Dieses Urteil ist rechtskräftig

 

Entscheidungsstichwort (Thema)

Arbeitsunfähigkeit. Kündigung. Lohnfortzahlung. Krankengeld. Ruhen. Krankenkasse

 

Leitsatz (amtlich)

Der Krankengeldanspruch ruht in der Regel jedenfalls dann nicht, wenn der Versicherte sein Arbeitsverhältnis aus einem vom Arbeitgeber nicht zu vertretenden Grund kündigt und deshalb den Lohnfortzahlungsanspruch kraft Gesetzes – nicht also durch Verzichtserklärung (Erlaß) – verliert.

 

Normenkette

RVO § 189; Lohnfortzahlungsgesetz § 6 Abs. 2

 

Verfahrensgang

SG Speyer (Urteil vom 29.09.1980; Aktenzeichen S 9 K 61/80)

 

Tenor

1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Speyer vom 29. September 1980 wird zurückgewiesen.

2. Die Beklagte hat die der Klägerin im Berufungsverfahren entstandenen außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

3. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten darüber, ob der Krankengeldanspruch der Klägerin wegen eines Verzichts auf Lohnfortzahlung nach § 189 RVO (analog) ruht oder nicht.

Die Klägerin wurde am 11. Februar 1980 arbeitsunfähig krank. Danach kündigte sie ihr am 3. Januar 1980 als Arbeiterin begonnenes Arbeitsverhältnis, weil sie sich zur Verrichtung der Arbeiten gesundheitlich auf Dauer nicht für in der Lage hielt. Durch Bescheid vom 18. März 1980 verweigerte die Beklagte die Krankengeldzahlung für die Dauer von 6 Wochen ab Eintritt der Arbeitsunfähigkeit, weil die Klägerin durch ihre Kündigung auf den Lohnfortzahlungsanspruch verzichtet habe, was zum Ruhen des Krankengeldanspruchs führen müsse.

In einem arbeitsgerichtlichen Verfahren (Arbeitsgericht Ludwigshafen – 1 Ca 415/80 –) über den Zeitpunkt der Beendigung des Arbeitsverhältnisses haben die Klägerin und ihr Arbeitgeber sich in einem Vergleich am 3. April 1980 dahingehend geeinigt, daß das Arbeitsverhältnis einvernehmlich am 25. Februar 1980 beendet worden ist und daß der Arbeitgeber an sie die übliche Vergütung nach dem Lohnfortzahlungsgesetz zahlt, soweit diesbezügliche Ansprüche nicht auf die AOK übergegangen sind.

Das der Klägerin vom 12. bis zum 25. Februar 1980 gezahlte Krankengeld hat der Arbeitgeber im Rahmen der Lohnfortzahlung der Beklagten erstattet.

Der Widerspruch der Klägerin gegen die Versagung einer weiteren Krankengeldzahlung für die Zeit vom 26. Februar bis zum 23. März 1980 wurde durch Bescheid vom 6. Juni 1980 zurückgewiesen.

Das Sozialgericht Speyer hat durch Urteil vom 29. September 1980 die Bescheide der Beklagten aufgehoben und diese verurteilt, an die Klägerin Krankengeld vom 26. Februar bis zum 23. März 1980 zu zahlen. Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts seien Vergleiche über Lohnfortzahlungsansprüche zulässig. Das Gesetz verbiete einen Verzicht auf fällige Lohnfortzahlungsansprüche nicht. Deshalb könne auch der Krankengeldanspruch jedenfalls dann nicht untergehen, wenn der Versicherte bei dem Verzicht auf den Lohnfortzahlungsanspruch nicht darüber aufgeklärt worden war oder auch sonst keine Kenntnis davon hatte, daß er aufgrund des Verzichts den Krankengeldanspruch verlieren könne. Für die Versagung des Krankengeldes in solchen Fällen bestehe keine Rechtsgrundlage.

Gegen das am 9. Oktober 1980 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 7. November 1980 die vom Sozialgericht zugelassene Berufung eingelegt.

Sie trägt vor: Es könne einem Versicherten nicht freigestellt sein, zu Lasten der Versichertengemeinschaft auf einen Lohnfortzahlungsanspruch zu verzichten. Dabei könne es nicht darauf ankommen, daß der Versicherte bewußt zum Nachteil der Krankenkasse verzichtet habe. Ohne Rücksicht auf die Kenntnis und die Absicht des Versicherten müsse jeder Verzicht auf den Lohnfortzahlungsanspruch zum Ruhen des Krankengeldanspruchs führen.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Speyer vom 29. September 1980 aufzuheben und die Klage gegen den Bescheid vom 18. März 1980 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 6. Juni 1980 abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält das Urteil des Sozialgerichts für zutreffend.

Wegen weiterer Einzelheiten des Tatbestands wird auf den Inhalt der Prozeßakte und der Verwaltungsakte der Beklagten sowie der vom Senat beigezogenen Akte des Arbeitsgerichts Ludwigshafen Bezug genommen.

 

Entscheidungsgründe

Die Berufung der Beklagten ist zulässig, jedoch unbegründet.

Die Klägerin hat nach §§ 182 Abs. 3, 183 Abs. 2 RVO Anspruch auf Krankengeldzahlung auch für die Zeit vom 26. Februar bis zum 23. März 1980. In dieser Zeit ruhte der Krankengeldanspruch nicht nach § 189 RVO.

Nach der ausdrücklichen Regelung in § 189 RVO ruht der Krankengeldanspruch dann, wenn und soweit der Versicherte während der Krankheit Arbeitsentgelt erhält. Damit ist die tatsächliche Zahlung gemeint, zu der auch die Lohnfortzahlung im Krankheitsfalle nach § 1 Abs. 1 Lohnfortzahlungsgesetz gehört. Die entsprechende Anwendung des § 189 HVO wird in den Fällen vertreten, in denen der Versicherte auf einen bereits entstandenen und fälligen Lohnfortzahlungsanspruch verzichtet hat. Der Vers...

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