Entscheidungsstichwort (Thema)

Krankengeld-Spitzbetrag. Verletztengeld. Differenzbetrag. freiwillige Unfallversicherung. Unfallversicherung kraft Satzung. Verfassungsmäßigkeit. Gleichheitssatz. verfassungskonforme Auslegung

 

Leitsatz (amtlich)

Freiwillig oder Kraft Satzung in der gesetzlichen Unfallversicherung Versicherte haben gegen den Träger der gesetzlichen Krankenversicherung im Falle unfallbedingter Arbeitsunfähigkeit keinen Anspruch auf Auszahlung des Differenzbetrages zwischen dem Verletztengeld und dem (höheren) Krankengeld (Krankengeld-Spitzbetrag).

 

Orientierungssatz

Die Verneinung des Anspruchs auf den Krankengeld-Spitzbetrag für freiwillig oder satzungsgemäß in der gesetzlichen Unfallversicherung versicherte Unternehmer bei einer durch Arbeitsunfall bedingten Arbeitsunfähigkeit verstößt jedenfalls nach dem 1.1.1997 zur Überzeugung des Senats nicht gegen höherrangiges Recht (Abgrenzung von BSG vom 23.11.1995 - 1 RK 13/94 = NZS 1996, 284). Der Gesetzgeber ist mit § 49 Abs 1 Nr 3a SGB 5 den Vorgaben des BVerfG nachgekommen, das in der Entscheidung vom 9.11.1988 (vgl BVerfG vom 9.11.1988 - 1 BVL 22/84 = BVerGE 79, 87) ausgeführt hat, eine Ruhensbestimmung sei mit Art 3 Abs 1 GG vereinbar, wenn es um die Vermeidung eines Doppelbezugs von Leistungen gleicher Zweckbestimmung gehe. Dabei komme es nicht darauf an, ob die Berechnungsmodalitäten der Leistungen in allen Einzelheiten übereinstimmten und die Ansprüche in ihrer Höhe deckungsgleich seien. Es sei verfassungsrechtlich nicht geboten, die jeweils höchste Leistung uneingeschränkt zu gewähren. Es genüge, wenn eine anderweitige soziale Absicherung besteht, die der zum Ruhen gebrachten Leistung adäquat sei. Die durch die beanstandete Norm hervorgerufene Ungleichbehandlung könne durch Änderung gesetzlicher Vorschriften - wie die Entlastung der Krankenkassen vom Risiko des Arbeitsunfalls - beseitigt werden.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten um den Krankengeld-Spitzbetrag.

Der Kläger ist selbständig erwerbstätig und bei der Beklagten freiwillig gegen Krankheit versichert mit einem Anspruch auf kalendertägliches Krankengeld in Höhe von 143,50 DM ab der 7. Woche der Arbeitsunfähigkeit. Der Beitragsbemessung liegt ein Einkommen bis zur Beitragsbemessungsgrenze zugrunde. Bei der Beigeladenen ist er mit einer Versicherungssumme von 32.400 DM freiwillig unfallversichert.

Vom 10.9.1997 bis 31.12.1998 und vom 25.1.1999 bis 15.2.1999 war der Kläger aufgrund eines Arbeitsunfalls arbeitsunfähig erkrankt und erhielt während der Arbeitsunfähigkeit ab dem 23.10.1997 Verletztengeld in Höhe von 72,00 DM kalendertäglich von der Beigeladenen. Das Vorliegen und die Dauer der unfallbedingten Arbeitsunfähigkeit ist zwischen den Beteiligten unstreitig.

Den Antrag des Klägers, ihm den Differenzbetrag zwischen dem Verletztengeld und dem Krankengeld auszuzahlen, lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 11.11.1997 in der Fassung des Widerspruchsbescheids vom 26.1.1998 ab. Zur Begründung verwies die Beklagte auf § 49 Abs 1 Nr 3a Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V), wonach der Anspruch auf Krankengeld ruhe, solange der Versicherte Verletztengeld beziehe. An diese gesetzliche Regelung sei sie gebunden.

Das Sozialgericht Mainz (SG) hat die Klage mit Urteil vom 17.3.1999 abgewiesen. Zur Begründung ist im Wesentlichen ausgeführt, die Regelung des § 49 Abs 1 Nr 3a SGB V sei eindeutig. Diese Vorschrift präzisiere § 11 Abs 4 SGB V, wonach auf Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) kein Anspruch bestehe, wenn sie als Folge eines Arbeitsunfalls oder einer Berufskrankheit zu erbringen seien. Es liege auch kein Verstoß gegen höherrangiges Recht vor. Es gebe keinen verfassungsrechtlichen Grundsatz, wonach bei einem Versicherungsfall, der dem Grunde nach Leistungen mehrerer Zweige der Sozialversicherung auslöse, stets die jeweils höchste Leistung zu gewähren sei. Aus der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) ergebe sich nichts anderes. Da nach Arbeitsunfällen und Berufskrankheiten ein Leistungsanspruch gegen die GKV im Unterschied zum alten Recht nicht mehr bestehe, sei auch die Rechtsprechung des BSG zum alten Recht nicht mehr einschlägig.

Gegen das am 3.5.1999 zugestellte Urteil des SG hat der Kläger am 31.5.1999 Berufung eingelegt.

Er trägt vor, es sei mit dem Grundgesetz (GG) unvereinbar, den Krankengeldanspruch nach einem Arbeitsunfall völlig auszuschließen, wenn lediglich ein Anspruch auf Verletztengeld bestehe, dessen Höhe hinter dem Krankengeld zurückbleibe. Ein Krankenversicherter, der zusätzlich unfallversichert sei, dürfe insgesamt nicht weniger an Geldleistungen erhalten, als ein nur Krankenversicherter. Dies habe das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) bereits zum seinerzeit geltenden § 183 Abs 6 Reichsversicherungsordnung (RVO) festgestellt. Die Begründung dieser Entscheidung treffe auch auf das jetzt geltende Recht zu. Auch das BSG habe nach Inkrafttreten des grundsätzlichen Leistungsausschlusses nach § 11 Abs 4 SGB V entschieden, dass das Krankengeld aus Anlass ein...

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