Entscheidungsstichwort (Thema)

Krankenversicherung. keine Kostenerstattung. Hilfsmittelversorgung. Behinderter. Rollstuhlrückhaltesystem ≪sog Kraftknoten≫. Erforderlichkeit. Benachteiligungsverbot für Behinderte. Verfassungsmäßigkeit

 

Leitsatz (amtlich)

1. Ein Rollstuhlrückhaltesystem für Behindertentransportkraftwagen (sog Kraftknoten) ist ein Hilfsmittel zum Ausgleich einer Behinderung.

2. Zur Erforderlichkeit der Versorgung im Einzelfall.

 

Orientierungssatz

Ein über die Befriedigung von Grundbedürfnissen hinausgehender Behinderungsausgleich ist als Leistung der gesetzlichen Krankenversicherung nicht vorgesehen. Diese Begrenzung der Leistungsverpflichtung verstößt nicht gegen das verfassungsrechtliche Verbot der Benachteiligung behinderter Menschen aus Art 3 Abs 3 S 2 GG (vgl BSG vom 16.9.2004 - B 3 KR 15/04 R).

 

Tenor

1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Speyer vom 12.02.2004 - S 7 KR 525/03 - wird zurückgewiesen.

2. Außergerichtliche Kosten des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten darüber, ob die Beklagte den Rollstuhl des Klägers mit einem Rückhaltesystem für Behindertentransportkraftwagen (sog. Kraftknoten) auszustatten hat.

Bei dem 1959 geborenen und bei der Beklagten versicherten Kläger besteht eine Tetraspastik. Er lebt eigenständig im Rahmen des betreuten Wohnens in einer Wohngemeinschaft. Der Kläger verfügt über einen Selbstfahrrollstuhl, den er innerhalb der Wohnung selbst bedienen kann. Außerhalb der Wohnung benutzt er einen Elektrorollstuhl. Zur Arbeit in einer Behindertenwerkstatt und zurück wird er von einem Behindertenfahrdienst im Rollstuhl sitzend transportiert. Seinen Hausarzt im Nachbarort kann er mit dem Elektrorollstuhl selbständig aufsuchen. Zum Besuch anderer Ärzte außerhalb des Wohnortes benötigt er einen Fahrdienst. Eine krankengymnastische Behandlung wird an seiner Arbeitsstelle durchgeführt. Gelegentlich wird er von seinem Bruder abgeholt und in dessen PKW sitzend auf dem Beifahrersitz transportiert. Fahrkosten wurden von der Beklagten nicht übernommen.

Seit 01.10.1999 ist in der DIN 75078-2 für den Transport von Personen in Rollstühlen in Behindertentransportkraftwagen die Ausstattung mit einem Personen- und einem Rollstuhlrückhaltesystem vorgesehen. Ein Kraftknoten stellt dabei der Punkt dar, in dem idealerweise die Rückhaltekräfte des Personenrückhaltesystems in das Rollstuhlrückhaltesystem eingeleitet werden. An dieser Stelle im Bereich der Hinterachse ist der Rollstuhlrahmen verstärkt und von dort aus ist der Rollstuhl nach unten zum Fahrzeugboden hin verankert und nach oben wird das Personenrückhaltesystem mittels Gurten fixiert. Der Kraftknoten soll im Falle eines Unfalles eine etwaige Verformung des Rollstuhls verhindern. Die Anbauteile dieses Rückhaltesystems können nachträglich am Rollstuhl angebracht werden.

Der Kläger beantragte bei der Beklagten im Januar 2003 die Übernahme der Kosten der Nachrüstung seines Rollstuhles und legte einen Kostenvoranschlag über 461,92 Euro und eine Verordnung des Dr. K   vom 05.12.2002 vor. Die Beklagte lehnte eine Kostenbeteiligung durch Bescheid vom 05.02.2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 02.06.2003 ab, da dadurch nicht die medizinische Rehabilitation des Klägers sichergestellt werden solle.

Das Sozialgericht Speyer (SG) hat die Klage durch Urteil vom 12.02.2004 abgewiesen. Das Ermöglichen des Autofahrens sei dem Bereich der sozialen oder beruflichen Eingliederung Behinderter zuzuordnen, für welche die Beklagte nicht zuständig sei. Der Kraftknoten ermögliche nur eine sicherere Nutzung und sei erst recht nicht durch die gesetzliche Krankenversicherung zur Verfügung zu stellen. Die Ausstattung mit dem Kraftknotensystem sei auch nicht unter dem Gesichtspunkt der Erhaltung der Gebrauchsfähigkeit des Rollstuhles gerechtfertigt, da keine Anhaltspunkte vorlägen, dass der Rollstuhl des Klägers ohne dieses Hilfsmittel häufigen Beschädigungen ausgesetzt sei. Das SG hat die Berufung zugelassen.

Gegen das ihm am 28.02.2004 zugestellte Urteil hat der Kläger am 11.03.2004 Berufung eingelegt.

Er macht geltend, dass er den Kraftknoten für sämtliche Fahrten im Behindertentransportfahrzeug, d.h. z.B. auch zu Ärzten, Behörden und zur Bank, benötige. Damit werde es ihm ermöglicht, ein selbständiges Leben zu führen. Außerdem übernähmen die Hersteller von Rollstühlen keine Garantie für Schäden an Rollstühlen, wenn die Ausstattung mit dem Kraftknoten fehle.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Speyer vom 12.02.2004 - S 7 KR 525/03 - sowie den Bescheid der Beklagten vom 05.02.2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 02.06.2003 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, den Rollstuhl des Klägers mit einem Rückhaltesystem für Behindertentransportkraftwagen auszustatten.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie erachtet die angefochtene Entscheidung für zutreffend.

Zur Ergänzung des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalte der Gerichts- so...

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