Entscheidungsstichwort (Thema)

Renten- und Arbeitslosenversicherung. Beschäftigungsverhältnis bei Freistellung von der Arbeit

 

Leitsatz (amtlich)

Ein Beschäftigungsverhältnis im beitragsrechtlichen Sinne liegt vor, wenn der Beschäftigte unter Fortzahlung des Arbeitsentgelts von der Arbeit freigestellt wird.

 

Orientierungssatz

Der Begriff des Beschäftigungsverhältnis im leistungsrechtlichen Sinne des SGB 3 kann nicht auf das Beitragsrecht der Sozialversicherung - einschließlich des Beitrags zur Arbeitslosenversicherung - übertragen werden.

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 24.09.2008; Aktenzeichen B 12 KR 22/07 R)

 

Tenor

1. Auf die Berufung des Klägers werden das Urteil des Sozialgerichts Speyer vom 14.11.2006 sowie die Bescheide der Beklagten vom 05.10.2004 und 19.10.2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28.02.2005 aufgehoben. Es wird festgestellt, dass der Kläger in der Zeit vom 11.09.2004 bis zum 30.06.2005 in der Renten- und Arbeitslosenversicherung versicherungspflichtig war. Ferner wird festgestellt, dass der Kläger in dieser Zeit in der freiwilligen Krankenversicherung Mitglied der Beklagten als Beschäftigter oberhalb der Versicherungspflichtgrenze war.

2. Die Beklagte hat die außergerichtlichen Kosten des Klägers in beiden Instanzen zu erstatten. Im Übrigen sind Kosten nicht zu erstatten.

3. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten um das Fortbestehen eines sozialversicherungsrechtlichen Beschäftigungsverhältnisses des Klägers in der Renten- und Arbeitslosenversicherung während einer Freistellung von der Arbeit vom 11.9.2004 bis zum 30.6.2005 und dessen Mitgliedschaft in der freiwilligen Krankenversicherung in diesem Zeitraum als freiwillig versicherter Beschäftigter oberhalb der Krankenversicherungspflichtgrenze.

Der 1951 geborene Kläger war seit Juli 1980 bei der Beklagten versicherungspflichtig beschäftigt und gleichzeitig bei ihr krankenversichert. Wegen Überschreitung der Beitragsbemessungsgrenze in der gesetzlichen Krankenversicherung war er bei der Beklagten freiwillig (mit Anspruch auf Krankengeld) versichert. Zuletzt betrug der monatliche Beitrag zur Krankenversicherung 512,66 €. Der Beitrag wurde zur Hälfte von der Beklagten als Arbeitgeberin getragen.

Die Beteiligten schlossen vor dem Arbeitsgericht (ArbG) Hamburg (11 Ca 436/02) am 8.9.2004 einen Vergleich, in dem folgende Regelungen getroffen wurden:

Die Parteien heben einverständlich das Arbeitsverhältnis aus betriebsbedingten Gründen (mangels Beschäftigungsmöglichkeit des Klägers) mit Ablauf des 30.6.2005 auf.

Unter Anrechnung auf die bestehenden und noch entstehenden Urlaubsansprüche wird der Kläger unwiderruflich von der Verpflichtung zur Arbeitsleistung bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses ab sofort freigestellt.

Die Beklagte verpflichtet sich, die arbeitsvertragliche und/oder tarifvertragliche Vergütung bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses zu zahlen. (...)

...

Im Falle eines etwaigen Zwischenverdienstes ist der Kläger verpflichtet, dies der Beklagten mitzuteilen, damit der Zwischenverdienst bei der nächsten Monatsberechnung berücksichtigt wird. (...)

Die Beklagte in ihrer Eigenschaft als Arbeitgeberin meldete der bei ihr bestehenden Einzugsstelle am 30.9.2004, dass der Kläger ab dem 11.9.2004 unwiderruflich von der Arbeit freigestellt worden sei. Sie verweigerte die weitere Zahlung der hälftigen Gesamtsozialversicherungsbeiträge als Arbeitgeberin.

Durch Bescheid vom 5.10.2004 stellte die Beklagte, auch im Namen der Pflegekasse (Beigeladene zu 1), fest, dass der Kläger ab dem 11.9.2004 ohne Anspruch auf Krankengeld krankenversichert sei, und setzte den monatlichen Beitrag ab dem 1.10.2004 für die Krankenversicherung des Klägers als nicht erwerbstätiges freiwilliges Mitglied (vgl § 29 Abs 8 Nr 4 der Satzung der Beklagten) auf 477,79 € und für die Pflegeversicherung auf 59,29 € fest.

Mit Bescheid vom 19.10.2004 stellte die Beklagte als zuständige Einzugsstelle fest, dass das Beschäftigungsverhältnis sozialversicherungsrechtlich mit Abschluss des arbeitsgerichtlichen Vergleichs zum 10.9.2004 geendet habe, da der Kläger unwiderruflich von der Arbeit freigestellt worden sei. Hinsichtlich der Beitragszahlung in der Kranken- und Pflegeversicherung verwies sie auf den Bescheid vom 5.10.2004.

Gegen beide Bescheide legte der Kläger Widersprüche ein, die durch Widerspruchsbescheid vom 28.2.2005 (den Prozessbevollmächtigten des Klägers zugestellt am 11.3.2005) zurückgewiesen wurden. Zur Begründung wurde ausgeführt: Ab dem Zeitpunkt des Abschlusses des arbeitsgerichtlichen Vergleichs könne die Beitragseinstufung nicht mehr in der für den Kläger günstigsten Beitragsklasse erfolgen, da er ab diesem Zeitpunkt nicht mehr in einem Beschäftigungsverhältnis stehe. Auch wenn das Arbeitsverhältnis noch bestehe, scheide ein Beschäftigungsverhältnis ab dem Beginn der Freistellung aus, weil der Kläger unwiderruflich von der Verpflichtung zur Arbeitsleistung freigestellt worden sei.

Am 1.4.2005 hat der Kläger hiergegen Klage...

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