015, 2.596,14 € im Quartal 4/2015 und 2.358,72 € im Quartal 1/2016 (jeweils netto, zusammen 8.483,83 €).

4. Regress hinsichtlich der über den ermittelten Quartalsbedarf von 40 Kompressionsbinden (Rosidal K diverse Größen) hinausgehenden Verordnungen. Zusätzlich Regress in Höhe der Preisdifferenz zwischen st...

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