Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialhilfe. Eingliederungshilfe. örtliche Zuständigkeit. Wechsel von ambulant betreuter Wohnmöglichkeit in stationäre Einrichtung. Anforderungen an die Qualifizierung eines betreuten Wohnens als Aufenthalt in einer Einrichtung iS des § 98 Abs 2 S 2 SGB 12. keine analoge Anwendung des § 98 Abs 2 S 2 SGB 12. Unbeachtlichkeit interner Zuständigkeitsvereinbarungen

 

Orientierungssatz

1. Beim betreuten Wohnen handelt es sich nicht um einen Aufenthalt in einer Einrichtung iS des § 98 Abs 2 S 2 SGB 12, wenn im Falle einer dezentralen Unterkunft diese der Rechts- und Organisationssphäre des Einrichtungsträgers nicht so zugeordnet ist, dass sie als Teil des Einrichtungsganzen anzusehen ist, und der Einrichtungsträger nach Maßgabe des angewandten Konzepts auch nicht die Gesamtverantwortung für die tägliche Lebensführung des Hilfeempfängers von dessen Aufnahme bis zu seiner Entlassung übernehmen muss (vgl BVerwG vom 24.2.1994 - 5 C 17/91 = ZfSH/SGB 1995, 535).

2. Die Zuständigkeit des für die Leistungen im Rahmen des betreuten Wohnens nach § 98 Abs 5 S 1 SGB 12 zuständigen Leistungsträgers bleibt bei Eintritt in eine stationäre Einrichtung nicht deshalb weiter bestehen, weil iS einer analogen Anwendung des § 98 Abs 2 S 2 SGB 12 bei einer "gemischten Kette" zwischen stationären und betreuten Wohnformen auf den ursprünglichen gewöhnlichen Aufenthalt vor Eintritt in die erste dieser Einrichtungen abzustellen ist, denn insoweit ist eine Regelungslücke nicht ersichtlich (entgegen VG Minden vom 17.12.2010 - 6 K 2167/10 = NWVBl 2011, 279).

3. Eine interne Zuständigkeitsvereinbarung (hier: die zwischen dem Landkreistag Rheinland-Pfalz und dem Städtetag Rheinland-Pfalz am 18.11.1997 geschlossene Vereinbarung über die Kostenerstattung bei der Finanzierung des betreuten Wohnens behinderter Mensch) kann die in § 98 SGB 12 geregelte gesetzliche Zuständigkeit nicht ändern.

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 13.02.2014; Aktenzeichen B 8 SO 11/12 R)

 

Tenor

1. Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Trier vom 24.08.2010 - S 3 SO 73/09 - aufgehoben. Die Klage wird abgewiesen.

2. Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.

3. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Der Kläger begehrt die Kostenerstattung für die B    P   (Hilfebedürftiger) erbrachten laufenden Leistungen der Eingliederungshilfe im Sinne einer vollstationären Betreuung im Kloster E    in C   ab dem 19.10.2009 und Feststellung, dass der Beklagte auch zur Tragung der künftigen Kosten verpflichtet ist.

Der am 1990 geborene Hilfebedürftige leidet an einer Intelligenzminderung leichter Ausprägung und einer psychischen Behinderung mit emotionaler Störung sowie einer Verhaltensstörung mit Störung der Impulskontrolle und Störung des Sozialverhaltens. Seit dem 08.08.2001 war er bis zum 30.09.2008 in vollstationärer Heimerziehung nach dem Sozialgesetzbuch Achtes Buch (SGB VIII) untergebracht. Zuvor lebte er bei seinen Eltern im Zuständigkeitsbereich des Beklagten in N         . Zuletzt war er ab dem 17.09.2007 durch das Jugendhilfezentrum V    in der vollstationären intensivpädagogischen Jugendwohngruppe D     untergebracht. Kostenträger war der Beklagte, wobei die Leistungen nach dem SGB VIII erbracht wurden.

In einem Hilfeplangespräch am 21.08.2008 wurde besprochen, dass die hauswirtschaftlichen Fähigkeiten des Hilfebedürftigen gut ausgeprägt seien und er überwiegend ohne Anleitung seine Körperpflege durchführe, seine Wäsche wasche und sein Zimmer in Ordnung halte. Er habe sich in der Gruppe so entwickelt, dass eine Überleitung in das betreute Wohnen durchgeführt werden könne. Mit diesem Schritt seien Risiken verbunden, daher sei zu deren Minimierung ein hoher wöchentlicher Stundensatz an Pflegehilfen von 25 bis 30 Stunden anzusetzen. Für den Fall, dass der Hilfebedürftige wider Erwarten nicht in der Lage sei, das Betreuungsangebot anzunehmen, bestehe die Wiederaufnahmemöglichkeit in die Gruppe.

Die Jugendwohngruppe D traf mit dem Vermieter eines Hauses in G     eine informelle Vereinbarung, wonach dieser ein Haus für Jugendliche aus der Jugendwohngruppe zur Verfügung stellen solle. Zum 01.10.2008 schloss der Hilfebedürftige selbst einen Mietvertrag mit dem Vermieter über ein Zimmer mit Küche ab. Die Jugendwohngruppe hat das durch den Vermieter zur Verfügung gestellte Haus im Vorfeld für etwa 3.500,00 € renoviert. Möbel hat der Hilfebedürftige im Rahmen einer Wohnungserstausstattung, die durch den Beklagten bewilligt wurde, selbst angeschafft. Zum 28.02.2009 wurde ein weiterer Jugendlicher der Jugendwohngruppe in das Haus vermittelt. Es erfolgte weiterhin eine Betreuung des Hilfebedürftigen durch die Bezugsbetreuerin der Jugendwohngruppe in einem Umfang von 25 bis 30 Stunden die Woche. Bereits seit dem 02.06.2007 besuchte der Hilfebedürftige an 5 Tagen in der Woche eine Werkstätte für behinderte Menschen (WfbM), wobei er mit Fahrzeiten etwa 9 Stunden täglich unterwegs war. Da er nicht jeden Morgen alleine aufstand, ist durch eine Mitarbe...

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