Entscheidungsstichwort (Thema)

Unfallversicherungsschutz. Dorf- und Heimatfest. Festvorbereitung. Vereinsvorsitzender. Unternehmer

 

Orientierungssatz

1. Wenn Kommunen die Pflege örtlichen Brauchtums innerhalb oder außerhalb von privaten Vereinen dadurch unterstützen, dass sie finanzielle Zuschüsse geben oder gemeindeeigene Grundstücke zur Verfügung stellen, ordnen sie zwar die einzelnen Zuschussmaßnahmen in das öffentliche Interesse der Kommune ein, aber sie übernehmen damit noch nicht zugleich die gesamte Veranstaltung in ihren öffentlich-rechtlichen Aufgabenbereich und somit in ihre Verantwortung. Dazu bedarf es als Zuordnungsgrund vielmehr eines gesamtbezogenen, eigenständigen Annahmeaktes der Kommune (vgl BSG vom 30.4.1991 - 2 RU 68/90 = Breith 1992, 27 ff). Fehlt es an einem solchen Zuordnungsgrund, können auch die von den Bürgern der Gemeinde durchgeführten Arbeiten bei der Veranstaltung nicht als solche für die Kommune gewertet werden.

2. Liegt keine ehrenamtliche Tätigkeit vor, weil es am Zuordnungsgrund zu einer Institution des öffentlichen Rechts im Sinne des § 539 Abs 1 Nr 13 RVO fehlt, scheidet auch ein Anspruch nach § 539 Abs 2 iVm Abs 1 Nr 13 RVO aus.

 

Tatbestand

Streitig ist, ob der Kläger einen Arbeitsunfall erlitten hat und ihm deshalb Entschädigungsleistungen zustehen.

Der ....1949 geborene Kläger fiel am 11.8.1995 bei der Vorbereitung des Dorffestes in der Gemeinde Q (Qu.) von einer Leiter, als er gemeinsam mit einem Gemeindearbeiter einen Fallschirm auf dem Festplatz aufhängen wollte. Er zog sich eine Trümmerfraktur am rechten Fersenbein sowie eine Mehrfachfraktur an der linken Kniescheibe zu. Seine hierdurch bedingte Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) wurde auf 30 vH geschätzt.

Der Kläger war technischer Angestellter der US-Armee. Er wohnt in der Gemeinde Qu. und war zur Zeit des Unfalls 1. Vorsitzender des ortsansässigen Heimat- und Kulturvereins, dessen Zweck die Pflege der allgemeinen öffentlichen Gesundheit und Heimatliebe ist.

In der Gemeinde Qu. gibt es zahlreiche Vereine, die sich auch am Dorffest beteiligen, das auf Wunsch und Betreiben der Gemeinde Qu. jährlich im Ortsmittelpunkt auf dem freien Platz zwischen der Schule, dem Sportgelände und dem Rathaus stattfindet. Im Mitteilungsblatt treten die Gemeinde und die Vereine als Veranstalter auf. Über ihren Beitrag zum Dorffest bestimmen die Vereine selbst. In einer Vorbesprechung melden sie ihre Stände beim Vereinsring an.

Dieser ist eine Interessengemeinschaft aller örtlichen Vereine und hat zur Aufgabe, die Veranstaltungen der Gemeinde zu koordinieren und für alle Vereine Einrichtungen und Materialien zu beschaffen. Der Vereinsring trifft sich nur bei Bedarf und insbesondere vor dem Dorffest. Die Termine für die Sitzungen bestimmt der Bürgermeister der Gemeinde Qu., der kraft Amtes auch Vorsitzender des Vereinsrings ist. Die Einladungen werden von der Verwaltung der Gemeinde Qu. geschrieben. Teilnehmer der Sitzungen des Vereinsrings sind die Vorsitzenden der örtlichen Vereine. Einer von ihnen übernimmt die Organisation des Dorffestes. Auch der Bürgermeister der Gemeinde Qu. hatte schon mehrfach die Organisation übernommen. Der Aufruf zur Mithilfe am Dorffest erfolgt im Rahmen einer Sitzung des Vereinsrings durch den Bürgermeister als Vereinsringvorsitzenden. Die teilnehmenden Vereine werden aufgefordert, mindestens zwei Helfer zum Aufbau der gemeinsamen Einrichtungen abzustellen, wozu das Aufstellen der Sitzgarnituren und eines Zeltes und auch das Aufhängen eines Fallschirms als Schutzdach gehören.

Den Gewinn, den die Vereine bei dem Fest erwirtschaften, führen diese an den Vereinsring ab. Der Bürgermeister als Vorsitzender des Vereinsrings verteilt die Beträge nach Abzug der Kosten für das Fest und für Anschaffungen an die Vereine bzw zahlt den Überschuss auf das gemeinsame Sparbuch des Vereinsrings, dessen Inhaber er ist, ein.

Die Anträge für die Schankerlaubnis, die Sperrung der Straße und die Anmeldung bei der GEMA stellt die Gemeinde Qu. Die Kosten für die Schankerlaubnis und die GEMA werden von den Vereinen an die Gemeinde "gleich einer Spende" erstattet. Die Gemeinde trägt kein Gewinn- und Verlustrisiko. Sie verzichtet auch auf Einnahmen aus dem Dorffest. Sie beteiligt sich am Dorffest ua als Trägerin der Grundschule bzw im Heimatmuseum mit einer Ausstellung. Sie führt im Rahmen des Dorffestes Ehrungen von Sportlern und Bürgern der Gemeinde durch, wobei die Ehrungen durch die Vereinsvorsitzenden und den Bürgermeister vorgenommen werden. Die Kosten für den Druck der Urkunden trägt die Gemeinde Qu.

Der Bürgermeister informierte den Gemeinderat auch vor der Veranstaltung des Dorffestes 1995 über folgende Punkte:

1.  Die Vereine wollen mit Unterstützung der Gemeinde das Dorffest veranstalten.

2.  Die Gemeinde erbringt die üblichen Leistungen, die schon seit Bestehen des Dorffestes erbracht werden:

a)  Übernahme der Stromkosten,

b)  Wasser wird kostenlos gestellt,

c)  Räume in verschiedenen Gebäuden werden kostenlos zur Verfügung ge...

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