Entscheidungsstichwort (Thema)

Krankenversicherung. Kostenübernahme. Implantation. Zahnersatz

 

Orientierungssatz

1. Bei der Implantation von Zahnersatz handelt es sich nicht um eine in der wissenschaftlichen Wirksamkeit umstrittene Außenseitermethode, sondern um eine teurere und damit regelmäßig iS von § 12 Abs 1 S 2 SGB 5 unwirtschaftliche Leistung.

2. Wenn nach der Rechtsprechung des BSG auch die Kosten für Außenseitermethoden von den gesetzlichen Krankenkassen getragen werden müssen, wenn bei einer bestimmten Gruppe von Patienten anerkannte Behandlungsmethoden nicht eingesetzt werden können, sind erst recht fachlich nicht umstrittene, aber unwirtschaftliche Leistungen ausnahmsweise zu erbringen, wenn sich der Einsatz der kostengünstigeren Methode verbietet.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die Kostenübernahme für eine zahnärztliche Implantationsbehandlung.

Die 1940 geborene Klägerin ist bei der Beklagten als Pflichtmitglied krankenversichert. Aufgrund eines von der Beklagten genehmigten Heil- und Kostenplanes wurde sie ab Sommer 1992 von dem Zahnarzt J. aus N. mit einer Ober- und Unterkieferprothese versorgt. Hierfür übernahm die Beklagte Kosten in Höhe von insgesamt 6.733,92 DM. Nach der Einsetzung der Unterkieferprothese kam es bei der Klägerin zu Problemen beim Tragen, so daß es zur Einsetzung der Oberkieferprothese nicht mehr kam. Die Klägerin brach im Dezember 1992 die Behandlung bei dem Zahnarzt J. ab und beantragte im Januar 1993 unter Vorlage eines Heil- und Kostenplanes des Zahnarztes Dr. S. aus K. die Neuversorgung mit einem festsitzenden Zahnersatz auf der Basis von Implantaten in Höhe von ca 22.600,-- DM. Dr. S. teilte mit, daß bei der Klägerin eine psychisch bedingte Prothesenunverträglichkeit vorliege, die mit herkömmlichen Mitteln nicht therapierbar sei. Auch bei dem geplanten Zahnersatz sei die Beurteilung der Verträglichkeit schwierig. Eine Garantie für den Behandlungserfolg könne niemand geben.

In einer fachärztlichen Bescheinigung von Dr. D. vom 29.1.1993 wurde eine schwerste psychische Traumatisierung durch frühkindlichen sexuellen Mißbrauch bescheinigt, die einen nicht beeinflußbaren Würgereiz auslöse. Die Dipl.-Psych. M., bei der die Klägerin von 1987 bis 1991 in Behandlung gewesen war, teilte mit, daß durch die Prothesenversorgung alte Ängste und seelische Abwehrreaktionen wieder aufgelebt seien. Die Beklagte veranlaßte daraufhin eine psychiatrische Begutachtung bei Frau Dr. L. vom Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK). In Ihrem Gutachten vom 7.10.1993 wurde ausgeführt, daß bei der Klägerin ein nachvollziehbarer Leidensdruck bei sanierungsbedürftigem Gebiß bestehe. Die von dem Zahnarzt J. durchgeführte prothetische Versorgung werde von der Klägerin nicht toleriert. Die Ursachen hierfür seien vielfältig. Im Verlauf der Behandlung sei es zu einem Vertrauensbruch zwischen Zahnarzt und Klägerin gekommen. Die Klägerin sei in eine tiefe seelische Krise geraten. Dies habe im Rahmen der Begutachtungssituation nachvollzogen werden können. Aus psychiatrischer Sicht lasse sich bestätigen, daß eine Zahnbehandlung notwendig sei. Aufgrund der psychischen Situation der Klägerin sollte diese bei einem Zahnarzt ihres Vertrauens geschehen. Dies sei bei Dr. S. der Fall. Art und Umfang der Sanierungsmaßnahmen könnten nur aus zahnärztlicher Sicht beurteilt werden. Eine Kostenübernahme werde in dem Maße empfohlen, als dies zahnärztlicherseits für erforderlich gehalten werde.

Nachdem die Klägerin im Januar 1994 Heil- und Kostenpläne von Dr. Dr. S. für eine Implantationsbehandlung (Höhe ca 23.000,-- DM) vorgelegt hatte, holte die Beklagte eine gutachterliche Stellungnahme vom 29.7.1994 bei Dr. B., Zahnarzt für Oralchirurgie in der Paracelsus-Klinik in Bad E., ein. Dieser Arzt teilte mit, im Fall der Klägerin sei ein kombiniert festsitzend-herausnehmbarer Zahnersatz angezeigt. Die von der Klägerin beschriebenen psychogenen Störungen seien sicherlich nicht ursächlich auf den Gebißbefund zurückzuführen und auch nicht durch Implantate endgültig heilbar. Die Implantation sei medizinisch möglich und führe zu einer deutlichen Verbesserung des Tragekomforts der Brücken und sei als eine Versorgung außerhalb der gesetzliche Krankenversicherung im Sinne einer Luxusversorgung anzusehen.

Mit Bescheid vom 9.11.1994 und Widerspruchsbescheid vom 28.3.1995 lehnte die Beklagte daraufhin eine Kostenerstattung für eine Implantationsbehandlung ab.

Das Sozialgericht (SG) hat eine gutachterliche Stellungnahme vom 9.7.1995 bei Frau Dr. L. sowie ein Sachverständigengutachten bei Prof. Dr. M. und Frau Dr. W. von der Forschungsstelle für Psychopathologie und Psychosomatik in der Zahnheilkunde, Abteilung für Zahnärztliche Prothetik an der Universitäts-Zahn-, Mund- und Kieferklinik in M. vom 21.2.1996 eingeholt. Insoweit wird auf Bl 40 bis 41 sowie 74 bis 80 der Gerichtsakte verwiesen.

Im Dezember 1995 wurde die Behandlung mit der Eingliederung von provisorisch implantatgetragenen Ersatz an acht Zähnen im Oberkiefer un...

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