Entscheidungsstichwort (Thema)

Krankengeldanspruch. Verweisbarkeit. ungelernte Tätigkeit

 

Orientierungssatz

Maßgeblich für die Verweisbarkeit im Rahmen des Anspruchs auf Krankengeld ist die bei Eintritt des Versicherungsfalles ausgeübte Tätigkeit (hier Hausgehilfin). Handelt es sich hierbei um eine ungelernte Tätigkeit, ist eine weitere Verweisbarkeit als bei der Verrichtung von Tätigkeiten im Rahmen eines Ausbildungsberufs gegeben. Nicht ausreichend ist es jedoch, den Versicherten allgemein auf leichte Arbeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes zu verweisen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die Gewährung von Krankengeld. Die ... 1958 geborene Klägerin ist bei der Beklagten krankenversichert. Von 1992 bis April 1996 war die Klägerin halbtags als Hausgehilfin versicherungspflichtig beschäftigt, danach war sie arbeitslos und bezog Arbeitslosengeld bis 13.5.1997. Bei der Klägerin wurden im Januar 1996, im April/Mai 1996 und nochmals im September 1996 stationäre gynäkologische Operationen durchgeführt. In einem Gutachten vom 14.2.1997 für das Arbeitsamt kam Dr. S zu dem Ergebnis, die zuletzt ausgeübte Tätigkeit als Hausgehilfin könne die Klägerin zum jetzigen Zeitpunkt nicht verrichten. Sie sei aber ausreichend belastbar für körperlich leichte Arbeiten in wechselnder Arbeitshaltung vier Stunden pro Tag und 20 Stunden pro Woche.

Ab dem 23.4.1997 diagnostizierten die Dres. S, K und M Arbeitsunfähigkeit bei der Klägerin. Die Beklagte zahlte ab dem 14.5.1997 Krankengeld. Im Auftrag der Beklagten erstattete die Obermedizinalrätin T vom Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) am 28.5.1997 ein Gutachten. Sie diagnostizierte einen Verdacht auf eine somatoforme Schmerzstörung und ein vaginales Schmerzsyndrom nach Hysterektomie und Narbenkorrektur. Die Klägerin könne wieder leichte körperliche Tätigkeiten in Wechselrhythmus verrichten, die Arbeitsunfähigkeit könne beendet werden.

Die Beklagte stellte daraufhin die Krankengeldzahlung mit Ablauf des 4.6.1997 ein und teilte dies der Klägerin mit Schreiben vom 2.6.1997 mit. Die Klägerin legte Widerspruch ein und verwies auf einen Bericht der Universitätsklinik M vom 30.5.1997. Nachdem der MDK hierzu eine Stellungnahme abgegeben hatte, teilte die Beklagte der Klägerin mit Bescheid vom 24.6.1997 nochmals mit, Arbeitsunfähigkeit liege über den 4.6.1997 hinaus nicht vor. Mit Widerspruchsbescheid vom 22.10.1997 wurde der Widerspruch der Klägerin zurückgewiesen.

Im Juli 1998 forderte die Klägerin die Beklagte auf, nunmehr über ihren Widerspruch zu entscheiden. Die Beklagte wies daraufhin den Widerspruch der Klägerin nochmals mit Widerspruchsbescheid vom 9.11.1998 zurück.

Das Sozialgericht Trier (SG) hat die Akten des Arbeitsamtes T beigezogen und auf Antrag der Klägerin ein Gutachten bei dem Frauenarzt L eingeholt. In seinem Gutachten vom 2.2.2000 hat der Sachverständige ausgeführt, bei der Klägerin bestehe eine semicirculäre Narbenspange der hinteren Scheidenwand mit partieller Stenosierung der Scheide nach vaginaler Hysterektomie mit Plastik und Sekundäroperation. Die von der Klägerin geschilderten persistierenden Schmerzen seien bei dem organisch eindeutigen Korrelat plausibel. Da sich weder der objektive Befund noch die glaubhaft geschilderten Schmerzen gebessert hätten, liege Arbeitsfähigkeit auch im Hinblick auf leichte Arbeiten ab dem 5.6.1997 nicht vor.

Mit Urteil vom 9.6.2000 hat das SG die Beklagte verurteilt, der Klägerin über den 4.6.1997 hinaus Krankengeld nach den gesetzlichen Vorschriften zu gewähren. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, die Klägerin habe über den 4.6.1997 hinaus bis zum Ende der Höchstanspruchsdauer am 8.1.1998 Anspruch auf Krankengeld, da Arbeitsunfähigkeit weiterhin vorgelegen habe. Unter Berücksichtigung der umfangreich vorliegenden medizinischen Befunde und Beurteilungen, insbesondere aufgrund des Gutachtens des Frauenarztes L sei das Gericht zur Überzeugung gelangt, dass bei der Klägerin über den 4.6.1997 hinaus eine Leistungsfähigkeit für vier Stunden täglich leichte Arbeit in wechselnder Körperhaltung nicht vorgelegen habe. Das Gericht habe gegen die Beurteilung des Frauenarztes L keine Bedenken. Er habe die Klägerin fachärztlich begutachtet und dabei gezielte Befunde erhoben. Die von ihm aufgezeigte Beurteilung sei schlüssig und überzeugend, sie lasse Widersprüche nicht erkennen. Den Beurteilungen von Dr. S und des MDK könne nicht gefolgt werden, da damals eine gezielte frauenärztliche Untersuchung nicht stattgefunden habe. Selbst wenn man aber mit der Beklagten von einer halbschichtigen Leistungsfähigkeit der Klägerin für körperlich leichte Arbeiten ausgehe, liege Arbeitsfähigkeit dennoch nicht vor. Die Klägerin könne nämlich nicht auf den allgemeinen Arbeitsmarkt verwiesen werden. Auszugehen sei vielmehr von der letzten versicherten Tätigkeit als Hausgehilfin, diese Tätigkeit habe die Klägerin auch über den 4.6.1997 hinaus nicht verrichten können. Unerheblich sei, dass die Klägerin keine weiteren Arbeitsunfähigkeit...

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