Entscheidungsstichwort (Thema)

Hinterbliebenenrente. Anrechnung eines Sanierungsgewinns. Arbeitseinkommen. Billigkeitserlass der Finanzverwaltung

 

Orientierungssatz

1. Ein Sanierungsgewinn, der im Einkommensteuerbescheid eingeflossen ist, gilt nicht als Arbeitseinkommen anrechenbares Erwerbseinkommen iS des § 18a Abs 1 S 1 Nr 1, Abs 2, Abs 2a Nr 2 SGB 4 iVm § 15 SGB 4, wenn die hierauf zu entrichtenden Steuern nach §§ 163 und 227 AO aus Billigkeitsgesichtspunkten im Einzelfall von der Finanzverwaltung erlassen worden sind.

2. Liegt aber wie hier eine bestandskräftige Einzelfallentscheidung der Finanzverwaltung vor, wonach aus Billigkeitsgründen Einkommensteuer auf den Gewinn nicht erhoben wird, so ist diese einkommensteuerrechtliche Entscheidung auch im Sozialversicherungsrecht im Hinblick auf die Anrechnung nach § 97 Abs 1 S 1 Nr 1 SGB 6 zu berücksichtigen (vgl LSG Berlin-Potsdam vom 29.8.2012 - L 9 KR 279/10.

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 27.05.2014; Aktenzeichen B 5 R 6/13 R)

 

Tenor

1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Koblenz vom 24.08.2010 wird zurückgewiesen.

2. Die Beklagte hat dem Kläger die außergerichtlichen Kosten beider Rechtszüge zu erstatten.

3. Die Revision wird wegen grundsätzlicher Bedeutung der Sache zugelassen.

 

Tatbestand

Zwischen den Beteiligten ist die Höhe der großen Witwerrente des Klägers ab dem 01.07.2009 im Hinblick auf die Höhe seines nach § 97 SGB VI anzurechnenden Arbeitseinkommens (Gewinne aus Gewerbebetrieb) umstritten.

Der 1955 geborene Kläger, der als Selbständiger einen Boot-ServiceHandel betreibt, ist seit dem . .2004 Witwer und bezieht seitdem von der Beklagten eine große Witwerrente nach § 46 Abs. 2 SGB VI (Bescheid vom 15.07.2004). Seine beiden Kinder beziehen eine Waisenrente.

Im Mai 2009 teilte der Kläger bezüglich seines Arbeitseinkommens für das Kalenderjahr 2008 mit, dass er einen Gewinn in Höhe von 56.214,01 Euro gemacht habe. Der Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2008 liege noch nicht vor. Einzelheiten ergäben sich aus einem Schreiben seines Steuerberaters vom 15.05.2009. In diesem wurde ausgeführt, dass der Kläger im Jahr 2008 Einkünfte aus Gewerbebetrieb in Höhe von 56.213,00 Euro erzielt habe. Dieser Gewinn habe aber nur erzielt werden können, weil mehrere Gläubiger auf die Rückzahlung ihrer Verbindlichkeiten ganz oder teilweise verzichtet hätten. So hätten mehrere Gläubiger dem Kläger insgesamt 49.409,36 Euro an Verbindlichkeiten erlassen. Diese Summe sei im Jahresabschluss 2008 als außerordentlicher Ertrag ergebniswirksam berücksichtigt worden. Die Einkünfte aus Gewerbebetrieb in Höhe von 56.213,00 Euro resultierten somit in Höhe von 49.409,36 Euro aus einem reinen Buchgewinn, der als Sanierungsgewinn zu qualifizieren sei. Sowohl bei der Finanzbehörde als auch bei der Stadtverwaltung sei beantragt worden, die Steuern für das Veranlagungsjahr 2008 aus Billigkeitsgründen zu erlassen. Auch die Beklagte werde gebeten, diesen Sanierungsgewinn nicht bei der Feststellung des Arbeitseinkommens zu berücksichtigen, da es sich um einen reinen Buchgewinn handele. Von einem solchen könne er seinen Lebensunterhalt nicht bestreiten. Ziehe man den Buchgewinn ab, so betrügen die Einkünfte aus Gewerbebetrieb für das Jahr 2008 lediglich 6803,64 Euro.

Der vom Kläger in der Folge vorgelegte Einkommenssteuerbescheid des Finanzamtes S-G-Sankt G vom 09.06.2009 für das Jahr 2008 legte Einkünfte aus Gewerbetrieb in Höhe von 56.213 Euro zugrunde, auf die Steuern von insgesamt 9251,42 Euro zu zahlen waren.

Der Kläger legte weiterhin ein Schreiben des Finanzamts St G- St. G vom 27.05.2009 vor, wonach dem Kläger auf seinen Antrag die Steuern, die aufgrund der Veranlagung 2008 entstanden waren, aus sachlichen Billigkeitsgründen gemäß § 227 AO erlassen worden seien. Insgesamt seien Steuern in Höhe von 9.251,42 Euro erlassen worden.

Mit Bescheid vom 26.06.2009 berechnete die Beklagte die große Witwerrente des Klägers ab dem 01.07.2008 neu: Für die Zeit vom 01.07.2008 bis zum 30.06.2009 ergebe sich eine Überzahlung in Höhe von 985,38 Euro, die zu erstatten sei. Für die Zeit ab dem 01.07.2009 sei ein Arbeitseinkommen für 2008 aus selbständiger Tätigkeit in Höhe von 56.213,00 Euro zugrunde zu legen. Hiervon seien 39,8 %, also 22.372,77 Euro abzuziehen, so dass jährlich 33.840,23 Euro und monatlich 2820,02 Euro anrechenbares Einkommen verblieben. Auf die Rente sei dasjenige Einkommen anzurechnen, das das 26,4-fache des aktuellen Rentenwerts von 27,40 Euro (Freibetrag) übersteige. Unter Berücksichtigung der waisenrentenberechtigten Kinder betrage der Freibetrag 1022,72 Euro, was zu einem übersteigenden Einkommen von 1797,30 Euro führe, von dem 40 % (718,92 Euro) anzurechnen seien. Die Rente sei ab dem 01.07.2009 nicht mehr zu zahlen, da das monatlich anzurechnende Einkommen mit 718,92 Euro höher sei, als die monatliche Rente von 466,01 Euro. Dem Antrag des Klägers, die Sanierungsgewinne nicht als Einkommen zu berücksichtigen, könne nicht entsprochen werden. Eine dem Steuerrecht ...

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