Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialhilfe. Übernahme der Bestattungskosten. Erforderlichkeitsbegriff. Art, Umfang und Höhe der berücksichtigungsfähigen Aufwendungen. Kürzung aufgrund von Vergleichswerten

 

Orientierungssatz

1. Erforderlich iS des § 74 SGB 12 sind die Kosten für eine würdige, den örtlichen Verhältnissen entsprechende einfache Bestattung (vgl LSG Darmstadt vom 20.3.2008 - L 9 SO 20/08 = FEVS 59, 567). Der Erforderlichkeitsbegriff bezieht sich sowohl auf Art und Umfang der Bestattungsaufwendungen als auch auf die Höhe der Kosten.

2. Zur Zulässigkeit der Kürzung geltend gemachter Bestattungsaufwendungen aus dem Jahr 2005 auf der Grundlage von Vergleichswerten aus berücksichtigten Rechnungen von Bestattungsunternehmen der Jahre 2005/2006 und der ab 1.1.2005 geltenden "Vergütungssätze inklusive Mehrwertsteuer für die Übernahme von Bestattungskosten nach § 74 SGB 12 in der Stadt Koblenz".

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 25.08.2011; Aktenzeichen B 8 SO 20/10 R)

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten darüber, ob die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin weitere Bestattungskosten in Höhe von 956,32 Euro zu erstatten.

Die 1980 geborene Klägerin war mit P.K. verheiratet, der 2005 in K. verstarb. Zum damaligen Zeitpunkt bezogen die Klägerin und ihre Familie laufende Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem Zweiten Buch des Sozialgesetzbuchs (SGB II).

Die Klägerin beauftragte die Firma Bestattungen H. S. OHG mit der Durchführung der Bestattung ihres verstorbenen Ehemannes. Diese stellte der Klägerin hierfür Kosten in Höhe von 1.507,01 Euro in Rechnung. Der städtische Eigenbetrieb Grünflächen und Bestattungswesen machte mit Bescheid vom 28.10.2005 Gebühren in Höhe von 1.565,00 Euro für den Graberwerb geltend. Mit Bescheid vom 23.11.2005 machte das Polizeipräsidium K. gegenüber der Klägerin anteilige Kosten für die Bergung und Überführung des Verstorbenen in Höhe von 263,32 Euro geltend.

Mit Bescheid vom 15.11.2005 bewilligte die Beklagte der Klägerin nach § 74 SGB XII eine einmalige Beilhilfe in Höhe von 405,59 Euro, die sie unmittelbar an den Eigenbetrieb überwies. Bei der Berechnung ging sie von erforderlichen Bestattungskosten in Höhe von insgesamt 2.101,19 Euro aus. Hiervon brachte sie einen von der Klägerin einzusetzenden Erbanteil in Höhe von 1.695,60 Euro in Abzug.

Zur Begründung ihres hiergegen eingelegten Widerspruchs führte die Klägerin aus, dass sie bei der Beauftragung des Bestatters diesen darum gebeten habe, nur die mit dem Sozialamt abrechenbaren Dienstleistungen in Rechnung zu stellen.

Mit Bescheid vom 07.12.2005 lehnte die Beklagte die Übernahme der polizeilichen Kosten für Bergung und Überführung des verstorbenen Ehemannes der Klägerin ab.

Auch gegen diesen Bescheid erhob die Klägerin Widerspruch.

Mit Bescheid vom 26.06.2006 half die Beklagte dem Widerspruch gegen den Bescheid vom 15.11.2005 teilweise ab und bewilligte der Klägerin eine weitere einmalige Beihilfe für Bestattungskosten in Höhe von 1.710,10 Euro. Zur Begründung führte sie aus, dass sie davon absehe, von den erforderlichen Bestattungskosten von insgesamt 2.101,19 Euro den Erbanteil von 1.695,60 Euro als Eigenanteil abzusetzen. Weiterhin sei die Beihilfe um einen Betrag von 14,50 Euro für eine Sterbedecke zu erhöhen.

Mit Widerspruchsbescheid vom 30.11.2006 wies sie die Widersprüche der Klägerin im Übrigen als unbegründet zurück. Rechtsgrundlage für die bewilligten Leistungen sei § 74 SGB XII. Nach dieser Bestimmung seien die erforderlichen Kosten einer Bestattung zu übernehmen, soweit dem hierzu Verpflichteten nicht zugemutet werden könne, diese zu tragen. Die Voraussetzungen des § 74 SGB XII seien in Bezug auf den von der Klägerin noch begehrten Differenzbetrag zwischen den bereits bewilligten Leistungen und den tatsächlich im Zusammenhang mit dem Todesfall angefallenen Kosten nicht erfüllt. Der zur Tragung der Bestattungskosten grundsätzlich verpflichteten Klägerin sei zwar die Kostentragung nicht zuzumuten. Die von ihr geltend gemachten Kosten seien aber nur teilweise erforderlich i.S. des § 74 SGB XII. Soweit dies der Fall sei, habe die Beklagte mit der Bewilligung einer Beihilfe in Höhe von insgesamt 2.115,69 Euro den Anspruch erfüllt. Erforderlich seien die Kosten einer der Würde des Toten entsprechenden Bestattung, d.h. die Kosten für ein Begräbnis ortsüblich einfacher, aber würdiger Art. Dies sei in der Regel entweder eine Sargbeisetzung in einer Reihengrabstätte oder eine einfache würdevolle Feuerbestattung. In diesem Rahmen seien die Aufwendungen als erforderlich anzusehen, die auch in denjenigen Teilen der Bevölkerung, die nur über ein geringes Einkommen verfügten, selbstverständlich für eine Bestattung aufgewandt würden. Nach Maßgabe dessen seien die Kosten für die Bergung und Überführung der Leiche des Ehemannes der Klägerin nicht im sozialhilferechtlichen Sinne erforderlich, da diese Kosten ausschließlich in polizeilichem Interesse erwachsen seien. Sie seien deshalb nicht vom Sozialhilfeträger zu übernehmen. ...

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