Entscheidungsstichwort (Thema)

Unfallversicherung. Verletztengeld. GmbH-Geschäftsführer. keine Anrechnung einer fiktiven Gehaltsfortzahlung

 

Leitsatz (amtlich)

1. Auf einen Anspruch auf Verletztengeld ist bei einer unternehmerähnlichen Tätigkeit (§ 6 Abs 1 Nr 2 SGB 7) des Geschäftsführers einer GmbH gemäß § 52 Nr 1 SGB 7 für die Zeit der unfallbedingten Arbeitsunfähigkeit weitergezahltes Gehalt anzurechnen (Anschluß an BSG vom 14.12.1995 - 2 RU 41/91 = SozR 3-2200 § 560 Nr 2 = BSGE 77, 169). Eine Anrechnung findet jedoch nicht statt, wenn Gehalt tatsächlich nicht fortgezahlt wird, obwohl ein entsprechender Anspruch besteht.

2. Eine Vereinbarung zwischen dem betreffenden Unternehmen und dem Geschäftsführer, wonach bei Arbeitsunfähigkeit lediglich im Falle der Erkrankung an Folgen eines Arbeitsunfalls kein Gehalt fortgezahlt wird, ist, soweit keine besonderen Umstände vorliegen, nicht gemäß § 138 BGB unwirksam.

3. Die Grundsätze der Durchgriffshaftung bei einer Einmann-GmbH (vgl BSG vom 27.9.1994 - 10 RAr 1/92 = SozR 3-7685 § 13 Nr 1 = BSGE 75, 82) gelten bei der Anrechnung von Einkommen auf den Anspruch auf Verletztengeld nicht.

 

Tatbestand

Umstritten ist die Höhe des Anspruchs des Klägers auf Verletztengeld.

Der 1959 geborene Kläger erlitt am 29.8.1995 als Arbeitnehmer der Firma ... GmbH einen Arbeitsunfall. Er geriet mit seiner rechten Hand in eine Kreissäge, wodurch es zu einem Teilverlust des Mittelfingerendgliedes kam. Danach war er bis 26.11.1995 arbeitsunfähig krank.

Ursprünglich waren der Kläger und sein Vater ... Mitgesellschafter der Firma ... GmbH. Der Kläger übernahm nach dem Tod seines Vaters ab Januar 1996 dessen frühere Gesellschaftsanteile. Er versicherte sich ab diesem Zeitpunkt freiwillig bei der Beklagten mit einer Versicherungssumme von 120.000,-- DM. Am 1.1.1996 schloss er mit der Firma ... GmbH einen "GmbH-Geschäftsführer-Vertrag". Nach dessen § 2 wurde ihm als Geschäftsführer ein festes Gehalt in Höhe von 6.500,-- DM brutto gewährt. Unter § 4 dieser Vereinbarung heißt es: "Wird der Geschäftsführer durch Krankheit vorübergehend gehindert, seine Tätigkeit auszuüben, so wird ihm die vereinbarte Vergütung auf die Dauer von 6 Wochen weitergezahlt. Bei Arbeitsunfähigkeit wegen Arbeitsunfall oder Arbeitsunfallfolgen erfolgt keine Gehaltsfortzahlung. Hier versichert sich der Geschäftsführer auf eigene Rechnung."

Der Kläger war wegen der Folgen des Unfalls vom 29.8.1995 in der Zeit vom 27.2. bis 31.3.1997 erneut arbeitsunfähig krank.

Durch Bescheid vom 27.6.1997 bewilligte die Beklagte dem Kläger Verletztengeld für die Zeit vom 27.2. bis 31.3.1997 in Höhe von 2.986,76 DM. Zur Begründung hieß es: Auf den Verletztengeldbetrag von 8.533,44 DM sei ein Betrag von 5.546,68 DM (80 vH von 6.500,-- DM = 5.200,-- DM : 30 x 32) anzurechnen, den die ... GmbH an Gehaltsfortzahlung an den Kläger zu zahlen gehabt hätte, wenn diese nicht vertraglich ausgeschlossen gewesen wäre. § 4 Satz 2 der Vereinbarung vom 1.1.1996 stelle einen rechtlich unwirksamen Vertrag zu Lasten eines Dritten dar. Aufgrund der Höherversicherung mit einer Versicherungssumme von 120.000,-- DM stehe dem Kläger allerdings der Verletztengeldspitzenbetrag von 2.986,76 DM zu.

Der hiergegen eingelegte Widerspruch wurde durch Widerspruchsbescheid vom 14.10.1997 zurückgewiesen.

Das Sozialgericht (SG) hat die Beklagte durch Urteil vom 27.1.1999 unter Abänderung des angefochtenen Bescheides verurteilt, dem Kläger Verletztengeld ohne Anrechnung zu gewähren. Zur Begründung hat es ausgeführt: Es könne offenbleiben, ob vorliegend noch die Vorschriften der Reichsversicherungsordnung (RVO) oder diejenigen des am 1.1.1997 in Kraft getretenen 7. Buchs des Sozialgesetzbuchs (SGB VII) anzuwenden seien, da sich in Bezug auf die relevante Rechtslage keine Unterschiede ergäben. Ein Gehaltsfortzahlungsanspruch sei nicht auf das dem Kläger zustehende Verletztengeld anrechenbar, weil dieser tatsächlich keine Gehaltsfortzahlung erhalten habe. Indem der Gehaltsfortzahlungsanspruch vertraglich ausgeschlossen worden sei, hätten sich die Vertragsparteien im Rahmen der ihnen zustehenden Vertragsfreiheit gehalten. Ein unzulässiger Vertrag zu Lasten eines Dritten oder ein rechtsunwirksames Umgehungsgeschäft liege nicht vor. Ein Umgehungsgeschäft erfordere einen verwerflichen Beweggrund, die Anwendung unlauterer Mittel oder die ausschließliche Zweckbestimmung, einem anderen einen Schaden zuzufügen. Eine solche Fallgestaltung sei vorliegend nicht gegeben. Ein Vertrag zu Lasten eines Dritten setze voraus, dass der Dritte durch ihn unmittelbar verpflichtet werde. Auch daran fehle es.

Gegen dieses ihr am 29.6.1999 zugestellte Urteil richtet sich die am 12.7.1999 beim Landessozialgericht Rheinland-Pfalz eingelegte Berufung der Beklagten.

Die Beklagte trägt vor: Nach ihrer Auffassung stelle die Vereinbarung zwischen dem Kläger und der Firma ... einen unzulässigen Vertrag zu ihren Lasten dar. Der Umstand, dass der Kläger bei ihr nicht kraft Gesetzes, sondern freiwillig versichert sei, rec...

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