Entscheidungsstichwort (Thema)

Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit bzw Erwerbsminderung. Erfüllung der besonderen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen durch Pflichtbeitragszeiten nach dem ALG. Verfassungsmäßigkeit

 

Orientierungssatz

1. Auch die nach dem ALG entrichteten Pflichtbeiträge sind keine Beiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit iS der §§ 43 Abs 1 S 1 Nr 2, 44 Abs 1 S 1 Nr 2 SGB 6 (zum GAL vgl BSG vom 27.6.1990 - 5 RJ 19/89 = SozR 3-2200 § 1246 Nr 6)

2. Ein Verstoß gegen Art 3 GG ist hierdurch nicht gegeben.

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 19.05.2004; Aktenzeichen B 13 RJ 4/04 R)

 

Tatbestand

Streitig ist zwischen den Beteiligten, ob der 1940 geborene Kläger einen Anspruch auf Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit hat.

Im Versicherungsverlauf des Klägers sind für die Zeiten vom 01.12.1960 bis 28.02.1961, 01.02.1968 bis 31.08.1973 und 01.02.1990 bis 31.08.1990 Pflichtbeiträge vermerkt. Für die Zeiten vom 01.01.1956 bis 30.11.1960, vom 01.03.1961 bis 31.01.1968 und vom 01.01.1974 bis 31.12.1986 hat der Kläger freiwillige Beiträge zur Beklagten entrichtet. Von September 1973 bis 30.06.1999 arbeitete der Kläger als selbstständiger Winzer. Er entrichtete Beiträge zur Landwirtschaftlichen Alterskasse. Seit dem 01.11.1999 bezieht der Kläger Rente wegen Erwerbsunfähigkeit von der Landwirtschaftlichen Altersklasse.

Im Oktober 2000 beantragte der Kläger die Gewährung von Rente wegen Erwerbs- (EU) bzw Berufsunfähigkeit (BU). Gleichzeitig beantragte er Altersrente wegen Vollendung des 60. Lebensjahres für Versicherte, die berufsunfähig oder erwerbsunfähig sind. Die Beklagte holte ein Gutachten des Arztes für Innere Medizin und Sozialmedizin S, Gutachterstelle der LVA Rheinland-Pfalz, Bad Kreuznach, vom 08.12.2000 ein. Darin wurden als Diagnosen angegeben: 1. Chronifiziertes Wirbelsäulensyndrom bei Fehlhaltung und degenerativen Wirbelsäulenveränderungen mit deutlichen Funktionseinschränkungen ohne radikuläre Symptomatik, vertebragener Schwindel, 2. Rhizarthrose rechts, Coxarthrose beidseits, Gonarthrose beidseits, Senk-Spreizfüße, 3. Bluthochdruck mit Schwindel, 4. Schwerhörigkeit beidseits, Ohrgeräusche beidseits, 5. Übergewicht, leichter Diabetes mellitus und 6. Psoriasis beider Knien. Der Kläger sei noch in der Lage, leichte körperliche Tätigkeiten mit der Möglichkeit zeitweise sitzen zu können ohne ständige Nässe- und Kälteeinwirkung zu verrichten. Die Arbeiten dürften nicht das Ersteigen von Leitern und Gerüsten, die Einnahme von Zwangshaltungen oder kniender Position erforderlich machen. Arbeiten über dem Kopf könnte der Kläger nicht mehr ausführen. Für Arbeiten mit besonderen Anforderungen an die Grob- und Feinmotorik der rechten Hand sei der Kläger nicht geeignet.

Mit Bescheid vom 18.12.2000 und Widerspruchsbescheid vom 16.08.2001 lehnte die Beklagte den Antrag auf Gewährung einer Rente wegen EU bzw BU ab. Der Kläger erfülle nicht die besonderen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen. Er habe nicht in den letzten drei Jahren vor Rentenantragstellung drei Jahren mit Pflichtbeiträgen belegt. Im maßgeblichen Zeitraum vom 17.10.1995 bis 16.10.2000 seien keine Kalendermonate mit entsprechenden Beiträgen vorhanden. Verlängerungstatbestände lägen ebenfalls nicht vor. Ein Anspruch auf Altersrente für Schwerbehinderte, Berufs- oder Erwerbsunfähige bestehe ab 01.08.2000 ebenfalls nicht. Die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen seien auch insoweit nicht erfüllt. Die Beitragsleistungen zur Landwirtschaftlichen Alterskasse könnten keine Berücksichtigung finden.

Mit seiner Klage beim Sozialgericht Mainz (SG) hat der Kläger lediglich sein Begehren nach Gewährung einer Rente wegen EU bzw BU und hilfsweise wegen Erwerbsminderung für die Zeit ab dem 01.01.2001 verfolgt. Durch Urteil vom 11.01.2002 hat das SG die Klage abgewiesen und sich hierbei im Wesentlichen auf das Urteil des Bundessozialgerichts vom 27.06.1990 - 5 RI 19/89 - gestützt. Die Beiträge, die der Kläger bis 1999 zur Landwirtschaftlichen Alterskasse entrichtet habe, stünden nicht den Pflichtbeiträgen zur gesetzlichen Rentenversicherung gleich und seien auch nicht geeignet, den maßgeblichen 5-Jahres-Zeitraum zu verlängern. Dies gelte auch für die Zeit nach 1995. Ein Verstoß gegen Art. 3 GG sei nicht ersichtlich.

Gegen das am 11.06.2002 zugestellte Urteil hat der Kläger am 05.07.2002 Berufung eingelegt.

Der Kläger ist der Auffassung, dass er seit November 1999 erwerbsunfähig sei. Das Urteil des SG befasse sich durch die Zitierung des Urteils des BSG vom 27.06.1990 nur mit der alten Rechtslage. Mit der Agrarsozialreform habe der Gesetzgeber ausdrücklich eine Änderung vollzogen. Der Gesetzgeber habe unbillige Härten, die sich aus der unterschiedlichen Versicherungspflicht ergäben, ausgleichen wollen. § 55 Abs 6 SGB VI erkenne auch, wo dort von Pflichtbeiträgen nach besonderen Vorschriften gesprochen werde, die Beiträge zur Alterssicherung der Landwirte an. Es sei sachlich nicht gerechtfertigt, dass ein Versicherungsfall für den unberechenb...

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